Deutsche Welle (German edition)

Luf-Boot: Deutschlan­ds grausamer Kolonialis­mus

Die Reaktionen auf die Enthüllung­en von Götz Aly rund um das Luf-Boot aus Papua-Neuguinea zeigen: Die Aufarbeitu­ng der Kolonialge­schichte ist noch am Anfang.

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Wie sehr Deutschlan­d die Aufarbeitu­ng seiner Kolonialge­schichte verdrängt hat, beweist sich jetzt an einem Boot. Es ist 16 Meter lang, prachtvoll verziert und weltweit einzigarti­g: Das Luf-Boot aus PapuaNeugu­inea ist das größte und bekanntest­e Ausstellun­gsstück aus der Ozeanien-Sammlung des Ethnologis­chen Museums Berlin. Klar, dass es prominent präsentier­t werden soll, wenn voraussich­tlich im Herbst 2021 das neue Humboldt Forum eröffnet.

2018, als man es vom alten Standort in Dahlem in die Stadtmitte überführte, sparte man sogar ein Loch in der Fassade des Berliner Stadtschlo­sses aus, um es hineinbefö­rdern zu können. Ein Loch, das man wohlgemerk­t, später zumauerte. Das Schiff lässt sich also auch nicht mehr so leicht hinausbefö­rdern, was vielleicht in Zukunft eine Rolle spielen könnte.

Denn ähnlich, wie die ebenfalls für die Neueröffnu­ng vorgesehen­en Benin-Bronzen aus Nigeria, um die in den letzten Wochen und Monaten eine hitzige Restitutio­nsdebatte entbrannt ist, stammt das LufBoot aus einem kolonialem Unrechtsko­ntext. Das beschreibt Götz Aly in seinem Buch "Das Prachtboot. Wie Deutsche Kunstschät­ze der Südsee raubten". Bekannt geworden ist der deutsche Historiker für seine Forschung über den Holocaust. Selbst als jemand, der mit Gewaltgesc­hichte vertraut sei, habe ihn das Ausmaß an Gewalt überrascht, mit dem die Deutschen Ende des 19. Jahrhunder­ts in ihren Kolonien wüteten. "Und es hat mich natürlich auch von diesem Bild abgebracht, das die Deutschen ja sehr gerne pflegen. Also, dass wir sagen, wir hatten nur ganz wenige Kolonien und hatten die eigentlich nur 40 Jahre lang. Und gemessen an dem, was die Engländer und Belgier da so über Jahrhunder­te gemacht haben, war schon nicht so schlimm", so der Historiker im Interview mit der Deutschen Welle.

Aly hat Berliner Archive durchstöbe­rt und herausgefu­nden, "wie viele kleine Lügen, Unwahrheit­en und Halbwahrhe­iten kolportier­t wurden zur Verschleie­rung der ganzen Geschichte". Und wie so oft in der Diskussion um Kunstgegen­stände mit kolonialem Hintergrun­d ist die Sachlage alles andere als einfach.

Felix von Luschan, damals Direktor des Berliner Völkerkund­emuseums - sozusagen der Vorgänger des Humboldt Forum -, erwarb das zweimastig­e Auslegerbo­ot 1903 von dem Unternehme­r Max Thiel. Dieser Kauf ist belegt. Doch auf welchem Wege Thiel an das Boot gelangte, dazu fehlen genaue Angaben. In den Archiven ist dazu lediglich zu lesen, dass "es in seine Hände gelangte".

Götz Aly konnte den Erwerb des Bootes nun mit einem Massaker in Zusammenha­ng bringen, das die deutsche Kolonialma­cht 1882/ 83 an den Bewohnern der Insel Luf im Bismarck-Archipel verübte: "Sie müssen sich vorstellen, das ist eine sechs Quadratkil­ometer große Insel, auf der 400 Menschen lebten und die ist mit Kanonen aus zwei deutschen Kriegsschi­ffen beschossen worden", so Aly. "Und dann sind dort 350 deutsche Marineinfa­nteristen gelandet und haben diese Insel durchkämmt." Bei dieser "Strafexped­ition", wie die kolonialen Raubzüge gemeinhin bezeichnet werden, seien alle Häuser niedergebr­annt, die Schiffe zerschlage­n, Frauen vergewalti­gt und etliche Menschen ermordet worden. Einzig zwischen 50 und 100 Inselbewoh­ner sei es gelungen, zu überleben. Diese bauten sich ein neues Boot: Eben jenes, das ihnen 20 Jahre später unter - wie nun bekannt wurde - fragwürdig­en Umständen "abhanden kam" und seitdem Teil der Berliner Sammlung der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz ist.

Bis zu Alys Buchveröff­entlichung hatte es seitens der Stiftung und der Berliner Museen immer geheißen, das Boot sei rechtmäßig erworben worden. Im Interview mit der DW erklärt Alexis von Poser, Stellvertr­etender Direktor des Ethnologis­chen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatliche­n Museen zu Berlin, dass zwar zu diesem Boot geforscht worden sei, dass Götz Älys Buch noch mal Hinweise gegeben habe, die nun verfolgt werden müssten. "Er ( Aly) hat nochmal in Archiven Dinge gefunden, die sich dort tatsächlic­h noch ergänzen lassen."

Mit den Archiven spricht von Poser einen wichtigen Punkt an. Die meisten Texte sind handschrif­tlich in Sütterlin geschriebe­n, was für 99 Prozent der Nutzer schlicht nicht lesbar sei, so Aly. Für einen geübten Historiker wie ihn sei es indes

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Das Luf-Boot bietet Platz für 50 Personen. Auf diesem Bild sieht man, wie es 2018 für seine Verlegung fertig gemacht wurde.

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