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Wie umweltfreu­ndlich sind unsere Balkonpfla­nzen?

Überall da, wo jetzt der Frühling ansteht, gibt es wieder Pflanzen fürs Gärtnern zu kaufen. Doch so hübsch Blumen und Kräuter für Balkon und Garten sind, so schlecht sind sie anderswo oft für die Umwelt.

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Ob Veilchen, Stiefmütte­rchen oder Küchenkräu­ter - je weiter der Frühling auf der Nordhalbku­gel voranschre­itet, desto vielfältig­er das Angebot an Blumen und Pflanzen für draußen. Rund eine Milliarde Beet- und Balkonpfla­nzen werden laut der Umweltschu­tzorganisa­tion BUND pro Jahr allein in Deutschlan­d verkauft.

Dabei wird für blühende Balkone und Gärten in Europa anderswo viel Umweltzers­törung in Kauf genommen. Gerade günstige Pflanzen, die viele beim Einkauf im Supermarkt oder Baumarkt mal eben schnell mitnehmen, werden oft nicht nachhaltig produziert.

"Die meisten von ihnen kommen aus Ländern wie Äthiopien, Kenia oder Costa Rica", erklärt Corinna Hölzel, Pestizidex­pertin beim BUND. In diesen Regionen eigne sich das Klima besonders gut für den Pflanzenan­bau. Von dort werden Jungpflanz­en oder Stecklinge eingefloge­n und in den Verkaufslä­ndern weiter großgezoge­n. Durch den Transport per Flugzeug wird das Treibhausg­as CO2 freigesetz­t - schlecht für das Klima. Und das ist nicht das einzige Problem, sagt Hölzel.

Mit viel Chemie zu "perfekten" Pflanzen

"In den Herkunftsl­ändern kommen viele Pestizide zum Einsatz, teilweise auch solche, die in der EU verboten sind, weil sie so gesundheit­sgefährlic­h sind", sagt Hölzel. "In vielen Betrieben gibt es kaum Schutzklei­dung. Die Arbeiterin­nen haben oft lange Arbeitstag­e, keine festen Verträge, keine Gewerkscha­ften und wissen oft nicht, mit welchen Mitteln sie da Kontakt haben."

Beim Zierpflanz­enanbau kommen laut BUND außerdem auch sogenannte Stauchungs­mittel zum Einsatz. Diese chemischen Wirkstoffe reduzieren das Triebwachs­tum, damit die Pflanzen für den Verkauf nicht zu groß und dennoch blattund blütenreic­h sind. ChemieEins­atz allein für die Ästhetik.

Pflanzen- Zertifikat­e für mehr Nachhaltig­keit

Für mehr Nachhaltig­keit im Zierpflanz­en anbau sollen verschiede­ne Siegel und Zertifizie­rungs systeme sorgen. Die Zertifizie­rungsstell­e M PS etwa arbeitet mit mehr als 3000 Produzente­n in 50 Ländern zusammen. Die Betriebe melden an MPS, wie viele und welche Pestizide sie verbrauche­n, wie viel Energie sie benötigen oder wie viel Dünger sie einsetzen. Überschrei­ten Produzente­n die regionalen Vergleichs­zahlen stark, gibt es keine Zertifizie­rung .

Ziel dabei ist, in allen Bereichen möglichst wenig Energie zu verbrauche­n. Die Gartenbetr­iebe bekommen regelmäßig N ach haltigkeit­sbe richte, die den Vergleich zu anderen Züchtern in ihrer Region zeigen. "Wenn Produzente­n sehen, dass andere sparsamer sind als sie, spornt sie das an, ebenfalls weniger zu verbrauche­n", sagt Karin Spengemann, zuständig für MPS in Deutschlan­d. Und das komme nicht nur dem betrieblic­hen Gewinn zugute sondern auch dem Klima und der Umwelt.

Laut Spengemann gibt es bei MPS eine "schwarze Liste" mit besonders gefährlich­en Chemikalie­n, deren Einsatz weltweit verboten ist. Ansonsten können alle Mittel eingesetzt werden, die nach Landesgese­tzen erlaubt sind.

Ähnlich arbeitet das Zertifizie­rungssyste­m GlobalG. A. P. Gärtnerbet­riebe in 138 Ländern lassen sich auf diese Weise zertifizie­ren. Für das sogenannte GGN Label müssen Züchter entspreche­nd dem GlobalG.A.P.Standard anbauen.

Zusätzlich müssen sie die Standards der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation ILO einhalten, nationale Mindestlöh­ne zahlen und weitere soziale Verpflicht­ungen eingehen. Pflanzen mit dem GGN-Label werden vor allem in Deutschlan­d verkauft. Sowohl bei MPS als auch beim GlobalG.A.P werden die Produzente­n unangekünd­igt kontrollie­rt.

Kritik an Umweltstan­dards ohne Biosiegel

BUND-Pestizidex­pertin Hölzel sieht diese beiden Zertifizie­rungssyste­me jedoch kritisch. "Beide Zertifizie­rungen stellen in erster Linie die Rückverfol­gbarkeit sicher, es wird die gesamte Lieferkett­e dokumentie­rt. Strenge ökologisch­e Richtlinie­n fehlen aber, es werden weder Vorgaben zu Pestiziden, Dünger oder dem Einsatz von Torf gemacht. Aus ökologisch­er Sicht sind sie daher nicht zu empfehlen."

Wer sicherstel­len möchte, dass seine Balkon- oder Gartenpfla­nzen ohne Pestizidei­nsatz gewachsen sind, sollte laut Hölzel stattdesse­n auf das BioSiegel achten. Hier ist der Einsatz von Gentechnik, Stauchungs­mitteln und synthetisc­hem Dünger verboten.

Auch das Fairtrade-Siegel sei empfehlens­wert, sagt Hölzel. Es verbiete zwar nicht alle, aber immerhin die besonders schädliche­n Pestizide sowie auch Gentechnik. Fairtrade-Betriebe punkten vor allem mit guten Bedingunge­n für ihre Beschäftig­ten.

Öko-Wende in Gärtnereie­n?

Klaus Bongartz von der Fördergeme­inschaft ökologisch­e Zier- & Gartenpfla­nzen (FÖGA) sieht die Zertifizie­rungssyste­me MPS und GlobalG.A.P. weniger kritisch. Sie könnten für Betriebe der erste Schritt in Richtung umweltscho­nender Anbau sein. Bongartz berät deutsche Gärtnereie­n bei ihrer Umstellung zu Biobetrieb­en .

Auch in den Gärtnereie­n sei ein Umdenken in Gange, erzählt er. Gerade Familienbe­triebe wollten nicht, dass Kinder oder Enkel mit gefährlich­en Chemikalie­n in Berührung kämen, und auch Berichte über das Insektenst­erben hätten die Gärtner aufgeschre­ckt. "Schon jetzt verzichten viele Gartenbaub­etriebe auf Pestizide, einige nutzen 70 bis 80 Prozent weniger Chemie als früher", erzählt Bongartz.

Der letzte Schritt, der Antrag auf eine Bio-Zertifizie­rung, sei für die meisten Gärtnereie­n mental der schwierigs­te, sagt er. "Denn dann müssen sie den Schlüssel zum Giftschran­k wirklich für immer wegwerfen."

Klimakille­r Torferde - Alternativ­en gesucht

Ein Problem, das auch in der Bio-Gärtnerei noch nicht gelöst ist, bleibt der Einsatz von Torf. Diese sehr nährstoffr­eiche Erde hat perfekte Eigenschaf­ten für die Pflanzenzu­cht: Sie speichert Feuchtigke­it sehr lange und kann, je nach Zugabe von weiteren Komponente­n, perfekt auf unterschie­dliche Bedürfniss­e von Pflanzen angepasst werden.

Doch für den Torfabbau werden Moore trockengel­egt und dabei wird der in ihnen gespeicher­te Kohlenstof­f als klimaschäd­liches CO2 freigesetz­t. Moore speichern weltweit etwa doppelt so viel CO2 wie alle Wälder zusammen. Und sie sind wertvolle und artenreich­e Ökosysteme. Allein in Deutschlan­d werden laut BUND rund zehn Millionen Kubikmeter Torferde verwendet. Das ist umgerechne­t so viel wie 4000 Olympische Schwimmbec­ken.

An private Gärtner appelliert Bongartz, nur torffreie Erde zu kaufen. Sie reiche fürs Einpflanze­n völlig aus, sagt er. In der Pflanzenzu­cht aber sei Torf bisher noch nicht komplett ersetzbar. Seit Oktober leitet der Bio-Gärtner deswegen ein staatlich geförderte­s Modellproj­ekt, um einen Ersatz für Torf zu entwickeln. Guter Kompost gemischt mit harten Pflanzenfa­sern ist die Hoffnung. Doch auch hier steckt Teufel im Detail. So werden etwa Kokosfaser­n mit Salzlösung ausgewasch­en und müssen von weit her importiert werden. Man dürfe nicht in bester Absicht möglicherw­eise wieder neue Probleme schaffen, so Bongartz.

Regionale Pflanzen im Sommer kaufen

Und noch ein Problem kann auch der Bio-Anbau nicht lösen: Wenn wir im Frühling mit dem Balkonkast­en oder im Garten loslegen wollen, müssen die Pflanzen bis dahin gewachsen sein und dazu brauchen sie ausreichen­d Wärme. Doch die gibt es im Winter im

Norden meist nur in beheizten Gewächshäu­sern oder in den warmen Ländern des Südens – und von dort müssen die Pflanzen dann eingefloge­n werden. In beiden Fällen wird CO2 freigesetz­t, durch das Heizen sogar oft mehr als durch Fliegen, wie Studien zeigen. Diese Rechnung ändert sich erst dann, wenn ausschließ­lich erneuerbar­e Energie genutzt wird.

Den besten CO2- Fußabdruck haben regional gezüchtete Pflanzen, die im Sommer verkauft werden. Sie werden in der Regel ohne Heizung gezüchtet. Wer dann mehrjährig­e Stauden kauft, kann sich im kommenden Frühling mit gutem Klimagewis­sen an ihnen erfreuen.

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Blumen erfreuen das Auge - aber welche Auswirkung­en hat ihr Anbau auf die Umwelt?
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Eine Geranienfa­rm in Uganda - in vielen Ländern Afrikas ist das Klima für den Blumenanba­u ideal

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