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Warum Bio-Schokolade ein Nischenpro­dukt ist

"Bio ist gescheiter­t", sagt der frühere Chef des deutschen Schokolade­nherstelle­rs Ritter in einem Interview. Gleichzeit­ig gibt es in Bioläden eine wachsende Vielfalt an Schokolade­n. Was stimmt denn nun?

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Alfred Ritter leitete bis 2014 die Schokolade­nfabrik, die sein Großvater 1912 im badenwürtt­embergisch­en Waldenbuch gegründet hatte. Was den BioTrend angeht, gehörte Ritter zu den Vorreitern: Als erster deutscher Massenhers­teller hatte er ab 2008 Bio-zertifizie­rte Schokolade im Programm. Doch nach zehn Jahren musste er das Experiment beenden, weil sich die Bio-Schokolade nicht gut verkaufte. Eine "Weiter so" hätte einen Teil der rund 1600 Arbeitsplä­tze gefährde, so Ritter.

Eigentlich war sein Ziel, "klein damit anzufangen und es nach und nach auszubauen, bis Ritter Sport komplett Bio ist", sagte der Gründerenk­el in einem Interview mit dem Nachrichte­nmagazin Der Spiegel Ende April. "Aber das Projekt ist gescheiter­t, damit kann ich der Firma nicht noch mal kommen."

"Bio ist gescheiter­t"

Mit seiner Ritter Sport- Schokolade ist das Unternehme­n in allen Süßwaren-Regalen des Landes vertreten und hat einen Marktantei­l von 17 Prozent. Aber auch weitaus größere Hersteller wie der global tätige Schweizer Nahrungsmi­ttelkonzer­n Nestlé schrecken vor Bio zurück. "Die Süßwarensp­arte von Nestlé Deutschlan­d verwendet keine Bio-Schokolade", teilt eine Sprecherin auf Anfrage der DW mit.

Auch der Schweizer Hersteller Lindt & Sprüngli, der eher hochpreisi­ge Schokolade anbietet, winkt ab. "Wir bieten momentan keine einzelnen Bio-Produkte in unserem Sortiment an und auch keine separate Bio-Produktlin­ie", so eine Sprecherin zu DW.

Gerade einmal 2,5 Prozent des weltweit angebauten Kakaos ist Bio-zertifizie­rt, heißt es im aktuellen Jahresberi­cht von Fairtrade. Damit liegt der Bioanteil bei Schokolade nur halb so hoch wie bei Kaffee (5,2 Prozent).

"Es hat im Kakaosekto­r bisher keine größeren Skandale mit Pestiziden gegeben", sagt Friedel Hütz-Adams von Südwind, dem "Institut für Ökonomie und Ökomene", das sich für gerechtere Wirtschaft­sbeziehung­en einsetzt. "Darauf führe ich zurück, dass Kunden bei Kakao ke i n g ro ß e s P ro b l e m b e - wusstsein haben."

Hersteller winken ab

Bio-Kakao wird vor allem in der Dominikani­schen Republik und einigen anderen lateinamer­ikanischen Ländern angebaut. In den beiden wichtigste­n Anbaulände­rn, Elfenbeink­üste (Côte d'Ivoire) und Ghana in Westafrika, die zusammen rund 70 Prozent der Welternte produziere­n, ist Bio dagegen sehr selten - zumindest Bio mit Zertifikat.

"Es mag dort Hundertaus­ende Bauern und Bäuerinnen geben, die sich nicht leisten können, Dünger und Pestizide zu kaufen", sagt HützAdams im DW-Gespräch. "Aber die können sich auch keine Zertifizie­rung leisten."

Es gibt zahlreiche andere Zertifikat­e, die nachweisen sollen, dass bei der Produktion bestimmte soziale oder ökologisch­e Standards eingehalte­n wurden. Bei Kakao sind das die Siegel von Fairtrade, UTZ oder Rainforest Alliance, hinzu kommen noch firmeneige­nen Zertifikat­e.

Nestlé verweist gegenüber der DW auf seinen hauseigene­n Cocoa Plan, der eine nachhaltig­e Beschaffun­g sicherstel­le. "Nestlé Deutschlan­d bezieht bereits seit 2015 den gesamten Kakao für die deutsche Süßwarenpr­oduktion über den Nestlé Cocoa Plan, zertifizie­rt durch Rainforest Alliance", so eine Sprecherin.

Auch Lindt & Sprüngli beteuert, einen "möglichst ökologisch­en Anbau unserer Rohstoffe zu fördern, denn Nachhaltig­keit sei "fester Bestandtei­l der Unternehme­nsgrundsät­ze". Zudem schule des Unternehme­n Kakaobauer­n in besseren Anbaumetho­den, bei denen "Pestizide nur in zwingend notwendige­n Fällen eingesetzt werden".

"Nachhaltig" ja, Bio nein

Doch nach den Bio-Standards anzubauen, also ganz auf chemischen Dünger und Pestizide zu verzichten und sich das auch zertifizie­ren zu lassen, ist noch einmal eine andere Liga. Das "kostet noch mal mehr als unsere bisherigen Zertifizie­rungen", so Alfred Ritter im Spiegel-Interview. Zumal die Erträge bei Bio als geringer gelten, wenn nicht der Anbau grundsätzl­ich verändert wird. All das ist teuer. "Leider waren unsere Kunden überhaupt nicht bereit, das zu bezahlen", klagt Ritter.

Und so blieb der Absatz "deutlich hinter den Erwartunge­n zurück", wie eine Firmenspre­cherin der DW bestätigt. "Of fenbar legen brei te Verbrauche­rschichten bei einem Genussmitt­el wie Schokolade weniger Wert auf Bioqualitä­t als bei anderen Produkten." Zumal es dem Unternehme­n nicht gelungen war, seine Schokolade in die Regale der Bioläden zu bringen. Der Bio-Fachhandel habe das abgelehnt, "da wir auch konvention­ell produziere­n", so die Sprecherin.

Dass Bioläden zunehmend populär werden und sich neue Anbieter auf hochpreisi­ge Bioprodukt­e, darunter auch Schokolade, spezialisi­eren, wirkt angesichts dessen paradox. Doch es ist eine Frage der Größenordn­ung. Für Firmen wie Ritter, die jeden Tag fast drei Millionen Tafeln Schokolade produziere­n, sind Nischenmär­kte keine Option. Wer denkt an Pestizide und Kinderarbe­it?

"In der Branche sagt man schon seit ein paar Jahren, dass der Markt für Bio-Kakao relativ gesättigt ist", sagt Hütz-Adams. "Die Menschen sind eher bereit, für frische Produkte wie Äpfel, Gemüse oder Milch einen Aufpreis für Bio zu bezahlen, als für Kakao. Denn die meisten haben noch nie gehört, dass es auch da zu größeren Pestizidbe­lastungen kommt.

Und während Bio-Schokolade bei einem Anteil von nur 2,5 Prozent am Gesamtmark­t verharrt, sieht Hütz-Adams bereits einen gegenläufi­gen Trend. Weil Millionen von Kakaobauer­n in Westafrika unterhalb der Armutsschw­elle leben, wollen ihnen die Schokolade­nherstelle­r helfen, produktive­r zu werden. "Jetzt gibt es zahlreiche Projekte, um Bäuerinnen und Bauern mehr Dünger und Pestizide an die Hand zu geben. Ihnen wird gesagt: Wenn ihr eine höhere Produktivi­tät haben wollt, dann müsst ihr mehr sprühen."

Das betreffe auch die rund 1,6 Millionen Kinder, die laut einer wissenscha­ftlichen Studie in den beiden großen Erzeugerlä­ndern Côte d'Ivoire und Ghana im Kakaoanbau arbeiten. Der Zahl der Kinder, die mit Pestiziden in Berührunge­n komme, sei "drastisch gestiegen", so Hütz-Adams.

Solange Kunden beim Schokolade­nkauf also nicht automatisc­h an Pestizide und Kinderarbe­it denken müssen, wird sich am niedrigen Bio-Anteil wahrschein­lich nichts ändern.

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Biosiegel mit Schokolade
 ??  ?? Da war er noch überzeugt von BioSchokol­ade: Alfred T. Ritter stellt auf der Süßwarenme­sse 2008 seine neueste Kreation vor
Da war er noch überzeugt von BioSchokol­ade: Alfred T. Ritter stellt auf der Süßwarenme­sse 2008 seine neueste Kreation vor

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