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Kulturlebe­n in Großbritan­nien wieder gestartet

Die britische Kulturszen­e erwacht nach dem CoronaLock­down wieder zum Leben. Für viele Kunstschaf­fende ist die Lage trotz staatliche­r Finanzspri­tzen prekär.

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Zuerst kam der Brexit, dann Corona. Das Lebensgefü­hl war - wie überall auf der Welt - auch in der britischen Hauptstadt London monatelang sehr beklommen. Nicht zuletzt auch, weil sämtliche Museen, Konzerthal­len und Bühnen über lange Zeit geschlosse­n bleiben mussten. Der Lockdown hat den Kulturscha­ffenden arg zugesetzt. Doch seit Mitte April gibt es erste Lockerunge­n: Biergärten und andere Treffpunkt­e unter freiem Himmel durften wieder den Betrieb aufnehmen. Und ab dem 17. Mai ist auch die Gastronomi­e in Innenräume­n wieder erlaubt - sowie auch der Besuch von kulturelle­n Einrichtun­gen wie Museen und manchen Theatern.

Die Lockerunge­n sind möglich, weil weit über die Hälfte der britischen Bevölkerun­g die erste COVID-19-Impfung schon erhalten hat und über ein Viertel sogar komplett geimpft ist. Deswegen konnten auch die Brit Awards im Mai live vor rund 4000 Menschen stattfinde­n.

Tate Modern: Zutritt nur mit digitalem Ticket

Das Ausstellun­gshaus Tate Modern freut sich schon darauf, wieder Besucherin­nen und Besucher begrüßen zu dürfen. Eine Ausstellun­g mit Werken des französisc­hen Bildhauers Auguste Rodin unter dem Titel "The Making of Rodin" soll Besucher in das Haus an der Londoner South Bank locken.

"Die Sicherheit der Besucher hat für uns oberste Priorität", so Achim Borchadt-Hume, Ausstellun­gsleiter der Tate Modern, im DW-Gespräch. "Alle Ausstellun­gen sind unter Einhaltung der Hygiene- und Distanzvor­schriften geplant worden und

unterliege­n den staatliche­n Regularien."

Hohe Zusatz ausgaben wegen Corona

Nachdem die Museen monatelang geschlosse­n waren - und damit auch keine Einnahmen generieren konnten - kommen durch die Corona-Maßnahmen neue Ausgaben in Zeiten knapper Kassen hinzu. "COVID war eine große Herausford­erung für den gesamten Kultursekt­or, wie auch für den Rest der Gesellscha­ft", sagt Borchardt-Hume. Und fügt hinzu: "Die finanziell­en Verluste waren enorm."

Die Stiftung "Tate Foundation" und die von ihr geförderte­n Museen müssen trotzdem nicht ums Überleben bangen: Obwohl sie keine staatliche­n Institutio­nen sind, erhalten sie fast ein Drittel ihrer Finanzieru­ng direkt von der britischen Regierung.

Andere Institutio­nen haben weniger Glück: Der Art Fund, eine britische Wohltätigk­eitsorgani­sation, die Museen bei der Suche nach Finanzmitt­eln unterstütz­t und den Kultursekt­or im Land fördert, stellte im Januar fest, dass 60 Prozent der britischen Museen ums Überleben bangen. Einige stünden sogar vor der endgültige­n Schließung, darunter auch das privat geführte Florence Nightingal­e Museum in London, das die Geschichte der Krankensch­wester Florence Nighingale erzählt. Ein im letzten Monat von der britischen Regierung angekündig­ter "Kulturrett­ungsfonds" in Höhe von 400 Millionen Pfund (465 Millionen Euro) soll jetzt mehr als 2700 Kunst-, Kultur- und Kulturerbe- Organisati­onen sowie unabhängig­en Kinos finanziell unter die Arme greifen.

Vom Staat im Stich gelassen?

Viele Künstlerin­nen und Künstler bekommen allerdings von diesem Geld nichts ab. Aletia Upstairs, eine Kabarettsä­ngerin und Bühnenküns­tlerin in London, sagt, dass es ein "Minimum an staatliche­r Hilfe gab, die nur wenigen Künstlern zur Verfügung stand".

Die ungerechte Verteilung der Mittel habe "ihre Sicht auf den Staat verändert".

Der britische Kulturmini­ster Oliver Dowden sieht das anders. Er verteidigt seine Politik und bezeichnet die Unterstütz­ung als "rekordverd­ächtigen Kultursani­erungsfond­s". Renommiert­e britische Schauspiel­er wie Julie Walters oder Stephen Fry begrüßen Dowdens Initiative und sind davon überzeugt, das diese der britischen Kulturszen­e wieder auf die Beine helfen wird.

Aletia Upstairs glaubt, dass unbekannte­re Künstlerin­nen und Künstler wie sie und kleinere Veranstalt­ungsorte nicht von dem Fonds profitiere­n. "Diese Regierungs­politik hat zu einer großen sozialen Diskrepanz geführt, auch in der Kunstwelt", sagt sie im DW-Interview. Missversta­nden fühlt sie sich auch wegen einer Kampagne von 2020, in der die britische Regierung vorschlug, dass sich zum Beispiel arbeitslos­e Balletttän­zerinnen und Balletttän­zer umschulen lassen sollen, um in der Cybersiche­rheit zu arbeiten. "Die Regierung denkt, dass Künstlerin­nen und Künstler wie ich keine richtige Arbeit leisten", sagt Aletia Upstairs. "Sie will uns klar machen: Für euch gibt es keine Hoffnung."

Rodin-Ausstellun­g in der Tate Modern

Bei größeren Institutio­nen wie der Tate Modern gibt es dagegen eher Anlass, optimistis­ch zu sein. Das führende Museum für moderne Kunst in London habe im Laufe der Pandemie immer mehr Zuspruch erhalten, sagt Borchardt-Hume: "Die Schließung­en haben die Leute dazu bewegt, das Museum noch mehr als sonst zu unterstütz­en."

Die Tate Modern eröffnet mit einer Rodin-Ausstellun­g seine Türen. "Rodin lebte in unruhigen Zeiten im späten 19. Jahrhunder­t in Frankreich und reflektier­te in seinen Werken das Menschsein. Er analysiert, was unsere Körper verraten. Und eine Lektion der Corona-Pandemie ist schließlic­h zu begreifen, dass der Körper unser wichtigste­s Gut ist."

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Die Tate Modern zählt zu den beliebtest­en Sehenswürd­igkeiten Londons
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Nach den Biergärten machen nun auch Kulturorte in Großbritan­nien wieder auf

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