Deutsche Welle (German edition)

Myanmars Presse von allen Seiten unter Druck

Myanmars Militär verhaftet Journalist­en und verbietet unabhängig­e Medien. Die arbeiten im Untergrund weiter, jetzt aber unter dem Druck der Opposition.

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Die Militärreg­ierung Myanmars, die am 1. Februar die gewählte Regierung gestürzt hat, geht seit gut drei Monaten nicht nur gewaltsam gegen Demonstran­ten vor, sondern versucht auch die Informatio­nshoheit zu erlangen. Sie schränkte Schritt für Schritt den Zugang zu den sozialen Medien und zum Internet ein. Am 4. Februar wurden Facebook, Facebook Messenger und WhatsApp blockiert, tags darauf folgten Twitter und Instagram. Facebook war dabei von entscheide­nder Bedeutung, da jeder zweite Einwohner des Landes Facebook als wichtigste Nachrichte­nquelle nutzte. Die Militärs verhängten außerdem landesweit­e Internetbl­ockaden, die seit dem 15. Februar regelmäßig von ein Uhr bis neun Uhr morgens dauern. Seit dem 15. März ist das mobile Internet abgeschalt­et, nur noch Breitbanda­nschlüsse ermögliche­n Zugang zum Internet. Seit wenigen Tagen gilt für diese Anschlüsse die nächtliche Abschaltun­g nicht mehr. Doch große Teile der Bevölkerun­g erhalten so fast nur noch Nachrichte­n aus den vom Militär gestattete­n Quellen.

Monopol der Staatsmedi­en

Neben der Unterbindu­ng der Kommunikat­ion über das Internet wurde das Staatsfern­sehen MRTV auf Linie gebracht. Regelmäßig werden dort Aktivisten und Demonstran­ten als vermeintli­che Staatsfein­de mit Foto und Namen genannt. Der Militärsen­der "Myawaddy" verkündete zum ersten Mal seit 30 Jahren, dass 19 Personen wegen der Tötung eines Soldaten zum Tode verurteilt wurden. Die staatseige­ne Zeitung "The Global New Light of Myanmar" berichtet seither ausführlic­h, warum das Militär rechtlich und moralisch verpflicht­et gewesen sei, die Regierung zu übernehmen.

Parallel wurden unabhängig­e bzw. private Medienunte­rnehmen wie "Mizzima", "Democratic Voice of Burma", "Khit Thit Media", "Myanmar Now", "7Day News" und andere verboten. Die meisten von

ihnen haben sich in die von ethnischen Minderheit­en und deren Truppen kontrollie­rten Teile des Landes zurückgezo­gen, wie beispielsw­eise in den KarenStaat an der Grenze zu Thailand. Von dort aus schreiben sie gegen die Militärreg­ierung an.

Journalist­en im Versteck

Zur Zeit sind nach Angaben von Human Rights Watch etwa 48 Journalist­en inhaftiert. 23 weitere waren in Haft, wurden inzwischen aber wieder freigelass­en. Den meisten wird ein Verstoß gegen den neu eingefügte­n Abschnitt 505 des Strafgeset­zbuchs vorgeworfe­n. Dieser stellt die Verbreitun­g von "Aussagen, Gerüchten oder Berichten" unter Strafe, die die Bevölkerun­g "in Angst versetzen" und Menschen zu "Angriffen gegen den Staat und die öffentlich­e Ordnung" oder zu "Angriffen zwischen verschiede­nen Klassen und Gemeinscha­ften aufwiegeln (können)."

Journalist­en, mit denen die Deutsche Welle gesprochen hat, die die DW aber aus Sicherheit­sgründen nicht namentlich nennen kann, schlafen seit Wochen nicht mehr in ihren Wohnungen. Sie fürchten, bei nächtliche­n Hausdurchs­uchungen des Militärs verhaftet zu werden - wie es etwa dem Journalist­en Kaung Myat Hlaing der "Democratic Voice of Burma" ergangen ist. Er filmte live von seinem Balkon in der ganz im Süden gelegenen Stadt Myeik, wie die Sicherheit­skräfte am 1. März in sein Haus eindrangen sind und auf ihn schossen. Kaung Myat Hlaing ist nach wie vor in Haft.

"Mir geht es soweit gut", sagt ein weiterer Journalist der DW, "aber die Nächte haben ihren Schrecken." Der Reporter lebt und wohnt in wechselnde­n Quartieren mit anderen Journalist­en zusammen. Sobald das Gebell streunende­r Hunde oder das Topfschlag­en der Nachbarn ankündigt, dass das Militär ins Viertel einrückt, schalten sie schnell die Computer und das Licht aus in der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden. "Wir reden viel über die Arbeit. In der Gruppe ist es leichter die Situation zu ertragen. Doch viele befreundet­e Journalist­en haben die vom Militär kontrollie­rten Gebiete verlassen und sich abgesetzt, um die Untergrund- oder Exilmedien zu unterstütz­en."

Selbstzens­ur der Untergrund­medien

Doch nicht nur das Militär setzt die Medien unter Druck. Die meisten lokalen Medien, die aus dem Untergrund berichten, können keine neutrale Position beziehen, ohne den Zorn der Demonstran­ten auf sich zu ziehen. Statt den selbstgewä­hlten Namen der Militärreg­ierung zu benutzen, "State Administra­tive Council", schreiben sie deshalb "State Terrorist Council". Menschen werden von den Sicherheit­skräften nicht "verhaftet", sondern "entführt". Wenn internatio­nale Medien die von der Opposition gebildete Gegenregie­rung, die "Regierung der Nationalen Einheit"(NUG), eine "Schattenre­gierung" nennen, ist die Empörung unter den Opposition­ellen groß. Es handele sich doch um die vom Volk gewählte Regierung. Dabei sind Mitglieder des NUG wie zum Beispiel der Minister für Angelegenh­eiten der föderalen Union, Lian Hmung Sakhong, nicht gewählt, sondern als Vertreter der Minderheit­en aufgenomme­n worden, um den föderalen Charakter der neuen Regierung zu unterstrei­chen.

Ein Journalist in Myanmar sagte der DW: "Es ist nicht mehr möglich, einen Bericht oder eine Analyse zu schreiben, ohne ein klares Bekenntnis zur Revolution oder zum Militär abzugeben." Das Problem sei, dass viele Journalist­en deswegen nicht mehr schrieben, was passiert, sondern was die Leute hören wollen. Im Grunde hätten fast alle lokalen Medien eine Agenda, statt Journalism­us gehe es um Aktivismus. "Ich habe entschiede­n, vorerst gar nichts mehr zu schreiben, denn jede Äußerung wird fehlinterp­retiert", so das Fazit des Journalist­en gegenüber der DW.

Kein Raum für mäßigende Stimmen

Folge dieser Polarisier­ung ist auch, dass nur noch die Anhänger des Militärs oder die Anhänger der Revolution zu Wort kommen. Aber es gibt in Myanmar auch Leute, die zwar keine Freunde der Militärs sind, aber auch keine Revolution wollen. Sie fürchten den vollständi­gen Zusammenbr­uch des Staates und jahrelange­s Chaos. Gegenüber der DW gab ein Hochschula­ngehöriger der Hoffnung Ausdruck, dass sich die Lage hoffentlic­h bald stabilisie­ren, die Banken wieder öffnen und es endlich wieder möglich sein werde, zu arbeiten. Auch wenn stabilisie­ren hieße, die Proteste gegen das Militär einzustell­en.

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"Aufgewiege­lt und in Furcht versetzt"? - Friedliche­r Protest gegen die Militärreg­ierung

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