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Griechenland: Intransparenz gefährdet Energiewende
Damit das Land klimaneutral wird, will die Regierung in Athen Windparks auf den Ägäis-Inseln errichten. Doch Politik und Investoren verhandeln ohne die Bürger:innen - und gefährden so die eigenen Ziele.
Wenn Eleftheria Psychogiou durch Chora, den Hauptort der kleinen griechischen Insel Amorgos läuft, steht ihr die Verbundenheit zu ihrer Heimat ins Gesicht geschrieben. Hier hat sich in den letzten Jahrhunderten kaum etwas verändert. Schlichte, weiße Häuschen mit den blauen Türen, dazwischen schmale Gassen, völlig ungeeignet für Autos, die hier ohnehin nicht fahren dürfen. So stellt man sich überall auf der Welt eine Insel in der Ägäis vor.
Auch deswegen ist Chora als kulturelles Erbe durch den griechischen Staat geschützt: "Hier darf nichts geändert werden, weder im Ort selbst noch um den Ort herum," erklärt Eleftheria. Auch deswegen war sie schockiert, als sie von den Plänen der Athener Regierung erfuhr, auf den Bergen direkt hinter Chora 15 etwa 150 Meter hohe Windgeneratoren zu errichten. Insgesamt könnten auf ihrer Insel bis zu 72 davon entstehen.
Dafür aber müssten breite Straßen gebaut werden, auch in Naturschutzgebieten. Außerdem müssten die Bergspitzen geplättet werden, damit die Windgeneratoren stehen können. Ein massiver Eingriff auf Kosten der Menschen auf Amorgos, die vor allem davon leben, dass Touristen sich an der Unberührtheit der Insel erfreuen.
"Ich bin am meisten darüber verärgert, dass man uns nicht miteinbezieht, dass man Entscheidungen trifft, ohne mit uns zu reden," empört sich Eleftheria. Inzwischen hat sich in Amorgos eine Bürgerbewegung gegen Windparks gebildet. Eleftheria ist eines der Gründungsmitglieder: "Der Energiebedarf der Insel könnte durch ein bis zwei Windgeneratoren gedeckt werden," erklärt sie. Konsens der Gruppe ist: Grüne Energie - ja, aber ohne dabei die unberührte Insel zu einem Kraftwerk für Europa zu verschandeln.
Die Aufregung, nicht nur in Amorgos, sondern auch auf anderen Inseln, hat ihre Gründe. Im Mai 2020 hatte die Athener Regierung das Gesetz 4685/2020 verabschiedet. Nea Dimokratia, die rechts-konservative Partei von Premierminister Kyriakos Mitsotakis, feierte den Schritt als Grundlage für die Energiewende in Griechenland. Bis 2030 wolle das Land ein Drittel des Energiebedarfs aus nicht-fossilen Quellen generieren. Zudem hofft Athen, dass mit den erneuerbaren Energien Investoren nach Griechenland kommen, die der schwächelnden Wirtschaft auf die Beine helfen. Die sollen in Zukunft innerhalb von 150 Tagen alle nötigen Genehmigungen erhalten, um Windparks zu errichten. Normalerweise dauert das in Griechenland mehrere Jahre.
Kritiker sehen das Gesetz als Möglichkeit, Windparks ohne Rücksicht auf Umwelt und die lokale Bevölkerung auch in geschützten Gebieten zu errichten. Sie beklagen zudem, dass mit dem neuen Gesetz zum ersten Mal auch Ölbohrungen in Naturschutzgebieten durchgeführt werden dürften; es geht also nicht nur um grüne Energie. Zudem wird moniert, dass die Errichtung von Industriewindparks zu Lasten der Umwelt und der lokalen Bevölkerung ginge, die häufig vom Tourismus abhängig ist.
Takis Grigoriou, Klima- und Energieaktivist bei Greenpeace Griechenland, sieht das neue Gesetz ebenfalls kritisch. Doch vor allem mangle es an der Umsetzung. Ein Plan, wo genau Windparks entstehen können, existiere noch nicht und die Regierung handle intransparent: "Wir wissen nicht einmal, wie designierte Zonen kategorisiert werden," erklärt Grigoriou in Bezug auf Gebiete, die für die
Installierung von Windparks in Frage kommen. Dies aber hätte schon 2020 feststehen müssen. Für diese Verspätung hatte die EU Griechenland bereits vor Gericht gebracht. "Wir haben eine völlig chaotische Situation, in der gar nicht klar ist, was erlaubt ist und wo", so der Aktivist gegenüber der DW.
Dieses Problem treffe auch auf Amorgos zu: "Die Windparks in Amorgos werden vielleicht nie gebaut", so Grigoriou weiter. "Es gibt bereits zwei Lizenzverfahren für die Insel, eine von PPC (Anm. d. Red.: Öffentlicher Stromversorger Griechenlands) und eine von EDF (Électricité de France - Elektrizitätswerk Frankreich). Beide wurden bereits 2013 gestellt. Doch es tut sich nichts. Ich vermute, dass die Investoren ihr Interesse verloren haben."