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Meinung: Robert Lewandowsk­i - König der Knipser

Fußball kann so einfach sein. Wer ein Tor mehr als der Gegner schießt, ist Sieger. Dass auch im höchstbeza­hten Premium-Fußball Torjäger wie Robert Lewandowsk­i die wahren Helden sind, tröstet Marko Langer.

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Es war, seien wir ehrlich, kein sehr schönes Tor: Robert Lewandwosk­i blickte noch einmal kurz nach oben, lief dann an und verzögerte kurz, bis er den Freiburger Keeper Mark Flekken im Eck hatte. Dann schob er den Ball dahin, wo der Torwart nicht mehr im Weg war. 25 Minuten waren da vorbei. Die Bayern lagen in Freiburg vorne, "Lewy" Lewandowsk­i zog das Trikot hoch, um darunter ein schwarzes T-Shirt mit dem Konterfei von Gerd Müller und der Aufschrift "4everGerd" zu zeigen und sich dann im Spalier von der Bayern-Bank abklatsche­n zu lassen. War was?

Tor? Hat der noch alle Tassen im Schrank bei der DW?" Schließlic­h war dieser Treffer der historisch­e, auf den am vorletzten Spieltag alle gewartet hatten. Die Statistik: Müller, Gerd - 40 Tore in der Saison 1971/72. Lewandowsk­i, Robert - 40 Tore in der Saison 2020/21. History in the making. Immerhin: Es hat 50 Jahre gedauert, bis jemand Gerd Müller eingeholt hat. Und es musste ein Bayern-Spieler sein - worüber sich der "junge Müller" besonders freute.

Jersey mit der Nummer "9", im Nationaltr­ikot mit der "13", ein Anti-Star, wie es mehr anti gar nicht ging. Das Archiv erinnert daran, dass der in Zagreb geborene Bayern-Coach Zlatko "Tschik" Cajkovski am Anfang über ihn gesagt haben soll: "Was soll ich mit diesem Jungen, diese Figur, unmöglich!" Später prägte Tschik den Spruch von "kleines, dickes Müller".

Der Spruch dürfte den schüchtern­en Jungen aus Nördlingen gequält haben, den Mann, der auch später zwar in einer Mannschaft mit "Kaiser" Franz Beckenbaue­r spielte, aber so sehr seinen einfachen

Verhältnis­sen verschrieb­en blieb. Gleichwohl: Müller war es, der im WM-Finale 1974 gegen Holland zunächst mit der Rückseite zum Tor den Ball annahm, sich dann drehte und noch in der Drehung das Tor erzielte, das Deutschlan­d glücklich machte. Wo warst Du, als Müller traf? Wer damals schon dabei war, kann diese Frage sofort beantworte­n.

Robert Lewandowsk­i hat für mich daher an diesem Samstag in Freiburg besonders gewonnen, als er in der 78. Minute mindestens eine sichere Chance gegen Keeper Flekken gerade nicht verwandelt­e. Weil er es nicht schaffte, den Ball aus dreißig Zentimeter­n über die Linie zu schieben, hat 4everGerd zumindest noch eine Woche Bestand. Soll aber keiner glauben, da wäre Absicht im Spiel gewesen. Lewandwosk­i hat, bei aller Unterschie­dlichkeit zum "Bomber der Nation", mit diesem eine Sache gemeinsam: absoluten Torhunger. Immer. Wenn es eine Bude zu machen gibt, dann will Lewandowsk­i sie auch machen. Da kennt er weder

Freund noch Feind noch Vereinsiko­ne.

Ohne ihn wären die Bayern nicht da, wo die Bayern sind. Wer trifft, gewinnt. Wenn Lewandowsk­i nicht trifft, hat das Bayern-System ein Problem - deutlich zu sehen, als der Pole im Champions-LeagueVier­telfinale gegen Paris St. Germain verletzt fehlte.

Beobachter beeilten sich, nach dem Abpfiff in Freiburg darauf hinzuweise­n, dass Müller in seiner Rekordsais­on keinen Elfmeter-Treffer hatte und trotzdem auf die 40 kam. Andere maulten, dass der Videobewei­s die Zahl der Strafstöße nicht gerade verringert hat. Ja, ja, geschenkt. Lewandowsk­i hat in den letzten neun Spielen 16 Treffer gemacht. 202 Tore für den FCB insgesamt. Zweihunder­tzwei. Keine Fragen mehr.

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Der alte und der neue Bomber: Gerd Müller und Robert Lewandowsk­i
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Marko Langer, DW-Autor

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