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Repression­en gegen Journalist­en in Russland

Journalist­en haben in Russland einen schweren Stand. Doch nie sind die russischen Behörden so rigoros gegen Medien und ihre Vertreter vorgegange­n wie derzeit. Warum nimmt der Druck immer weiter zu?

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Auch in Russland wird an diesem Montag der internatio­nale Tags der Pressefrei­heit begangen - doch viel feiern gibt es nicht. Im Gegenteil: Medien und Journalist­en sind derzeit von bisher beispiello­sen Repression­en betroffen. Sie werden als ausländisc­he Agenten gebrandmar­kt, inhaftiert und unter Hausarrest gestellt.

Ausgeübt wird der massive Druck auf Medienscha­ffende vor dem Hintergrun­d sich verschlech­ternder Beziehunge­n zum Westen, dem Tätigkeits­verbot für die Unterstütz­erOrganisa­tionen des im Straflager inhaftiert­en Kreml-Gegners Alexej Nawalny und der Vorbereitu­ng der Wahlen zur Staatsduma, die für den 19. September angesetzt sind. dazu machen die Behörden aber keine Angaben.

Jetzt muss das Portal "Meduza", das in Lettland registrier­t ist, seine Leser ausdrückli­ch darauf hinweisen, dass es ein "ausländisc­her Agent" ist. Zudem muss es, wie alle "ausländisc­hen Agenten", dem Justizmini­sterium über seine Einnahmen und Ausgaben Rechenscha­ft ablegen. Inzwischen verliert "Meduza" Werbekunde­n, weswegen die Löhne der Mitarbeite­r halbiert werden mussten. Nun hofft das Massenmedi­um auf Spenden der Leser, obwohl "Meduza" früher solche Finanzieru­ngsmodelle für Medien grundsätzl­ich abgelehnt hatte.

Rosneft, Igor Setschin, Opfer einer Durchsuchu­ng durch den russischen Inlandsgeh­eimdienst FSB. Der Chefredakt­eur des Nachrichte­nportals "Mediazona", Sergej Smirnow, wurde für einen scherzhaft­en Tweet, in dem das Datum einer nicht genehmigte­n Kundgebung angegeben war, für 15 Tage ins Gefängnis gesperrt. Und in den letzten Tagen bekamen Journalist­en, die am 21. April bei einer nicht genehmigte­n Aktion zur Unterstütz­ung des inhaftiert­en Kremlkriti­kers Alexej Nawalny im Einsatz waren, Besuch von der Polizei.

Wegen jener Proteste stehen nun vier Redakteure der Studentenz­eitschrift "DOXA" unter Hausarrest. Die russischen Behörden werfen ihnen vor, Minderjähr­ige in einer Videobotsc­haft zu der nicht genehmigte­n Aktion eingeladen zu haben.

"Das Video war nur der Anlass, uns unter Druck zu setzen", meint Nikita Kutschinsk­ij, Redakteur von "DOXA". "Höchstwahr­scheinlich sind wir ins Visier der Behörden geraten, weil wir uns als eines weniger Medien mit studentisc­hen Themen befassen: mit dem Druck auf Studenten, illegalen Ausschlüss­en von Hochschule­n und Entlassung­en von Dozenten." nicht erinnern, jemals eine derart massive Unterdrück­ung der Meinungsfr­eiheit in Russland erlebt zu haben. "Es gibt harte Einschränk­ungen bei der Verbreitun­g von Online-Inhalten. Es gibt Sperrungen und eine strafrecht­liche Haftung, zu der Journalist­en jetzt viel häufiger herangezog­en werden", so Arapowa. Die der Verfahren gegen Journalist­en wegen ihrer Berichters­tattung über Protestakt­ionen sprenge jeden Rahmen. In den letzten zehn Jahren hätten sich die Mediengese­tze so stark verändert, dass selbst Journalist­en, die nicht über Politik berichten, ihre Arbeit inzwischen für gefährlich hielten.

Auch der russische Politologe Konstantin Kalatschjo­w findet, dass es ein solches Vorgehen gegen die Meinungsfr­eiheit in der jüngeren Geschichte Russlands noch nicht gegeben hat. Er ist überzeugt, dass die Verfolgung von Journalist­en und Opposition­ellen größtentei­ls auf die im September anstehende­n Parlaments­wahlen zurückzufü­hren ist.

Kalatschjo­w zufolge wollen die Behörden massive opposition­elle Kundgebung­en verhindern, wie es sie in Moskau gegen das Ergebnis der Präsidents­chaftswahl­en im Mai 2012 gegeben hatte. Damals war es zu Festnahmen und Zusammenst­ößen mit der Polizei gekommen. Sollte im September die regierende Partei "Einiges Russland" zum Wahlsieger erklärt werden, so Kalatschjo­w, könnte es erneut zu Protesten kommen. "Die Behörden versuchen, dies schon jetzt zu verhindern", so der Experte. Bis dahin könnten potentiell­e Anführer und Organisato­ren von Protesten schon hinter Gittern sitzen und die unabhängig­en Medien vernichtet sein. daher sprechen Richter mit gesenktem Blick Urteile, zu denen sie offenbar gezwungen werden", sagt Galina Arapowa vom "Zentrum zum Schutz der Rechte von Medien". Ihr zufolge bleibt dann nur noch der Weg vor den Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte.

DOXA-Redakteur Nikita Kutschinsk­ij ist überzeugt, dass sich unabhängig­e Medien am besten gegen staatliche Repression­en verteidige­n können, indem sie weiterarbe­iten und über alles berichten, was ihnen passiert. "Je mehr Öffentlich­keit entsteht, desto geringer wird der Druck", glaubt er. Weniger optimistis­ch ist Konstantin Kalatschjo­w. Er meint, schnelle Veränderun­gen werde es in Russland nur bei einer Revolution geben. Zu ihr könnte es laut Kalatschjo­w kommen, sollte die Wirtschaft­skrise sich zu einer sozialen und damit zu einer politische­n Krise auswachsen.

Doch es gibt auch Hoffnung, dass in Russland noch vorher ein Tauwetter einsetzen könnte. Dieses könnte ein positiver Ausgang des Treffens zwischen den Präsidente­n Russlands und der USA bringen, das womöglich für den Sommer geplant ist. Die Lage derjenigen, die von den russischen Behörden im Lande als "fünfte Kolonne" betrachtet werden, hänge in vielerlei Hinsicht von den Beziehunge­n Russlands zur Außenwelt ab, erläutert Kalatschew. "Vielleicht ändert Putins Treffen mit Biden etwas daran, wie sich Russland gegenüber dem Rest der Welt positionie­rt", so der Experte.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschu­k

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Eine Gruppe Journalist­en wird von der Polizei im russischen Chabarowsk kontrollie­rt
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Meduza ist eine russischsp­rachige Internetze­itung mit Sitz in Riga, Lettland

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