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FCAS: Nervenkrieg um europäischen Kampfjet
Bis Ende April müssen sich Europas Rüstungskonzerne über die Aufgabenverteilung für die Entwicklung eines gemeinsamen Kampfjets einigen. Es geht um viel: Um Geld, Arbeitsplätze und den Einfluss Europas in der Welt.
Wenn Natalia Pouzyreff nach dem größten und teuersten europäischen Rüstungsprojekt der kommenden Jahrzehnte gefragt wird, zeichnet die Abgeordnete aus dem Verteidigungsausschuss der französischen Nationalversammlung das Bild eines starken Europas. "Was wir wollen, ist ein System, das unseren Militärs eine Luftüberlegenheit verschafft, und die Fähigkeit, überall dort als erster zu intervenieren, wo wir es möchten."
Die Abgeordnete der Präsidentenpartei La République en Marche schwärmt in höchsten Tönen von den Möglichkeiten des FCAS- Luftkampfsystems. Das Future Combat Air System besteht nicht nur aus einem Nachfolger für die aktuelle Kampfjet-Generation von Rafale und Eurofighter, zu FCAS gehören auch Drohnen, die Einbindung von Satelliten in die Kampfführung und eine sichere Datenumgebung. Mit FCAS, so darf man Natalia Pouzyreff getrost verstehen, ist Europa militärisch wieder auf Augenhöhe mit der Konkurrenz.
Bis die Waffen für die Konflikte der Zukunft einsatzbereit sind, wird es aber noch dauern. Frühestens 2040 soll FCAS den Streitkräften in Deutschland, Frankreich und Spanien zur Verfügung stehen - wenn das Projekt nicht vorher ganz scheitert.
Denn das vor vier Jahren von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Emmanuel Macron auf den Weg gebrachte Vorhaben befindet sich gerade in einer ersten entscheidenden Phase. Nur noch wenige Tage Zeit haben die Regierungen den beteiligten Rüstungsunternehmen gegeben, um sich auf eine "tragfähige Aufgabenverteilung" zu verständigen. Es geht um Arbeitsplätze, Technologieführerschaft und komplizierte Patent-Regelungen.
"Wir können sagen, dass wir beim Flugzeugbau vor einer guten Lösung stehen. Es gibt aber noch mit Spanien Fragen zu klären und offene Punkte zum Umgang mit dem geistigen Eigentum", fasste die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer den Stand der Verhandlungen in dieser Woche in Paris zusammen.
Vor allem der Eintritt Spaniens in das deutschf ra n z ö s i s c h e P ro j e k t als gleichberechtigter Partner hat die Verhandlungen verkompliziert. Der französische Flugzeughersteller Dassault, der beim Bau des Kampfjets die Führungsrolle übernehmen soll, fühlte sich zuletzt benachteiligt. Airbus als Projektpartner von Dassault vertritt nun mit Deutschland und Spanien zwei Länder, Dassault ein Land - das wird in Frankreich als Übermacht wahrgenommen.
Ob mit FCAS die industriellen Errungenschaften des Landes geopfert würden, wurde Dassault-Chef Eric Trappier im März von besorgten Parlamentariern bei einer Sitzung des Senats gefragt. Der Rüstungsmanager dachte daraufhin laut vor den Abgeordneten über mögliche Alternativpläne nach - bis hin zu einer Eigenentwicklung.