Deutsche Welle (German edition)
Meinung: Journalisten kennen keine richtige Freiheit in Pakistan
Aus Angst vor Verfolgung und Bedrohung von Leib und Leben gehen Journalisten in Pakistan vorsichtig vor. Die Mutigen und Furchtlosen, die unangenehme Fragen stellen, sind am meisten gefährdet, meint Warda Imran.
Wie es um die Presse in Pakistan steht, erfährt die Welt lediglich aus Statistiken und Berichten von Zensur. Ich aber kann die Lage der Presse in Pakistan aus eigener Anschauung beurteilen. Ich habe miterlebt, wie großartige journalistische Beiträge gelöscht und Autoren aufgefordert wurden, die Finger von Themen zu lassen, die mit den Interessen von Unternehmen kollidieren. Zum Beispiel Berichte darüber, wie mächtige Modekonzerne ihre Angestellten ausbeuten.
Warum haben Sie sich für den Journalismus entschieden?
Ich war noch ziemlich jung, als ich begriff, dass eine Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt werden kann. Ich war fasziniert davon, wie durch eine Recherche ein regionales Ereignis für zu einer Schlagzeile wird. Ich wollte Teil dieser Maschinerie sein - eine Reporterin, die Fakten sammelt und sie mit großer Sorgfalt verbreitet.
Daran ist auch der andauernde Nachrichtenkonsum meines Vaters schuld. Aber nicht nur bei uns zu Hause liefen andauernd Nachrichtensendungen, auch in Friseurläden, kleinen Restaurants und Büros. Der andauernde Nachrichtenstrom kann in Pakistan aber auch abrupt versiegen - und zwar nicht, weil gerade mal wieder der Strom ausfällt. So geschehen vor zwei Jahren. Damals wurde ein Interview mit dem ehemaligen Präsidenten Asif Ali Zardari auf "Geo News" mitten in der Sendung abgebrochen. Offenbar hatten die Mächtigen den Stecker gezogen.
Verfolgung und Drohungen
Pakistanische Medien neigen auch zur Selbstzensur, um politische Auseinandersetzungen oder Kürzungen ihres Budgets zu verhindern. Es gibt bestimmte Themen, über die nicht berichtet wird, bestimmte Meinungen, die niemals die Augen oder Ohren der Öffentlichkeit erreichen - bestimmte Wahrheiten, die mit dem Journalisten alt werden. "Hör auf, über bestimmte Geschichten zu berichten, wenn Du an Deinem Leben hängst", ist ein oft gehörter Satz. Journalisten werden für einfache Wahrheiten bestraft, inhaftiert oder schikaniert, wenn sie Fragen stellen, auf die die Öffentlichkeit Antworten haben möchte. Sie werden inhaftiert oder zu Geldstrafen verurteilt, wenn sie sich gegen staatliche Institutionen stellen. Es gab verzweifelte "Suchaktionen" nach Kollegen, die während der Arbeit an einer Geschichte spurlos verschwanden und erst Tage später wiederauftauchten, wie der Journalist Matiullah Jan.
Dass es auch für mich Grenzen gibt, wurde mir zum ersten Mal bewusst, als ich einen Politiker für eine Geschichte interviewte, die ihn mit einem Verbrechen in Verbindung brachte. Er hat sich von mir nicht in die Enge drängen lassen, aber ich sah es als Erfolg, dass ich diesen mächtigen Mann mit meinen Recherchen konfrontieren konnte.
Ich war ziemlich zufrieden, als der Artikel veröffentlicht wurde. Aber nicht jeder hat das so gesehen wie ich. Meine Eltern haben mir kritische Fragen gestellt: zur Wahl des Themas und des Interviewpartners. "Sei vorsichtig", sagten sie, "wir wollen nicht, dass du an solchen Themen arbeitest, es könnte gefährlich sein. Mit diesen Politikern ist nicht zu spaßen."
Ich war wütend. Die Zitate des Politikers wurden wortwörtlich übernommen, die Geschichte war faktengeprüft, ich hatte nichts zu befürchten. Später dämmerte mir: Es braucht nicht viel, damit ein Journalist in Pakistan Aufmerksamkeit auf sich zieht und schließlich in Gefahr gerät.
Zensiert und ersetzt
Eine zweite Erkenntnis kam bald darauf: Frauen im Journalismus haben in Pakistan nicht dasselbe Standing wie Männer. Gemeinsam mit einer Kollegin hatte ich einen Artikel über den Prozess gegen einen scheinbar unangreifbaren Wirtschaftsmagnaten in Pakistan verfasst.
Wenige Minuten nachdem wir fertig waren, wurde ich vom Chefredakteur in sein Büro zitiert und von ihm gewarnt, dass über solchen Geschichten nicht der Name einer Frau stehen sollte. Wenn der Manager, über den wir berichteten, wegen des Artikels vor Gericht ziehen würde, was er in solchen Fällen oft tat, müssten sich die Autorinnen verantworten. "Natürlich, Sir", sagte ich, "das ist Teil des Jobs. Ich glaube fest daran, dass wir nichts zu befürchten haben, solange wir unparteiische Informationen liefern."
"Nein", antwortete er, "ich würde meiner Tochter, wenn sie an Ihrer Stelle wäre, nicht erlauben, dieser Geschichte nachzugehen". "Ich bin nicht Ihre Tochter, Sir, ich arbeite hier als Profi", betonte ich respektvoll. In der Zeitung des nächsten Tages erschien eine gekürzte Version des Artikels unter dem Namen eines männlichen Kollegen. Mein Name und der meiner Co-Autorin wurden nicht gedruckt.
Journalisten in Pakistan sind frei, bestimmte Geschichten zu veröffentlichen, bekommen ungehinderten Zugang zu politischen Parteien und Kandidaten, aber sie sind nie frei genug, um das Militär zu hinterfragen. Nie frei genug, um Themen wie Vergewaltigung in der Ehe anzusprechen, nie frei genug, um die kreativen, fantasievollen und innovativen Geschichten zu bringen, die wir veröffentlichen wollen. Journalisten in Pakistan können soweit gehen, wie ihre Ketten es zulassen.
geschmuggelt werden. Ein Bus brachte sie mit einer Gruppe junger Frauen ins Nachbarland Benin. Unterwegs musste Ovuorie miterleben, wie zwei Mitgefangene enthauptet wurden. Ihre Organe sollten auf dem Schwarzmarkt verkauft werden. In Benin gelang ihr mit Hilfe einer Kollegin die Flucht. tungen. Wenn die Redaktionen ablehnten, schickte sie völlig unbeeindruckt weitere Texte.
Als sie in der Oberstufe war, wurde die Mutter einer Klassenkameradin beschuldigt, ihren Mann durch Hexerei ermordet zu haben. Tobore protestierte dagegen – erfolglos.
"Alle haben mir immer und immer wieder gesagt: 'Du bist ein Mädchen, Du musst still sein, Du redest zu viel'. Ich spürte Ärger und Zorn. Ich wollte mich nicht anpassen", sagt sie kopfschüttelnd im DW-Interview.
Sie sperrte sich in ihrem Zimmer ein, schrieb jedes Detail ihrer Geschichte auf. Als ihr Vater die Aufzeichnungen in einer Schublade fand, ermutigte er sie, schreibend gegen die Ungerechtigkeit anzukämpfen.
Ovuorie tat es. "Ich habe beschlossen, das für den Rest meines Lebens zu machen: Mit der Macht des geschrieben Wortes für die aufzustehen, die keine Stimme haben."
Doch zunächst musste sie als junge Reporterin mit den Vorurteilen gegenüber Frauen in der nigerianischen Medienlandschaft aufräumen. "Frauen haben über Familie, Mode und Unterhaltung berichtet. Die härteren Geschichten waren für Männer bestimmt."
Viele Wunden, die Tobore Ovuorie während der Recherche über die nigerianische SexMafia zugefügt wurden, sind bis heute nicht vollständig verheilt. Sie kämpft gegen Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS).
Ihr ghanaischer Journalistenkollege Anas Aremeyaw Anas bewundert sie dafür, dass sie trotzdem nicht aufgibt.
"An einem bestimmten Punkt ihrer Karriere dachten wir, das könnte das Ende ihrer Arbeit sein. Aber sie kam wieder. Das Unrecht, das sie in der Gesellschaft sieht, treibt sie an. Sie will sicherstellen, dass die schwächeren Gruppen, Frauen und Kinder, Gerechtigkeit erfahren", sagt er der DW.
Auch nach ihrer Recherche über Zwangsprostitution widmet sich Tobore Ovuorie harten Themen: Sie berichtete über Opfer des Menschenhandels in
Libyen und die Stigmatisierung von nigerianischen Kindern, die HIV-positiv sind. Gerade recherchiert sie, ob Botschaftsmitarbeiter in den Menschenhandel verwickelt sind.
Wenn sie gefragt wird, ob sie es bereut, ihr Leben für ihre Recherchen in Gefahr zu bringen, dann muss sie keine Minute zögern: "Absolut nicht. Sie haben dazu geführt, dass Menschen neu nachdenken. Ich kann ins Bett gehen und ruhig schlafen. Für mich ist das ein sinnvolles Leben."
Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.