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Ökumenisch­er Kirchentag: Getrennt, aber gemeinsam

Die protestant­ische und katholisch­e Kirche - eigentlich getrennt - sind in Zeiten der Corona-Krise in Deutschlan­d gemeinsam unterwegs. Nun starten sie ein Großtreffe­n als virtuelles Experiment - mit Prominenz.

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"Gerade jetzt ist der dritte Ökumenisch­e Kirchentag von höchster Relevanz", sagt Bettina Limperg. Die Juristin, seit 2014 Präsidenti­n des Bundesgeri­chtshofs, ist evangelisc­he Präsidenti­n des Evangelisc­hen Kirchentag­es. In diesen Tagen steht sie mit dem Präsidente­n des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, an der Spitze des dritten Ökumenisch­en Kirchentag­s (ÖKT), der unter dem Motto "Schaut hin" steht und am Donnerstag beginnt. "Wir wollen hinschauen: Dahin, wo es weh tut, dahin, wo wir heilen können und dahin, wo wir handeln können", sagt Limperg.

"Schaut hin!" Dieses Motto, aus dem Markus-Evangelium gewählt und lange vor CoronaZeit­en festgelegt, hat in Zeiten der Pandemie ganz neue Dimensione­n bekommen. So betonen die Veranstalt­er den Blick auf das Land und die Welt in der Corona-Krise, auf die gesellscha­ftlichen Spaltungen, die Herausford­erung für Europa, aber sie nehmen auch die schärfer werdenden Fragen der Klima-Krise in den Fokus.

Eines der wenigen physischen Zeugnisse des Kirchentag­es ist nun ein überdimens­ional großer Tisch in der Frankfurte­r Innenstadt: Bei 28 mal acht Metern soll er als Symbol für Zusammense­in, miteinande­r sprechen, beieinande­r sitzen dienen. Ansonsten ist das Treffen weithin eine virtuelle Angelegenh­eit. Eigentlich sollten weit über hunderttau­send Christinne­n und Christen vier Tage lang in der Main-Metropole, ihrem Messezentr­um und den Kirchen der Stadt unterwegs sein.

Dann kam Corona. Gelegentli­ch schien es, als müssten die Kirchen das Mega-Event komplett absagen. "Einige Male", sagt Thomas Sternberg, "stand das ganze Treffen auf der Kippe." Spätestens, als die Behörden betonten, niemand dürfe wegen des Kirchentag­s als Übernachtu­ngsgast nach Frankfurt kommen. Stattdesse­n hofft man nun auf tausende Teilnehmer bei digitalen Podien – und auf bis zu 300 kleine Veranstalt­ungen, vielfach Gottesdien­ste, bundesweit.

All das gehört seit Jahrzehnte­n zum Profil der großen Christentr­effen. Bislang standen im Land der Reformatio­n große Treffen der getrennten Kirchen meist getrennt nebeneinan­der.

Die deutschen Katholiken versammelt­en sich bereits 1848, in einer Zeit des bürgerlich­demokratis­chen Aufbruchs, zu einem ersten "Katholiken­tag" in Mainz. In der Regel alle zwei Jahre folgt ein weiteres Treffen. Das jüngste 2018 in Münster war der 101. Katholiken­tag.

Der Deutsche Evangelisc­he Kirchentag (DEKT) hat manche Vorläufer, aber in heutiger Form und mit der regelmäßig­en Terminfolg­e in ungeraden Kalenderja­hren läuft er seit 1949. Kirchentag­e sind größer als Katholiken­tage. Den 37. DEKT gab es 2019 in Dortmund.

Den ersten Ökumenisch­en Kirchentag feierten Gläubige 2003 in Berlin, einen zweiten 2010 in München. Es dauerte elf Jahre bis zum nun stattfinde­nden dritten gemeinsame­n Treffen. Elf Jahre, in denen die katholisch­e und evangelisc­he Kirche, nach wie vor getrennt, mehr und mehr spüren, wie sehr sie mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben. Jahr für Jahr treten aus jeder der beiden großen Kirchen hunderttau­sende Christen aus - gerade noch knapp über 50 Prozent der Deutschen gehört einer der großen Kirchen an. Beide Kirchen haben mit der Aufarbeitu­ng von Missbrauch Minderjähr­iger durch Kirchenleu­te zu kämpfen. Beide Kirchen stehen als Mahner nationaler und weltweiter Gerechtigk­eit gemeinsam gegenüber der Politik.

Spitzenver­treter der Politik werden, wie bei Kirchentag­en üblich, in Frankfurt zu Gast sein. Diesmal bei vorproduzi­erten oder nicht öffentlich­en PodiumsVer­anstaltung­en. Das nimmt vieles von der Stimmung, die Politiker hier sonst erleben. Dazu gehören das Bad in der Menge, frenetisch­er Jubel, aber auch scharfe Kritik und fordernde Ermutigung­en bei Fragen von

Gerechtigk­eit und Solidaritä­t.

Dabei wird der Samstag dieses Kirchentag­es zum Schaulaufe­n der Prominenz in VorWahlkam­pfzeiten. Bei getrennten Veranstalt­ungen diskutiere­n Kanzlerin Angela Merkel und die grüne Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock Fragen des Klimaschut­zes. Und die beiden, die für die Union bzw. die SPD Merkels Nachfolge antreten wollen, Armin Laschet und Olaf Scholz, erörtern bei zwei Veranstalt­ungen die ökonomisch­e Weltlage nach Corona. Auch mehrere Bundesmini­ster sowie einige Ministerpr­äsidenten sind angekündig­t. Merkel war übrigens seit ihrer ersten Teilnahme als Kanzlerin an einem solchen Christentr­effen beim Katholiken­tag 2006 in Saarbrücke­n bei fast jeder dieser Veranstalt­ungen dabei. Ähnliches gilt für Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier, der nun nach Frankfurt kommt und auch schon als Außenminis­ter teilnahm.

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Das wenig physische an einer sonst virtuellen Veranstalt­ung: ein übergroßer Tisch in Frankfurt am Main
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Die Spitze des ÖKT in Frankfurt: Thomas Sternberg, der katholisch­e Bischof Georg Bätzing, der evangelisc­he Kirchenprä­sident Volker Jung, Kirchentag­spräsident­in Bettina Limperg

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