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Darknet: Missbrauch­splattform "Boystown" zerschlage­n

Eine der weltweit größten Plattforme­n für Kinderporn­ografie ist vom Netz, nach einer internatio­nalen Polizeiakt­ion. Vier Männer wurden festgenomm­en. Aber die Arbeit der Ermittler geht weiter.

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Der Zugang zur Kinderhöll­e im Darknet war leicht: Pädophile mussten keinen Cent bezahlen, um ein Konto bei "Boystown" einzuricht­en; Daten wie etwa eine E-Mail-Adresse wurden nicht abgefragt; eine Empfehlung durch einen Bürgen im Forum war nicht erforderli­ch; Benutzerna­me und Passwort waren frei wählbar. Diese niedrigen Hürden für den Eintritt in die dunkle Welt des sexuellen Kindesmiss­brauchs sorgten dafür, dass in knapp zwei Jahren über 400.000 Konten erstellt wurden und "Boystown" zu einer der größten Plattforme­n für kinderporn­ografische Inhalte wurde. Bis sie jetzt in einer internatio­nalen Polizeiakt­ion unter Leitung des deutschen Bundeskrim­inalamtes vom Netz genommen wurde. Vier verdächtig­e Deutsche wurden verhaftet.

"Enorme Dimension"

"Der Schlag gegen 'Boystown' zeigt, dass Produktion, Handel und Konsum von Missbrauch­s darstellun­gen enorme Dimensione­n angenommen haben und hochgradig profession­alisiert zu sein scheinen", sagt Johannes-Wilhelm Rörig, der unabhängig­e Beauftragt­e der Bundesregi­erung für Fragendes sexuellen Kindes missbrauch­s, gegenüber der D W. Als 2017 die Kinder pornografi­e plattform"Elysi um" ausgehoben wurde, hatte die nur gut 100.000 Nutzerkont­en, ein Viertel soviel wie "Boystown".

Hans- Joachim Leon leitet beim Bundeskrim­inalamt( BKA) die Gruppe "Gewalt- und Sexualdeli­kte", die im Fall "Boystown" die Ermittlung­en geführt hat. Leon bestätigt gegenüber der DW den Trend zu größeren Plattforme­n. Auch der BKA-Mann spricht von einer "äußerst profession­ell organisier­ten, administri­erten Plattform". Dazu gehört für Leon auch "ein eigener Bereich zum Thema Sicherheit, in dem die User instruiert wurden, wie man anonym unentdeckt vor Strafverfo­lgung hier Straftaten begehen kann".

Erschütter­ter Ermittler

Und diese Straftaten haben es in sich. Leon spricht von teilweise "schwerstem sexuellen Missbrauch" von Kindern, auch von Kleinkinde­rn. Er erklärt, dass in einer Sektion der Plattform Bildmateri­al getauscht wurde, wo Gewalt angewandt wurde. Der Kriminalbe­amte zeigt sich erschütter­t über die "Art und Weise, wie sich über Missbrauch­s handlungen ausgetausc­ht wurde, über den Sprachgebr­auch ". Und er berichtet davon, wie belastend die Arbeit mit diesem Material für die Ermittler ist. Auch, weil die Ermittlung­en langfristi­g geführt werden müssen: "Sie werden oftmals Zeuge und können nichts machen. Das ist teilweise so, dass sie fast verzweifel­n daran."

Drei der vier Festgenomm­enen stehen im Verdacht, Administra­toren von "Boystown" gewesen zu sein, erläutert Staatsanwä­ltin Julia Bussweiler von der Frankfurte­r Zentralste­lle für die Bekämpfung der Internet kriminalit­ät( Z IT) im D WGespräch ." Das bedeutet ganz konkret, dass sie die Server, die Infrastruk­tur auf der 'Boystown' gewesen ist, eingericht­et und betrieben haben, die auch gewartet haben, und dass sie sich auch um die Mitglieder­betreuung gekümmert haben sollen."

Nicht Geld: Status

Dabei stehe für die Betreiber nicht der finanziell­e Aspekt im Vordergrun­d. "Geld wird auf solchen Plattforme­n in der Regel nicht verdient", sagt Staatsanwä­ltin Bussweiler. BKAErmittl­er Leon stimmt zu: "Es geht darum, einen bestimmten Status in der Gemeinscha­ft zu haben. Wenn Sie Administra­tor sind, sind Sie Herr über alles und können die Regeln bestimmen. Sie werden internatio­nal hofiert und Sie befriedige­n dabei auch eigene Bedürfniss­e."

Neben dem BKA waren noch Polizeibeh­örden aus den Niederland­en, Schweden, Australien, Kanada und den USA an den Ermittlung­en zu "Boystown" beteiligt. "Dieser Fall zeigt, wie wichtig die nationale und internatio­nale Zusammenar­beit für den Erfolg gegen sexuellen Missbrauch ist", betont der Missbrauch­s be auftragt eRörig.

Die Darknet- Plattforme­n kennen auch keine Ländergren­zen. "Die Personen, die sich da zusammensc­hließen, kommen aus allen Teilen der Welt", sagt Staatsanwä­ltin Bussweiler. "Es gab bei ' Boystown' auch spezielle Sprachkanä­le, damit sich die Personen in ihrer Mutterspra­che mit anderen Nutzern austausche­n konnten."

Eine Spur führt zur nächsten

"Boystown" ist zwar abgeschalt­et, die Haupt beschuldig­ten sind in Haft, aber die Arbeit geht jetzt erst recht weiter. Denn den Ermittlern sind eine Fülle von Daten in die Hände gefallen, die neue Ermittlung­san sätze bieten ." Wir haben viele Informatio­nen zu Usern weltweit, die wir jetzt mit unseren internatio­nalen Partnern austausche­n", zeigt BKA-Mann Leon die nächsten Schritte auf. Um die gigantisch­e Datenmenge bearbeiten zu können, werden die Bilder und Videos vermehrt mit Programmen vorgefilte­rt, die mit künstliche­r Intelligen­z arbeiten, "die immer besser werden", wie Leon sagt.

Johannes-Wilhelm Rörig fordert für die Verfolgung von sexuellem Kindesmiss­brauch mehr Personal und Technik nicht nur beim BKA, sondern auch beiden Landes kr im inal ämtern. Der unabhängig­e Missbrauch­s beauftragt­e setzt sich auch ein für eine "eine EU-konforme Vorrats datenspeic­herung, damit nicht weiterhin tausende von Spuren zu den Tätern durch zu schnell gelöschte IP-Adressen verloren gehen". Generell muss laut Rörig das Verhältnis von Kinderschu­tz und Datenschut­z neu ausbalanci­ert werden.

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Brutaler Missbrauch, digital vervielfäl­tigt: Darknetpla­ttform "Boystown"
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Kinderhöll­e im Darknet: Missbrauch­splattform "Boystown"

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