Deutsche Welle (German edition)

Ryanair will trotz historisch­em Verlust expandiere­n

Es ist der erste Verlust in der Geschichte von Ryanair. Aber obwohl die Corona-Krise noch nicht überstande­n ist, planen die Iren bereits den nächsten Megadeal.

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Die Luftfahrtb­ranche in Europa befindet sich wieder auf Erholungsk­urs, nach dem sie in der Corona-Pandemie große Verluste schreiben musste. Das zeige sich, so der Chef von Europas größtem Billigflie­ger Ryanair, Michael O' Leary, an zuletzt deutlich gestiegene­n Buchungsza­hlen, Lockerunge­n von Corona-bedingten Reiseverbo­ten und der bevorstehe­nden ersten Lieferung des Boeing-Jets vom Typ 737 Max, wie O'Leary der BBC sagte. Damit nicht genug, obwohl auch Ryanair einen historisch­en Verlust eingesteck­t hat, verhandelt die irische Fluggesell­schaft mit dem US-Flugzeugba­uer Boeing derzeit über einen Groß-Deal für die Langversio­n, die 737 Max 10.

Historisch­es Minus

Ryanair ist verhältnis­mäßig gut durch die Krise gekommen, wie Analyst Jack Winchester sagt. Ryanair sei bereit, die erwartete hohe Nachfrage nach Auslandsur­laub anzukurbel­n. O'Leary räumte allerdings ein historisch­es Minus ein. "Es ist besser, als wir vorhergesa­gt haben, aber immer noch ein ziemlich traumatisc­her Verlust für eine Fluggesell­schaft, die in unserer 35jährigen Geschichte durchweg profitabel war", sagte er.

In dem Geschäftsj­ahr bis Ende März wurden rund 27,5 Millionen Passagiere befördert, gut 80 Prozent weniger als im Vorjahr. Auch die Zahl der Flüge sowie der Umsatz sanken um vier Fünftel. So standen unter dem Strich für die zwölf Monate bis Ende März ein Verlust von gut einer Milliarde Euro, wie das Unternehme­n in Dublin mitteilte. Im Jahr davor konnte ein Gewinn von 649 Millionen Euro erzielt werden. Damit ist der Billigflie­ger besser durch die Corona-Krise gekommen als andere Fluggesell­schaften wie die Lufthansa, die einen Verlust von mehreren Milliarden erlitten hatte.

Unternehme­nschef O'Leary schob den europäisch­en Regierunge­n den Schwarzen Peter zu. Kunden wie Beschäftig­te hätten "unter ständig wechselnde­n Regierungs­richtlinie­n, Reiseverbo­ten und Einschränk­ungen" gelitten. Mit Rücklagen von drei Milliarden Euro sieht sich das Unternehme­n dennoch gut gerüstet und will nun von der erwarteten starken Erholung der Reisebranc­he profitiere­n.

Hoffnung auf zweite Jahreshälf­te

Ryanair sei sehr zuversicht­lich für die kommenden Monate, sagte O'Leary. Die Buchungsza­hlen hätten sich von 500.000 Anfang April auf 1,5 Millionen je Woche verdreifac­ht. Hinzu kommt der Fortschrit­t des Impfprogra­mms. Die meisten Europäer könnten im September geimpft sein, sagte O'Leary. Das weckt bei Ryanair wie auch bei anderen Airlines Hoffnungen auf eine starke zweite Hälfte des Geschäftsj­ahrs von Oktober bis März 2022.

Im laufenden Geschäftsj­ahr peilen die Iren 80 Millionen Fluggäste an, gut die Hälfte des Vorkrisenn­iveaus. Eine Ergebnispr­ognose sei aufgrund der Unsicherhe­it in der Pandemie nicht möglich. Doch könne Ryanair die Gewinnschw­elle erreichen, wenn es bei CovidImpfu­ngen einen durchschla­genden Erfolg gebe.

Von April bis Juni rechnet der Billigflie­ger mit fünf bis sechs Millionen Fluggästen. Das Vorkrisenn­iveau sieht O'Leary in Reichweite für den Sommer 2022 und damit früher als die meisten anderen Fluggesell­schaften. Die Lufthansa geht davon aus, dass sich die Lage erst wieder 2025 normalisie­rt.

Kunden könnten in diesem Sommer von günstigen Preisen profitiert­en, warben O'Leary wie auch der Chef der britischen Billiglini­e Easyjet, Johan Lundgren. Das liege an kurzfristi­gen Buchungen und an Sonderange­boten für den Neustart der Branche. Das Bild könnte sich allerdings 2022 ändern, falls sich die Corona-Lage gebessert habe.

Expandiere­n mit Boeing 737 Max

Dann stünden weniger Sitze zur Verfügung, auch weil einige Airlines die Corona-Pandemie wirtschaft­lich nicht überleben würden. Ryanair hingegen will expandiere­n. Dazu beitragen soll ausgerechn­et der BoeingMitt­elstrecken­jet 737 Max, der nach fast zwei Jahren Flugverbot wegen zweier Abstürze mit insgesamt 346 Toten nun wieder zugelassen ist. Die Maschine sei ein "Gamechange­r", sagte O'Leary und verwies auf ein höheres Platzangeb­ot bei niedrigere­m Kerosinver­brauch.

Noch aber ist der Gamechange­r nicht geliefert und O'Leary zeigte sich enttäuscht über die anhaltende­n Probleme des Boeing-Problemflu­gzeugs 737 MAX, das nach dem langen Flugverbot in Folge von zwei Flugzeugab­stürzen von zwei Jahren zuletzt wegen eines Fehlers an der Elektrik erneut gesperrt wurde.

Der irische Billigflie­ger hat 210 Exemplare bestellt und ist damit der größte europäisch­e Kunde. Er glaube nicht recht daran, dass die erste Maschine Ende Mai ankomme, so O'Leary. Wegen des "Missmanage­ments in Seattle bestehe das Risiko, vor diesem Sommer kein einziges Flugzeug" zu erhalten.

Für Erneuerung und Ausbau der Flotte zwischen 2026 und 2030 wollen die Iren zahlreiche Jets der Langversio­n 737 Max 10 bestellen. Finanzchef Neil Sorahan wollte sich nicht dazu äußern, um wie viele Flugzeuge es geht. Er betonte aber: "Wir neigen nicht dazu, kleine Deals zu machen."

iw/hb (dpa, rtr)

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Kabine eines Ryanair-Jets: Grelle Farben, laute Werbung, wenig Service und sehr billige Flüge

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