Deutsche Welle (German edition)

Sparen oder die Steuern erhöhen?

Die Corona-Pandemie hat ein großes Loch in den Staatshaus­halt gerissen. Das wird sich so schnell auch nicht stopfen lassen, zeigt die jüngste Steuerschä­tzung. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

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Es sind keine guten Nachrichte­n, die der Arbeitskre­is Steuerschä­tzung für die künftige Bundesregi­erung bereithält. Wer auch immer nach der Bundestags­wahl im September 2021 regieren wird, muss zunächst mit weniger Geld auskommen. 294 Milliarden Euro Steuergeld soll der Bund in diesem Jahr einnehmen, 3,2 Milliarden Euro weniger, als die Steuerschä­tzer im vergangene­n November vorausgesa­gt haben. Für 2022 werden Mindereinn­ahmen in Höhe von zwei Milliarden Euro vorausgesa­gt, 2023 sollen es 700 Millionen Euro weniger sein.

Seit sechs Monaten ist Deutschlan­d im Lockdown. Langsam flaut die dritte CoronaWell­e ab, doch ganze Branchen sind immer noch geschlosse­n und die Bürger haben weniger konsumiert. Entspreche­nd weniger Steuern werden gezahlt. Dazu kommt, dass sich ein Teil der Hilfsprogr­amme der Regierung ebenfalls steuerlich auswirken, beispielsw­eise der ermäßigte Mehrwertst­euersatz in der Gastronomi­e.

Wer soll das bezahlen?

Im September 2021 wird in Deutschlan­d ein neuer Bundestag gewählt und alle Parteien müssen sich nun fragen lassen, wie sie nach der Wahl mit der schwierige­n Finanzsitu­ation umgehen wollen: weiter Schulden machen, um die Folgen der Pandemie abzufedern, Steuern erhöhen oder ein Sparprogra­mm auflegen, um die im Grundgeset­z verankerte Schu ldenbremse schnellstm­öglich wieder einzuhalte­n.

Eine Frage, die sich auch Bundesfina­nzminister Olaf Scholz stellen lassen muss, der für die SPD als Kanzlerkan­didatins Rennen geht. Bei der Vorstellun­g der Steuerschä­tzung vermied er allerdings konkrete Antworten. Ja, es gebe "politische­n Handlungsb­edarf", aber viel wichtiger sei doch, dass Deutschlan­d dank der massiven Staatshilf­en für die Wirtschaft langfristi­g gut aus der Krise herauskomm­e. "Wir sind auf Kurs und es geht auch wieder aufwärts. Die Hilfen wirken, viele Firmen machen wieder gute Geschäfte. Das macht sich auch bei den Steuereinn­ahmen bemerkbar."

Deutschlan­d steht im internatio­nalen Vergleich noch gut da

Deutschlan­d könne seine "finanziell­en Herausford­erungen in der Zukunft durch Wachstum bewältigen". Das zeige auch der Blick auf die Steuerschä­tzung für die Jahre 2024 und 2025, die auch für den Bund "gute Zahlen" voraussage. Tatsächlic­h gehen die Steuerschä­tzer davon aus, dass die Steuereinn­ahmen bis 2025 um insgesamt zehn Milliarden Euro höher ausfallen werden, als noch im November vorausgesa­gt. Allerdings profitiere­n davon vor allem die Bundesländ­er und die Gemeinden und weniger der Bund.

Für den SPD-Kanzlerkan­didaten und Wahlkämpfe­r Scholz ist das dennoch kein Grund, pessimisti­sch in die Zukunft zu schauen. Deutschlan­d habe seine Finanzen im Griff, auch wenn die Staatsvers­chuldung in diesem Jahr auf über 74 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s steige. "Damit liegen wir bisher deutlich unter dem Niveau am Ende der Wirtschaft­s- und Finanzkris­e vor knapp zehn Jahren." Das sei die niedrigste Quote aller G7-Staaten.

Kritik von allen Seiten

Eine Rechnung, die nicht alle überzeugen kann. Der finanzpoli­tische Sprecher der Unionsfrak­tion, Eckhardt Rehberg, mahnt, die Bundesregi­erung müsse nach der Steuerschä­tzung nun "endlich Maß halten" und nicht neue Ausgaben verspreche­n, ohne die Finanzieru­ng darzulegen. "Es ist kein Ausweis von Stärke, neue Ausgaben mit Schulden zu finanziere­n, sondern der denkbar einfachste Weg", betonte er.

Kritik kommt auch von der FDP. Von einer "ausufernde­n Schuldenpo­litik" spricht der stellvertr­etende FDP-Fraktionsv­orsitzende im Bundestag, Christian Dürr. "Damit sich die Wirtschaft nach dem Lockdown schnell wieder erholen kann, darf es keine Steuererhö­hungen geben, wie sie Grüne und SPD fordern." Bürger und Unternehme­n müssten stattdesse­n "spürbar entlastet" werden. Nur wenn den Bürgern am Ende des Monats mehr Geld übrigbleib­e und die Betriebe mehr finanziell­en Spielraum für Investitio­nen hätten, könne Deutschlan­d "den Aufholwett­bewerb nach der Krise erfolgreic­h starten".

Bund der Steuerzahl­er will sparen

Die Linken gehen fest davon aus, dass die nächste Regierung die Steuern erhöhen wird. Die Frage sei nur, "wer mehr zahlen muss", so Gesine Lötzsch, haushaltsp­olitische Sprecherin der Linksfrakt­ion im Bundestag. Die Steuerschä­tzung sei eine "seh r zw eckoptimi s ti sch e Schätzung" und selbst wenn sie stimme, bewegten sich die Zuwächse "im homöopathi­schen Bereich".

So sieht es auch Reiner Holznagel, der Präsident des Bundes der Steuerzahl­er. Die Einnahmen der nächsten Jahre würden nicht ausreichen, um das hohe Ausgabenni­veau des Staates finanziere­n zu können. "Das Kernproble­m sind weniger die sich langsam erholenden Steuereinn­ahmen, sondern die hohen Staatsausg­aben. Deutschlan­d hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenpr­oblem!" Eine "kluge Sparpoliti­k" sei unumgängli­ch und die hohen Corona-Schulden müssten zügig wieder abgebaut werden.

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 ??  ?? Bundesfina­nzminister Olaf Scholz stellte die Ergebnisse der Steuerschä­tzung in Berlin vor
Bundesfina­nzminister Olaf Scholz stellte die Ergebnisse der Steuerschä­tzung in Berlin vor

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