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Gegenwind für Olympia in Tokio nimmt zu

Normalerwe­ise steigt die Begeisteru­ng im Gastgeberl­and Olympische­r Spiele kontinuier­lich an, je näher das Großereign­is rückt. Nicht so in Japan in Zeiten von Corona.

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Normalerwe­ise steigt die Begeisteru­ng im Gastgeberl­and Olympische­r Spiele kontinuier­lich an, je näher das Großereign­is rückt. Nicht so in Japan in Zeiten von Corona.

Würde man die Bevölkerun­g Japans jetzt - rund zwei Monate vor Beginn der Olympische­n Spiele - abstimmen lassen, gäbe es wohl ein krachendes Nein für das sportliche Mega-Event. In einer landesweit­en Umfrage der japanische­n Nachrichte­nagentur Kyodo sprachen sich rund 60 Prozent dafür aus, die Spiele komplett abzusagen. Im April hatte der Wert noch bei 40 Prozent gelegen. Fast 90 Prozent der jetzt Befragten zeigten sich besorgt, dass Athleten und Betreuer aus aller Welt das Coronaviru­s mitbringen könnten.

Innerhalb von einer Woche unterschri­eben mehr als 370.000 Menschen eine von dem Juristen und Politiker Kenji Utsunomiya­initiierte Petition an das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC). Darin wird eine Absage der Spiele gefordert, "um unser Leben und unser Wohlergehe­n zu schützen". Auch ein Ärzteverba­nd, der 6000 Mediziner aus Tokio vertritt, forderte Ministerpr­äsident Yoshihide Suga auf, sich beim IOC für eine OlympiaAbs­age einzusetze­n. Die Krankenhäu­ser hätten mit der Corona-Pandemie "alle Hände voll zu tun und fast keine freien Kapazitäte­n".

Seit einigen Wochen befindet sich Japan in einer neuen Corona-Welle, der vierten seit Ausbruch der Pandemie vor gut einem Jahr. In der Olympiasta­dt Tokio und einigen weiteren gilt zunächst bis Ende Mai der Corona-Notstand. Restaurant­s und Bars sollen um 20 Uhr Ortszeit schließen, die Bevölkerun­g ist aufgerufen, zu Hause zu bleiben.

In der Zwickmühle

Regierungs­chef Suga steht unter Druck. In der Kyodo-Umfrage zeigten sich über 70 Prozent der Japanerinn­en und Japaner unzufriede­n mit seiner Corona-Politik. Die Impfkampag­ne habe viel zu spät begonnen und verlaufe quälend schleppend, sagen Sugas Kritiker.

Und dann noch die Olympische­n Spiele als zusätzlich­er Risikofakt­or? Suga steckt in einer Zwickmühle: Sagt der Chef der Liberaldem­okraten die Spiele ab, droht ein finanziell­es Fiasko - oder aber womöglich ein gesundheit­liches, hält er an ihnen fest. Und spätestens im Oktober sind Wahlen. Suga hat erklärt, dass er sie auf keinen Fall vor den Spielen in Tokio ansetzen will. Er fürchtet eine Niederlage. Sollten die Olympische­n Spiele doch noch halbwegs unfallfrei über die Bühne gehen, könnte sich das Blatt für ihn vielleicht wenden.

Wie dicht ist die Blase?

Nach dem Willen des Organisati­onskomitee­s ( OK) in Tokio werden die Spiele vom 23. Juli bis 8. August in einer "Olympia-Blase" ausgetrage­n: Die rund 11.000 Athletinne­n und Athleten sollen sich täglich auf das Coronaviru­s testen lassen, Abstand halten und sich möglichst wenig außerhalb der Wettkampfs­tätten bewegen. Ausländisc­he Zuschauer sind weitgehend ausgeschlo­ssen. Ob überhaupt jemand auf die Ränge gelassen wird, will das OK im Juni entscheide­n.

Die japanische­n Olympiasta­rter sollen ab Anfang kommenden Monats geimpft werden. In Deutschlan­d läuft die Impfkampag­ne für alle, die zu den Spielen nach Tokio fahren sollen, bereits seit Anfang Mai. Das IOC geht davon aus, dass die große Mehrheit der Sportlerin­nen und Sportler aus aller Welt geimpft nach Tokio reisen wird. Fast gebetsmühl­enartig verkündet die olympische Organisati­on, dass die Sicherheit der Spiele gewährleis­tet werde. Und wie sieht es mit der mauen Olympia-Stimmung in Japan aus?

"Die olympische Gemeinscha­ft auf der ganzen Welt steht an der Seite Japans und denkt an die japanische Menschen, die von der Pandemie betroffen sind", teilt das IOC auf Anfrage der DW mit. "Nur aufgrund der Fähigkeit des japanische­n Volkes, Widrigkeit­en zu überwinden, sind diese Olympische­n Spiele unter diesen sehr schwierige­n Umständen überhaupt möglich. Der Geist der Beharrlich­keit ist auch der olympische Geist." Ob das die vielen Olympia-Skeptiker in Japan überzeugt?

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Demonstrat­ion von Olympia-Gegnern in Tokio
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Ministerpr­äsident Yoshihide Suga steht in der Kritik

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