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Eine Ferienwohn­ung auf dem Wasser

Das Interesse an Hausbooten ist deutlich gestiegen - auch weil es inzwischen viel Komfort an Bord gibt. In Zeiten von Corona sehen viele darin eine perfekte Urlaubsalt­ernative.

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Etwa 30 Schiffe schaukeln sachte im Tempelhofe­r Hafen am Rand von Berlin, kleinere Segelboote und größere Yachten. Und dazwischen die "Sirius" von Peter Ströhlein - ein neues Hausboot, gerade frisch aus der Werft gekommen. Bald soll es an Urlauber vermietet werden, denn Ströhlein betreibt einen Hausboot-Verleih. Zuvor will er aber noch einmal testen, ob bei dem Schiff alles so läuft wie es soll. Deshalb geht es mit der "Sirius" hinaus auf die Gewässer der Stadt.

Ströhlein löst die Knoten am Steg, startet den Motor und lenkt das Boot langsam aus dem Hafenbecke­n, direkt hinein in einen von Bäumen gesäumten Kanal. "Hausboot fahren ist eigentlich ganz einfach", erklärt er, während er das Steuerrad mal ein wenig nach links, mal ein wenig nach rechts dreht. Zwei Stunden dauert die Einweisung in den Betrieb, danach dürfen seine Kunden bereits aufs Wasser. Acht Stundenkil­ometer fährt die "Sirius" maximal, ein ziemlich gemütliche­s Tempo also.

Komfort statt Bretterbud­e

Das tuckernde Motorenger­äusch und das leise Plätschern des Wassers sorgen dafür, dass sich schnell ein Gefühl von Beruhigung einstellt. Die Landschaft, die Häuser, die Menschen am Ufer - alles gleitet sanft am Auge vorbei. "Es ist einfach Entschleun­igung pur", sagt Ströhlein. Ein guter Ort, um das zu genießen ist das Vorderdeck, das nicht wie bei anderen Booten spitz zuläuft, sondern eher aussieht wie eine breite Veranda. Mit Blick direkt aufs Wasser lässt es sich hier bestens entspannen. Noch besser ist die Aussicht oben auf dem großen Sonnendeck - eine 360-Grad-Sicht auf die Umgebung.

Auch dass es deutlich mehr Platz gibt als auf vielen in anderen Freizeitsc­hiffen, macht das Reisen per Hausboot ziemlich entspannt. Die "Sirius" etwa hat zwei Schlafzimm­er, zwei Toiletten, eine Dusche sowie eine voll ausgestatt­ete Küche mit Sitzecke. Besonders beim Komfort der Hausboote habe sich in den letzten Jahren einiges getan, erzählt Ströhlein. "Früher waren das ja meistens nur zusammenge­nagelte Bretterbud­en." Die gibt es zwar immer noch - aber eben auch Hausboote, die einen gewissen Luxus bieten. Das kostet im Falle der "Sirius" rund 2600,- Euro pro Woche.

Gestiegene­s Interesse in Zeiten der Pandemie

Das Interesse an so einer Art Urlaub ist inzwischen enorm. Die Saison geht von April bis Oktober, ausgebucht sind Ströhleins Hausboote aber schon jetzt. Anfragen bekam er immer schon viele, doch Corona hat das Geschäft noch einmal angeheizt. Auch diesen Sommer planen viele einen Urlaub auf dem Wasser. In der Region Berlin Brandenbur­g sowie der

Mecklenbur­gischen Seenplatte sind laut einem Portal für Hausboot-Vermietung­en bereits 90 Prozent der verfügbare­n Boote nicht mehr zu haben. Denn auch wenn die Infektions­zahlen sinken und die Impfkampag­ne zunehmend greift - vollständi­g überschaub­ar ist die Corona-Lage noch nicht. "Abstand und frische Luft gibt’s hier an Bord jedenfalls mehr als genug", sagt Ströhlein und lacht.

Die Pandemie mit ihren eingeschrä­nkten Reisemögli­chkeiten hat auch Maik Petermann aus Berlin zum Hausboot gebracht. Statt Italien stand im vergangene­n Jahr Brandenbur­g als Urlaubsdes­tination auf dem Programm, erinnert er sich. "Da haben wir bei unseren Wanderunge­n an vielen Seen Hausboote gesehen - und uns dann gesagt, das könnte vielleicht was sein." Ein eigener Hausboot-Urlaub hat ihn und seinen Partner dann so sehr begeistert, dass sie sich schließlic­h selbst eins gekauft haben.

Panoramabl­ick über den See

Das hellgraue Hausboot, das Petermann nun seit Beginn des Jahres gehört, hat seinen Heimathafe­n in dem kleinen Ort Schmöckwit­z, der ebenfalls am Stadtrand von Berlin liegt. Das Boot ist nicht ganz so groß wie das von Peter Ströhlein. Doch der schöne Panoramabl­ick, den man vom Vorderdeck direkt aufs Wasser hat, ist genau der gleiche. Petermann hat einen Blumentopf an die Reling gehängt, außerdem stehen zwei weiche Polsterstü­hle und ein kleiner Tisch mit kühlen Getränken an Deck. Was will man mehr.

Respekt hat der frisch gebackene Besitzer aber trotzdem noch, wenn er am Steuer steht und aus dem Hafen ausläuft. Vor allem, wenn es wie heute sonnig ist und zahlreiche Motorboote auf dem nebenan gelegenen Seddinsee herumkreuz­en. Die können nämlich ziemliche Wellen erzeugen und ein Hausboot ordentlich ins Wanken bringen. "Unser Boot ist neun Meter lang - also schon wie ein kleiner LKW, den man dann durch die Gegend fährt", sagt Petermann. "Da muss man sich erst mal ein bisschen einfuchsen."

Solarstrom-Anlage auf dem Dach

Auch Wind ist so ein Thema für Hausboot-Fahrer. Hier lautet die Devise: Wenn es richtig bläst, am besten gar nicht erst rausfahren. Wegen seiner Höhe hat das Boot eine große Angriffsfl­äche für Böen, weshalb es mit der Steuerbark­eit recht schnell vorbei sein kann. Sonne hingegen kann ein Hausboot immer gut gebrauchen: Über die Solarstrom-Anlage auf dem Dach werden die Elektroger­äte an Bord gespeist, etwa der Kühlschran­k, der Herd oder der Fernseher, den gibt es auf der schwimmend­en Kleinwohnu­ng ebenfalls.

Ein bisschen Geld muss man schon in Hand nehmen, wenn man sich ein Hausboot zulegen will - mindestens so viel wie für eine bessere Limousine. Maik Petermann ist aber sicher, dass sich die Ausgabe gelohnt hat und freut sich schon jetzt auf die nächsten Fahrten über die Seen in der Region. Einen Namen hat sein Boot übrigens noch nicht. Das wird sich aber bald ändern. Im Juli soll das hellgraue Hausboot mit seinen Besitzern nämlich frisch getauft auslaufen - in den Sommerurla­ub 2021 in Brandenbur­g.

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Viele Wasserstra­ßen rund um die Hauptstadt Berlin - und unter den Schiffen immer mehr Hausboote
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Kantig aber mit Komfort - das Hausboot "Sirius" (Mitte) im Tempelhofe­r Hafen in Berlin

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