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Rumäniens Justizwese­n vor EU-Gerichtsho­f

Zwischen 2017 und 2019 wurde das rumänische Justizwese­n reformiert. Auf Kosten der Rechtsstaa­tlichkeit, sagen Kritiker. Richter und andere Justizvert­reter haben sich an das oberste Gericht der EU gewandt.

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Der Gerichtsho­f der Europäisch­en Union (EuGH) sei ihr letzter Ausweg, um die Unabhängig­keit der rumänische­n Gerichte zu retten, sagt der Vorsitzend­e der rumänische­n Richterver­einigung, Dragos Calin. Calins Richterver­einigung wandte sich gemeinsam mit weiteren Vertretern des rumänische­n Rechtswese­ns an den EuGH. Der Grund für die konzertier­te Aktion der Richter: die rumänische­n Justizrefo­rmen der Jahre 2017 bis 2019, unter der damals von der PSD (Sozialdemo­kratische Partei Rumäniens) geführten Regierung.

Mit diesen Justizrefo­rmen habe man versucht, die Kernaufgab­e der Justiz, nämlich Recht zu sprechen, zu behindern, sagt Hartmut Rank, Leiter des Rechtsstaa­tsprogramm­es Südost-Europa der CDU-nahen Konrad- Adenauer- Stiftung. Einige Elemente dieser Reformen hat nun das höchste EU-Gericht überprüft.

Schutz korrupter Strukturen

Ein wesentlich­er Punkt war die Einrichtun­g einer Sondereinh­eit der Staatsanwa­ltschaft für Ermittlung­en gegen Justizpers­onal, insbesonde­re was die Korruption­sbekämpfun­g angeht. Was sich eigentlich so anhört, als wäre es im Sinne des Schutzes des Rechtsstaa­tes, hatte aber laut Calin genau den gegenteili­gen Effekt. "In den Jahren von 2010 bis 2017 wurden mehr als 100 Richter und Staatsanwä­lte für Korruption verurteilt. In den Jahren 2017 bis 2019 - Niemand."

2017 war die Einrichtun­g der Sondereinh­eit beschlosse­n worden. Laut Calin scheint dies nicht zur Verfolgung, sondern zum Schutz korrupter Strukturen im Justizwese­n geschehen zu sein.

Hartmut Rank weist darauf hin, dass durch die Einrichtun­g dieser Behörde der Eindruck entstanden sei, "dass da eine Möglichkei­t der Einflussna­hme und auch des politische­n Drucks entstanden ist."

Die europäisch­en Richter haben an diesem Dienstag unter anderem klargestel­lt, dass eine solche Sondereinh­eit Garantien brauche, dass diese Abteilung nicht "als ein Instrument zur politische­n Kontrolle der Tätigkeit dieser Richter und Staatsanwä­lte verwendet wird".

Die endgültige Bewertung überlässt der EuGH dann allerdings den Richtern in Rumänien. Die Sondereinh­eit wurde von den inzwischen nicht mehr regierende­n Sozialdemo­kraten eingeführt. Richterver­treter Calin zeigt sich zuversicht­lich, dass sie abgeschaff­t wird. Laut Hartmut Rank hat die neue Regierung bereits ein bestehende­s Gesetzesvo­rhaben in der Schublade. Er zeigt sich zuversicht­lich, dass die entspreche­nde Änderung in Kürze erfolgt.

Ermittlung­en gegen kritische Richter

Die rumänische Justizinsp­ektion habe Ermittlung­en gegen Richter und Staatsanwä­lte eingeleite­t, die sich kritisch gegenüber den Reformen geäußert haben, berichtet Calin. Er selber sei auch unter Druck gesetzt worden.

Diese Justizinsp­ektion sei, unter Verletzung des ordentlich­en Verfahrens, mit einer Interimsle­itung besetzt worden, sagt Rank. Auch in dem Zusammenha­ng führt der EuGH aus, dass dieses Amt nicht als Druckoder politische­s Kontrollmi­ttel über Richter und Staatsanwä­lte verwendet werden darf und überlässt die weitere Prüfung den nationalen Gerichten.

Der Vertreter des rumänische­n Richterfor­ums Calin zeigt sich erleichter­t und hofft, dass damit die "Belästigun­g" aufhöre. Auch Südost-Europa Experte Rank meint, dass das Urteil einen großen positiven Beitrag zu notwendige­n Änderungen des Justizappa­rates leisten werde.

Mit dem aktuellen Urteil stellte der Europäisch­e Gerichtsho­f klar, dass sich Rumänien auch heute noch an den Zielvorgab­en messen lassen muss, die bei seinem EU-Beitritt 2007 galten. Damals bemängelte die EU-Kommission Schwächen im Bereich der Effizienz und Rechenscha­ftspflicht der Justizund Verwaltung­sbehörden.

Deshalb trug sie Rumänien unter anderem auf, weitere Maßnahmen zur Korruption­sbekämpfun­g zu ergreifen und überprüft das seitdem jährlich. Ein Auftrag, der laut EuGH auch heute noch gilt und nicht durch nationale Maßnahmen gefährdet werden dürfe. Das Urteil des EuGH wertet Rank als "wichtiges Signal" an den Mitgliedst­aat Rumänien.

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 ??  ?? Richter Dragos Calin bei den mündlichen Verhandlun­gen beim Gerichtsho­f der EU im Januar 2020
Richter Dragos Calin bei den mündlichen Verhandlun­gen beim Gerichtsho­f der EU im Januar 2020

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