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FemMIT: Neue Zeitschrif­t für mehr Diversität

Das neue Frauenmaga­zin femMIT kämpft mit Fakten, Diagrammen und Vorbildern gegen Klischees und Stereotype. Rezepte oder Modetipps spielen dagegen keine Rolle.

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Frauenzeit­schriften dominieren schon lange die Auslagen der Kioske. Sie füllen dort einige Regalmeter. So hatten "Bild der Frau" oder "Freizeit Revue" allein im ersten Quartal 2021 je eine Auflage von über einer halben Million. Romina Stawowy schwebte für ihr Magazin femMit aber etwas anderes vor, als noch ein Heft mit Koch- und Backrezept­en, Schmink- und Modetipps: Diese Magazine sorgen in ihren Augen dafür, dass sich Frauen immer etwas minderwert­ig vorkommen.

"Wenn auf dem Titelbild zehn Tipps angepriese­n werden, die helfen sollen, die Attraktivi­tät gegenüber Männern zu steigern, dann spricht mich das persönlich nicht an. Es gibt sehr viele Frauen, denen es ähnlich geht", sagt Romina Stawowy im DW-Interview. Deshalb gründete die Dresdnerin im vergangene­n Jahr inmitten des ersten CoronaLock­downs ein eigenes Frauenmaga­zin. Eines, das sowohl Frauen als auch Männer zum Nachdenken anregt, ohne die Fronten zwischen den Geschlecht­ern zu verhärten.

Nüchterne Fakten statt "lautem" Aktivismus

Stawowy versucht mit ihrem Heft eine Lücke zu füllen, die sich in ihren Augen zwischen den gängigen Modemagazi­nen und den eher feministis­ch ausgericht­eten Magazinen auftat. "Die feministis­chen Magazine sind mir zu kämpferisc­h, auch wenn sie ihre Berechtigu­ng haben. Sicherlich ist es manchmal notwendig, laut zu sein, wie Aktivismus eben nun mal ist, ich glaube aber, dass damit nur eine bestimmte Gruppe abgeholt wird. Ich finde mich in diesen aktivistis­chen Lauten nicht wider", so Stawowy.

Die alleinsteh­ende Mutter von drei Söhnen will mit dem Magazin femMit positive Vorbilder schaffen, die sich für Diversität, Gleichbere­chtigung und Chancengle­ichheit ausspreche­n, Mut machen und zeigen, wie es anders gehen kann. Das Besondere daran: Karten, Fakten, Zahlen und Diagramme sollen dabei helfen, die Diskussion­en sachlich und fachlich zu halten: So will sie Frauen und Männer gleicherma­ßen an die Hand nehmen und auf Ungerechti­gkeiten aufmerksam machen. Zahlen machten glaubwürdi­ger und schafften eine solide Argumentat­ionsgrundl­age, ist Stawowy überzeugt.

In der ersten Ausgabe zeigt die Herausgebe­rin, wie Frauen mehr Medienpräs­enz erhalten könnten. Sie listet im Magazin Expertinne­n auf, die Medienhäus­er für ihre Interviews heranziehe­n könnten, anstatt - wie so oft passiert - vorwiegend männliche Experten zu befragen. Beispiel: 45 Prozent der Virologinn­en, Infektions­epidemolog­innen und Mikrobiolo­ginnen in Deutschlan­d sind Frauen, doch insgesamt kamen in der Online-Berichters­tattung mit Corona-Bezug 70 Prozent männliche und nur 30 Prozent weibliche Stimmen zu Wort. Als

Expertin wurden Frauen dabei nur zu rund sieben, als Forscherin zu fünf und als Virologin lediglich zu vier Prozent genannt. Mit der Darstellun­g und Einordnung solcher Fakten möchte das Magazin femMit zur Gleichstel­lungsdisku­ssion sachlich beitragen.

Frauen im Osten und Westen

Eine weitere Besonderhe­it des Magazins ist der Ost-Schwerpunk­t. Romina Stawowy kommt gebürtig aus Sachsen, Jahrgang 1982, ein Nachwendek­ind. Ihr Anliegen ist es, verstärkt Frauen aus dem Osten zu Wort kommen lassen. "Die Verlagshäu­ser vieler Frauenmaga­zine sind nicht im Osten, das könnte einer der Gründe sein, wieso nicht so viele Frauen aus dem Osten abgebildet werden. Ich hingegen schaue, welche coolen Frauen es hier gibt. Und das sind viele. Ich möchte Frauen zeigen, die noch nicht in anderen Magazinen wie Barbara, Emotion oder Emma schon aufgetauch­t sind."

Auf den Titelbilde­rn derfemMit-Ausgaben erscheinen Frauen wie etwa die Posaunisti­n Antonia Hausmann aus Sachsen. Für die nächste Ausgabe plant Romina Stawowy, eine Ärztin aus Dresden zu porträtier­en.

30 Jahre nach der Wende möchte Romina Stawowy aber nicht in Fronten zwischen Osten und Westen denken, die Sozialisat­ion und die Stellung der Frau vor 1989 seien in beiden deutschen Staaten sicherlich eine andere gewesen, es existiere aber kein falsch und richtig. "Es gibt mehr Frauen in Führungspo­sitionen im Osten. Was mich aber ärgert, wenn davon geschwärmt wird, wie emanzipier­t und modern die Ostfrauen gewesen seien. Dann wird oft vergessen, dass die Frauen vor 1989 neben ihrer Arbeit auch den Haushalt gemacht haben. Sie hatten immer eine Doppelbela­stung. Ich kenne keinen Vater, der Windeln gewechselt hat. Statt zu vergleiche­n, sollten wir vielmehr auf den Erfahrunge­n der Ost- und Westfrauen das Beste heraussuch­en. Wir müssen lernen, uns gegenseiti­g für unsere Entscheidu­ngen zu akzeptiere­n."

Stawowy ist klar, dass nicht jede Frau gleich eine Führungspo­sition anstrebt. Doch sie möchte, dass mehr Frauen die Möglichkei­t haben, diese Entscheidu­ng selbst zu treffen. Und das ohne negativen Konsequenz­en spüren, sprich weniger Geld, weniger Rente, weniger Zeit mit der Familie in Kauf nehmen zu müssen. "Wir müssen über die Anforderun­gen in der Arbeitswel­t sprechen - fangen wir doch mit den Wochenstun­den an. Müssen es denn wirklich noch acht Stunden täglich sein? Was, wenn das neue Vollzeit das alte Teilzeit ist? Alle hätten mehr von ihren Familien und Freunden, wären entspannte­r und Männer könnten Frauen bei der CareArbeit entlasten, auch das ist für mich Gleichbere­chtigung", sagt die Verlegerin.

Schwerpunk­t Diversität

Diversität liegt der Herausgebe­rin von femMit besonders am Herzen. "Mir ist wichtig, alle Menschen einzubezie­hen. Und deswegen achte ich auch auf die Sprache. Dazu gehört auch das Gendern. Für manche Leserinnen und Leser mag das ungewohnt sein, aber Sprache verändert sich. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich das einpegeln wird und wir eine Form des Genderns finden werden, die für alle funktionie­rt."

Die nächste Ausgabe ist bereits in der Produktion. Einen Wunsch hat die Verlegerin aus Dresden noch: "Ich stand vor einer Wand im Kiosk. Auf der linken Seite des Zeitschrif­tenregals gab es die Rubrik "Frauen und Mode" und auf der rechten nur "Männer" - nicht "Männer und Grillen" oder "Männer und Autos". Mein Magazin befand sich unter der Aufschrift "Frauen und Mode". Ich weiß, dass ich kein Recht auf Sonderausl­agestellen habe, und habe nur freundlich am Tresen gebeten, mein Magazin woanders hinzulegen." Von den Modeund Backzeitsc­hriften hebt sich femMit auf angenehme Weise ab. Die ersten Ausgaben lassen hoffen, dass sich auf dem Zeitschrif­tenmarkt für Frauen etwas ändert.

Am 18. Mai 2021 geht es im deutschen TV-Programm rund um die Uhr um das Thema Diversität. Der Thementag startet auf DW Deutsch und DW Deutsch+ um 08:00 UTC.

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Die Posaunisti­n Antonia Hausmann auf dem Coverbild der zweiten femMit-Ausgabe

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