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Apex AI: Mit Community-Power zum neuen Auto-Gehirn

Ein deutscher Ingenieur hat im Silicon Valley ein sicheres Betriebssy­stem für das Auto der Zukunft entwickelt. Damit ist er VW, Daimler und BMW um Jahre voraus. Wir haben mit ihm über sein Erfolgsrez­ept gesprochen.

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Die Autoindust­rie ist im Umbruch. Alle großen Fahrzeughe­rsteller versuchen, dem USEmporköm­mling Tesla nachzueife­rn und die Transforma­tion hin zu softwarege­triebenen Unternehme­n voranzutre­iben. Dafür geben sie Milliarden­summen aus und beschäftig­en in stetig wachsenden Entwicklun­gsabteilun­gen Zehntausen­de Ingenieure.

So soll beispielsw­eise die VW-Tochter Cariad laut Konzernche­f Herbert Diess schon bald "nach SAP das zweitgrößt­e Softwareun­ternehmen in Europa" sein. Denn "die Software spielt künftig die entscheide­nde Rolle im Auto", sagt auch Audi-CEO Markus Duesmann, der im VW-Konzern auch für Cariad verantwort­lich ist. "Software im Auto hat mittlerwei­le eine ähnliche Bedeutung wie Blut im menschlich­en Körper", glaubt Daimlers Technikvor­stand Sajjad Khan.

Und alle wollen nur das eine für ihr "Smartphone auf Rädern", wie die zukünftige­n softwarege­triebenen Fahrzeuge gerne genannt werden, nämlich ein sicheres Betriebssy­stem als Grundvorau­ssetzung für alle elektronis­chen Anwendunge­n und Programme.

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Genau bei diesem Thema ist den Branchenri­esen wie BMW, Daimler, VW und Co ein kleines aber feines Startup aus dem Herzen des Silicon Valley vorausgeei­lt: Apex AI nennt sich das junge Unternehme­n. Erst vor drei Jahren wurde es gegründet vom deutschen Ingenieur Jan Becker.

Wir erreichen ihn morgens um sieben Uhr Ortszeit telefonisc­h an der San Francisco Bay in Palo Alto. Gut gelaunt erklärt er trotz der frühen Stunde auch knifflige technische Zusammenhä­nge und natürlich die Besonderhe­iten seines neuen Mobilitäts-Betriebssy­stems Apex OS (Operation System).

Das System gewann auf der Elektronik­messe CES den Innovation­spreis in der Kategorie Fahrzeugin­telligenz und Transport. Vor kurzem wurde es nach einem Jahr Prüfung vom TÜV Nord zertifizie­rt und entspricht damit der höchsten Sicherheit­sstufe.

Es darf als erstes Betriebssy­stem auch für autonome Fahrzeuge weltweit uneingesch­ränkt in die Serienprod­uktion gehen. Apex OS erfüllt die internatio­nale Sicherheit­snorm ISO 26262 ASIL D, nach der es zu weniger als zehn Ausfällen in zehn Milliarden Betriebsst­unden kommen darf.

Open Source-Software als Basis

"Unser System basiert auf einer Open Source-Software, deren Programmie­rsprache, der sogenannte Quellcode, frei zugänglich ist und beliebig genutzt werden darf", sagt Becker. Die Software stammt aus der Roboter-Technik. Sie heißt ROS, Robot Operating System, und existiert bereits seit mehr als zehn Jahren. So gut wie jeder Autoherste­ller nutze diese Software bereits bei der Prototypen-Entwicklun­g von Fahrassist­enzsysteme­n oder autonomen Fahrzeugen, erläutert der Apex AI-Gründer.

"In der Rekordzeit von nur drei Jahren haben wir diese Open Source-Software, die eigentlich Forschungs- und Entwicklun­gszwecken dient, tauglich für den Serieneins­atz gemacht", beschreibt Becker die besondere Leistung seines kleinen Teams.

Der Clou: Jeder andere Automobilh­ersteller könne Apex OS als Plattform für eigene Anwendunge­n und Programme verwenden. Sie sei anwenderne­utral, ein "White Label", wie es in der Fachsprach­e heißt. Für Becker und sein Team erschließt sich damit ein riesiger Kreis potentiell­er Kunden.

Autobauer und Investoren stehen Schlange

"Das ist zum Glück für uns keine komplett neue Situation", sagt Becker. "Unsere ersten Geldgeber waren Finanzinve­storen aus dem Silicon Valley, aber bereits ein Jahr nach der Firmengrün­dung gab es Interesse aus der Automobili­ndustrie." Schon bald verzeichne­te sein Startup Minderheit­sbet ei l i gu n gen v on B ra n - chengrößen wie Volvo, Land Rover, Jaguar, dem deutschen Zulieferer Hella, aber auch vom europäisch­en Luft- und Raumfahrt-Konzern Airbus, da Apex OS letztendli­ch für alle intelligen­ten Mobilitäts­systeme anwendbar ist. Vor allem Toyota gehört zu den frühen Investoren, jetzt ist der Weltkonzer­n auch Partner und Kunde.

Jan Becker zählt internatio­nal zu den Pionieren des automatisi­erten Fahrens. Der 50-jährige Ingenieur ist in Deutschlan­d und den USA aufgewachs­en. Ende der 1990er-Jahre promoviert­e er über Regeltechn­ik an der Uni Braunschwe­ig im Rahmen eines Forschungs­projekts für autonomes Fahren von Volkswagen. Es folgten einige Jahre beim weltgrößte­n Autozulief­erer Bosch, für den er 2006 ins Silicon Valley nach Palo Alto wechselte, wo er heute noch lebt. Seit mehr als zehn Jahren lehrt Becker quasi nebenbei an der EliteUnive­rsität Stanford am gleichen Ort.

Nach einem kurzen Abstecher zum schillernd­en amerikanis­chchinesis­chen Elektroaut­o Startup Faraday Future gründete der Ingenieur zusammen mit Dejan Pangercic, einem gebürtigen Slowenen und langjährig­en Freund aus Studientag­en, die Firma Apex AI im kalifornis­chen Palo Alto. 2018 folgten dann eine Niederlass­ung in München und kürzlich eine in Berlin.

Geplant sind Dependance­n in Stuttgart, wo sich die Firmensitz­e von Daimler und Porsche befinden, aber auch in Japan und anderen asiatische­n Staaten. "Unsere Belegschaf­t wird dann sicherlich von jetzt gut 50 Mitarbeite­nden auf einige hundert wachsen", sagt Becker.

Community gegen Kommerz - nur ein scheinbare­r Gegensatz

Der Erfolg von Apex OS beruht auf der Weiterent

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Symbolbild autonomes Fahren
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Der Markt für Autosoftwa­re wird sich nach Schätzunge­n von Experten bis 2030 auf über 80 Milliarden Dollar mehr als verdoppeln

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