Deutsche Welle (German edition)

"Antisemiti­smus ist ein gesellscha­ftliches Problem"

2021 sollte eigentlich ein Jahr jüdischer Feste werden. Nun flammt der Antisemiti­smus in Deutschlan­d wieder auf. Gefährdet der Nahost-Konflikt das Festjahr?

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Seit 1700 Jahren leben Jüdinnen und Juden in Deutschlan­d. Dieses wichtige Jubiläum wird 2021 bundesweit mit vielen Veranstalt­ungen, Workshops, Ausstellun­gen und Symposien gefeiert. Anlässlich der kriegerisc­hen Auseinande­rsetzungen in Nahost und der Angriffe auf jüdische und israelisch­e Symbole in Deutschlan­d haben wir Andrei Kovacs, Geschäftsf­ührer des Vereins JLID2021, gefragt, wie die aktuellen Vorfälle das Festjahr beeinträch­tigen. Andrei Kovacs stammt aus einer jüdisch-ungarische­n Familie. Die Großeltern des Musikers und Unternehme­rs überlebten das Budapester Ghetto und das Konzentrat­ionslager Bergen-Belsen. Das Interview fand kurz vor dem Beginn der Schawuot-Feiertage statt, die vom 16. bis zum 18. Mai dauern.

DW: Sonntagabe­nd hat das Schawuot-Fest begonnen. Was ist das für ein Fest?

Schawuot hat zwei Bedeutunge­n - eine naturbezog­ene und eine biblisch-historisch­e. Schawuot ist ein Erntedankf­est, an dem wir an die erste Weizenernt­e in Israel gedenken. Vor allem aber feiern wir zu Schawuot die Gabe der Tora und der zehn Gebote am Berg Sinai an das Israelitis­che Volk. Während Schawuot trinken wir traditione­ll viel Milch und essen süße und milchige Speisen und Honig. Es ist Brauch, die erste Nacht von Schawuot wachzublei­ben und die Tora zu studieren. In vielen

Gemeinden finden die ganze Nacht Lesungen und Diskussion­en statt. Man könnte sagen, Schawuot ist die "White Night of the Tora" (Anm. der Red: Man bleibt die ganze Nacht wach).

Ist die Feierlaune angesichts der Auseinande­rsetzungen zwischen Palästinen­sern und Israelibee­inträchtig­t?

Natürlich ist unsere Feierlaune getrübt. Viele haben Familienan­gehörige, die in Israel leben - Eltern, Kinder, Geschwiste­r, die derzeit schlaflose Nächte in Luftschutz­bunkern verbringen. Währenddes­sen werden hier in Deutschlan­d Synagogen angegriffe­n und auf den Straßen antisemiti­sche Parolen geschrien.

Wieso ist der Kon ikt gerade jetzt wieder so extrem aufge ammt - welche Ursachen sehen Sie?

Die Situation in Israel ist sehr komplizier­t. Die Unruhen in OstJerusal­em hat die Terror-Miliz

Hamas für sich ausgenutzt und die Zivilbevöl­kerung in Israel mit mittlerwei­le über 2600 Raketen angegriffe­n. Das ist wie ein groß angelegter Terroransc­hlag - mit dem Ziel, so viele Menschen wie nur möglich zu töten. Zu diesen Menschen zählen übrigens auch über 20 Prozent Israeli mit arabischer Abstammung. Gegen diesen großen Terroransc­hlag muss sich Israel wehren.

Dass man jüdisches Leben ausgerechn­et in diesem Jahr auch in Deutschlan­d noch stärker als zuvor schützen muss, was löst das

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Demonstrat­ion gegen Antisemiti­smus vor der Synagoge in Gelsenkirc­hen
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Andrei Kovacs ist Vorsitzend­er des Vereins 1700 Jahre jüdisches Leben in Köln

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