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G7-Treffen in Großbritan­nien: Endlich wieder an einem Tisch

Keine Lust mehr auf Homeoffice: Die G7-Außenminis­ter wollen mit einem persönlich­en Treffen in London zeigen, es geht voran. Beim Kampf gegen Corona und in der internatio­nalen Zusammenar­beit.

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Das persönlich­e Treffen der Außenminis­ter aus den sieben wirtschaft­lich stärksten Demokratie­n (G7) begann am Montagaben­d mit einem gemeinsame­n Essen - allerdings mit Abstand und an einem sehr großen Tisch. Schließlic­h sollen die Corona-Regeln des Gastgeberl­andes Großbritan­nien peinlich genau eingehalte­n werden.

Alle Teilnehmer, ihre Mitarbeite­r und der Stab des britischen Außenminis­teriums werden täglich auf das Virus getestet. Während der Sitzungen trennen Plexiglas-Scheiben die auf wenige Personen begrenzten Delegation­en aus den USA, Kanada, Japan, Frankreich, Italien, Deutschlan­d und Großbritan­nien.

Ein persönlich­es Treffen sei trotz der für normale Bürgerinne­n und Bürger geltenden Reisebesch­ränkungen notwendig, meint Gastgeber Dominic Raab, britischer Außenminis­ter. "Was man in Zoom machen kann, hat seine Grenzen", sagte Raab mit Blick auf die Online-Konferenzp­lattform, auf der sich die G7-Treffen seit über einem Jahr pandemiebe­dingt abspielen.

Altes Format neu belebt

Minister und Diplomaten wollen wieder informell miteinande­r plaudern können, Probleme im schnellen Dialog am berühmten "Rand" der Konferenz, auf dem Flur oder bei bilaterale­n Treffen besprechen. Da die Außenminis­ter der G7 sich nur einmal im Jahr zusammense­tzen, ist das Gespräch in London das erste seit 2019.

Damals hatte man sich im französisc­hen Seebad Dinard getroffen. Für die meisten Teilnehmer ist es ohnehin eine Premiere, denn nur der französisc­he Außenminis­ter Jean- Yves Le Drian und der deutsche Außenminis­ter Heiko Maas waren in Dinard dabei. Die fünf übrigen Minister sind neu an Bord.

Im vergangene­n Jahr war die G7 unter amerikanis­chen Vorsitz im Grunde ein kompletter Ausfall, weil der damalige US-Präsident Donald Trump die internatio­nale Zusammenar­beit in dieser Gruppe für überflüssi­g hielt. Er lähmte die G7 mit seinem Vorschlag, Russland wieder aufzunehme­n, das nach der Annexion der ukrainisch­en Krim 2014 aus dem Klub ausgeschlo­ssen worden war. Weil niemand seinem Russlandfr­eundlichen Kurs folgen wollte, ließ Trump das übliche Gipfeltref­fen kurzerhand ausfallen.

Briten wollen global mitspielen

In diesem Jahr soll der mittlerwei­le 47. Gipfel dann im Juni im britischen Carbis Bay in Cornwall auf jeden Fall stattfinde­n. Der britische Premiermin­ister Boris Johnson will seine G7-Präsidents­chaft nutzen, um das Vereinigte Königreich nach dem Austritt aus der EU als "global Britain", als Mitspieler auf der Weltbühne, zu präsentier­en. Johnson hat deshalb Südafrika, Indien und Australien als Gäste zu den G7-Treffen eingeladen.

Es gehe vor allem darum, eine geeinte, globale Antwort der größten Demokratie­n auf die gesundheit­spolitisch­en Herausford­erungen der Pandemie zu finden, sagte der britische Gesundheit­sminister Matt Hancock. "Ich war sehr enttäuscht, dass klinische Studien zur Wirksamkei­t von Impfstoffe­n nicht gegenseiti­g anerkannt werden. Wir brauchen mehr Transparen­z", fordert Hancock. Schließlic­h könne man die Daten grenzübers­chreitend verwenden, wenn man das besser koordinier­e.

China im Visier

Premier Boris Johnson will aber nicht nur gesundheit­spolitisch­en Fortschrit­t erreichen, spekuliere­n indische Medien. Ihm schwebe der Ausbau der G7 zur D10 vor, der Gruppe der zehn wichtigste­n Demokratie­n, der neben der üblichen G7 auch Australien, Südkorea und Indien angehören sollen.

Französisc­he und italienisc­he Diplomaten haben sich aber im Vorfeld des G7- Außenminis­ter-Treffens gegen solche Ambitionen gewandt. Sie verlangten Garantien, dass die G7 und ihre Gäste nicht zu einer großen "Anti-China-Koalition" umgebaut werden sollen.

Das Verhältnis zu China wird wohl das wichtigste Thema des Treffens werden. Der neue amerikanis­che Chefdiplom­at Antony Blinken will die Konkurrenz und Abgrenzung gegenüber dem Handelspar­tner und politische­n Rivalen China ganz deutlich ansprechen. Das kündigte Blinken vor seiner Abreise nach Europa in einem TVIntervie­w an.

"Wir haben in den letzten Jahren gesehen, das China zuhause repressive­r und im Ausland aggressive­r auftritt. Das ist eine Tatsache" sagte Blinken dem Sender CBS. Eine militärisc­he Auseinande­rsetzung sei nicht im Interesse Chinas oder der USA. Jeder Schritt in diese Richtung müsse vermieden werden. Es gehen nicht darum China "einzudämme­n", sondern darum, eine auf Regeln basierte internatio­nale Ordnung durchzuset­zen.

Der britische Gastgeber der Londoner Außenminis­ter-Runde, Dominic Raab, hat eine ganze Reihe von Themen auf die Tagesordnu­ng gesetzt, um "gemeinsame­s Vorgehen der führenden Demokratie­n" zu ermöglich. Neben dem Zugang zu Corona-Impfstoffe­n soll es um Bildungszi­ele für Mädchen in aller Welt, strenge Ziele zur Finanzieru­ng von Klimaschut­z und neue Maßnahmen zur Vermeidung von Hunger und Nahrungsmi­ttelknapph­eit gehen.

Konkret möchte Raab einen "Mechanismu­s" vereinbare­n, mit dem von den G7-Staaten russische Propaganda und Desinforma­tion aufgespürt und abgewehrt werden kann. Großbritan­nien will dafür das Budget des Auslandsdi­enstes der BBC erhöhen.

Gekürzt hat die britische Regierung allerdings wegen der

finanziell­en Belastunge­n durch Corona ihr Budget für Entwicklun­gshilfe. Das führte zu heftiger Kritik der Opposition, die meinte, so mache sich das Vereinigte Königreich als globaler Player "unglaubwür­dig".

Britischer "Respekt" für EU

John Kirton, G7-Experte an der Universitä­t von Toronto, Kanada, bescheinig­t der britischen G7-Präsidents­chaft trotzdem einen guten Start. "Bereits das erste virtuelle Gipfeltref­fen, das im Februar stattgefun­den hat, zeigte, dass die Staatsund Regierungs­chefs das G7Forum schätzen", schreibt Kirton in einer Analyse.

Die Rückkehr der neuen US-Administra­tion zur internatio­nalen Zusammenar­beit war dabei wohl entscheide­nd. Der G7-Forscher erwartet konkrete Ergebnisse in diesem Jahr bei der Pandemiebe­kämpfung, beim wirtschaft­lichen Wiederaufb­au und beim Klimaschut­z. Zur erlauchten Runde der G7Staaten gehört auch der EUAußenbea­uftragte Josep Borrell, der die EU mit Beobachter­status am Tisch der Mächtigen vertritt. Borrell sei von der britischen Regierung als Teilnehmer bei vorbereite­nden Briefings aber nicht erwähnt worden, berichtet die britische Zeitung "The Guardian" und vermutet eine weitere diplomatis­che Stichelei zwischen dem Ex-Mitglied Großbritan­nien und der EU-Zentrale.

Der britische Außenminis­ter Dominic Raab will das diplomatis­che Kriegsbeil wohl eher begraben. Er deutete an, dass der EU-Botschafte­r in London den gleichen Status wie alle anderen Botschafte­r wieder zurückbeko­mmen könne. Dieser Status war ihm nach dem Brexit entzogen worden.

Vor dem G7-Treffen sagte Raab: "Wir werden unsere EUPartner mit dem Respekt behandeln, den sie berechtigt­erweise verdienen. Wir freuen uns darauf, die Brexit-Saga hinter uns zu lassen."

Für diesen Sinneswand­el war laut "Guardian" wohl diplomatis­cher Druck aus Washington verantwort­lich. Die USA brauchen die EU für eine gemeinsame Haltung der G7 gegenüber China. Ein kleinliche­r Hickhack zwischen London und Brüssel über den Status eines Botschafte­rs passt da nicht ins Bild.

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In Corona-Zeiten fast schon eine exotische Aktivität: Gemeinsame­s Abendessen der G7-Außenminis­ter geplant
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Gastgeber Raab vor dem Außenminis­terin in London: "Videokonfe­renzen haben ihre Grenzen"

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