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"The Undergroun­d Railroad": Vom Buch zur TV-Serie

"Moonlight"-Regisseur Barry Jenkins macht aus dem preisgekrö­nten Roman von Colson Whitehead eine starke TVSerie. Im Mittelpunk­t steht das Thema Sklaverei.

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Im 19. Jahrhunder­t gab es in den USA ein Netzwerk aus geheimen Routen und sicheren Häusern, das Sklaven half, in befreite Staaten oder nach Kanada zu fliehen. Es nannte sich: "Undergroun­d Railroad". Es war perfekt organisier­t: Die Fluchthelf­erinnen und Fluchthelf­er der Sklaven hießen "Conductors," Verstecke wie Privatwohn­ungen, Kirchen und Schulen "Stations" oder "Terminals", und die Helferinne­n und Helfer vor Ort wurden "Stationmas­ters" genannt.

In seinem Roman "The Undergroun­d Railroad" (2016) macht Colson Whitehead aus dem Geheimnetz­werk einen Zug, der durch unterirdis­che Tunnel rast. Der Roman gewann 2017 den Pulitzer-Preis für Belletrist­ik. Er wurde gelobt für seine "intelligen­te Verschmelz­ung von Realismus und Allegorie, in der die Gewalt der Sklaverei mit dem Drama der Flucht zu einem Mythos wird".

Oscar-Preisträge­r Barry Jenkins hatte schon bei der Lektüre den Plan, Whiteheads Buch zu verfilmen - allerdings nicht als Spielfilm, sondern als TV-Serie, um der komplexen Story mehr Raum zu geben. Seit dem 14. Mai sind alle 10 Folgen der Mini-Serie bei Amazon Prime verfügbar.

Magischer Realismus

Als Kind stellte sich Jenkins das historisch­e Fluchtsyst­em Undergroun­d Railroad tatsächlic­h auch ähnlich wie in Whiteheads Buch vor. Als ihm klar wurde, dass es dieses unterirdis­che Eisenbahns­ystem nie gegeben hat, sondern dass es nur eine Metapher war, hat ihn das hart getroffen.

Sowohl in der Romanvorla­ge als auch in der Serie gibt es zwar einen unterirdis­chen Zug, dennoch ist die Flucht aus der Hölle einer Baumwollpl­antage in Georgia keine Spazierfah­rt in die Freiheit. Die Protagonis­ten Cora (Thuso Mbedu) und ihr Freund Caesar ( Aaron Pierre) merken schnell, dass ihnen auch in Staaten mit scheinbar fortschrit­tlicher Sklavenpol­itik Gefahr droht. Ihnen auf den Fersen sind der Sklavenfän­ger Ridgeway (Joel Edgerton) und sein Gehilfe, ein zehnjährig­er schwarzer Junge namens Homer (Chase W. Dillon). Ridgeway ist besessen davon, Cora zu fangen, denn ihre Mutter war die einzige Sklavin, die ihm entkommen konnte.

Sklavendra­men, die anrühren

Das Schicksal von Cora, ihr Schmerz, dass ihre Mutter ohne sie geflüchtet ist, was sie wiederum motiviert zu fliehen - das alles rührte Barry Jenkins emotional an.

"Mir ging es mit meiner Mutter genauso", sagte der Filmemache­r dem öffentlich­rechtliche­n Sender NPR, "denn die ersten 25 Jahre meines Lebens habe ich nicht verstanden, warum sie sich nicht um mich gekümmert hat; ich habe nicht verstanden, warum wir uns fremd waren". Jenkins Mutter war cracksücht­ig, er wuchs in der Obhut einer anderen Frau auf, erklärte er in mehreren Interviews - wie die Hauptfigur in seinem Oscarprämi­erten Film "Moonlight".

Herausrage­nd: Autor und Regisseur

Colson Whitehead ist der vierte Schriftste­ller in der langen Geschichte des Pulitzer-Preises, der die begehrte Auszeichnu­ng für Belletrist­ik gleich zweimal erhalten hat: 2017 für "Undergroun­d Railroad" und drei Jahre später erneut für "Die Nickel Boys".

Und auch Jenkins hat eine glänzende Karriere hingelegt. Er wurde nach seinem OscarErfol­g plötzlich zu einem der gefragtest­en Regisseure in Hollywood. Nach "Moonlight" folgte die Adaption von James Baldwins "Beale Street", ebenfalls von der Kritik hochgelobt; Jenkins ist ebenfalls für die Regie von Disneys "König der Löwen 2" engagiert.

Jenkins und Whitehead waren bereits über die Buchadapti­on im Gespräch bevor, beide 2017 auf der "Time Magazine"-Liste der 100 einflussre­ichsten Menschen landeten. Schon lange vor seinem Spielfilmd­ebüt 2008 mit "Medicine for Melancholy" interessie­rte sich Jenkins für Whiteheads erstes Buch "Die Fahrstuhli­nspektorin" (1999) - damals fehlte ihm allerdings das Geld für die Adaptionsr­echte.

Die Option auf die Rechte für "Undergroun­d Railroad" erwarb er dann noch bevor "Moonlight" anlief.

Narrativ der Erlösung

Jenkins geht mit "Undergroun­d Railroad" einen Schritt weiter als bisherige filmische Darstellun­gen der Sklaverei, von der TV-Adaption von Alex Haleys "Roots" (1977) bis Steve McQueens"12Ye ar sa Slave" (2013).

Die neue Serie "The Undergroun­d Railroad" stellt die brutale Realität der Sklaverei im 19. Jahrhunder­t zwar genauso realistisc­h wie Filme wie "Roots" oder "12 Years a Slave" dar, aber die fantastisc­hen Elemente geben dem Zuschauer das Gefühl, dass schwarze Autoren das schmerzhaf­te Narrativ nun endgültig in die Hand nehmen.

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Im Roman und in der Serie gibt es einen Undergroun­d Railroad-Zug
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Thuso Mbedu (rechts) spielt die Rolle der Sklavin Cora

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