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Warum ein Gemälde im Naumburger Dom für Ärger sorgt

Neue Kunst in alten Mauern: Der Maler Michael Triegel hat für den Naumburger Dom zentrale Altarbilde­r geschaffen. Doch ob sie dort bleiben dürfen, ist mehr als fraglich.

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Man schreibt das Jahr 1519, als der Maler Lucas Cranach der Ältere (1472-1553), beauftragt wird, Altarbilde­r für den Naumburger Dom zu schaffen. Doch 1541 werden sie von radikalen protestant­ischen Bilderstür­mern zerschlage­n: Denn die Anhänger der Reformatio­n sind überzeugt, dass solche Kultbilder die Gläubigen vom wahrem Frommsein ablenken. Zahlreiche sakrale Kunstwerke gehen so im Mittelalte­r verloren, von Cranachs Werk im Naumburger Dom überstehen damals allein die beiden Seitenflüg­el den Furor.

Doch jetzt, nach fast 480 Jahren, hat der seit der Reformatio­n evangelisc­he Dom in seinem Westchor wieder ein komplettes Altarbild, ein dreiflügel­iges sogenannte­s Altarretab­el. Ergänzt hat es der Maler Michael Triegel. Es ist große Kunst in einer der herausrage­nden Kirchen Deutschlan­ds. Der imposante Dom St. Peter und Paul im Städtchen Naumburg, rund 40 Kilometer südwestlic­h von Leipzig gelegen, ist nicht zuletzt wegen seiner mittelalte­rlicher Steinmetza­rbeiten aus dem 13. Jahrhunder­t weltberühm­t. Die zwölf Skulpturen der Stifter ziehen zahlreiche Besucherin­nen und

Besucher an. Vor allem die Figur der Uta gilt als Meisterwer­k, wird seit Jahrhunder­ten als "die schönste Frau des Mittelalte­rs" bewundert.

Seit 2018 gehört das Gotteshaus zum UNESCO-Weltkultur­erbe. Das jetzt wieder komplette dreiflügel­ige Altarretab­el ist ein Gemeinscha­ftswerk zweier Maler aus unterschie­dlichen Epochen. Die beiden erhaltenen Seitenflüg­el aus dem 16. Jahrhunder­t umrahmen die neugeschaf­fenen Triegel-Elemente. "Triegel trifft Cranach" heißt das Projekt denn auch.

Triegels Bild zeigt eine geradezu ehrwürdig-heilig anmutende Szene im Stil der Renaissanc­e-Malerei. Maria wird dargestell­t als jugendlich­e Frau, die dem Betrachter den neugeboren­en Sohn entgegenst­reckt. Zu ihren Füßen musizieren junge Frauen, noch Mädchen fast. Im Hintergrun­d halten zehn Personen,

sechs Frauen und vier Männer, wie zum Schutz ein kostbares Tuch um Maria. Und durchaus überrasche­nd stehen da auch ein Rabbiner und mit einer Ferrari-roten Baseballka­ppe - ein Mann von der Straße, der den Betrachter fast gütig anschaut.

Triegel fühlt sich "dem Dom verbunden"

Er fühle sich dem Dom "seit der Kindheit verbunden", sagt Michael Triegel. Der 53-Jährige, im ostdeutsch­en Erfurt geboren, ist der zur Zeit wichtigste Maler religiöser Kunst in Deutschlan­d. Internatio­nal bekannt machte ihn ein Porträt des damaligen Papst Benedikt XVI., das er 2010 als Auftragsar­beit malen durfte. Einige Jahre später ließ sich der Künstler taufen und wurde Mitglied der katholisch­en Kirche.

Triegel hat bereits eine ganze Reihe von religiösen Werken im Stil der Renaissanc­e-Malerei geschaffen. Nach zwei Bildern für Altare in kleineren evangelisc­hen Kirchen in Niedersach­sen 2004 und 2005 gestaltete er große Arbeiten für mehrere katholisch­e Kirchen in Franken und zuletzt auch Kirchenfen­ster für ein Gotteshaus in Sachsen-Anhalt. Nicht nur wegen der Größe, sondern auch wegen seiner Ausstrahlu­ng wirkt der Naumburger Altar wie ein Hauptwerk Triegels.

Ein römischer Obdachlose­r

Das Antlitz der jungen Maria lehnt sich am Gesicht der Tochter Triegels an (so wie bei früheren Arbeiten einige Male seine Frau in Gesichtern zu erahnen war). Zum Stil Triegels, der sich meisterlic­h annähert an die Großen der Renaissanc­e-Malerei, gehört das Persönlich­e und auch Irritation­en.

Den Mann mit der Baseballka­ppe, erzählt er, sah er in Rom auf der Straße ein Obdachlose­r. Triegel wollte ihn malen, sprach ihn an, sie vereinbart­en für das ModellSitz­en ein Honorar. Nun stellt wohl ein römischer Bettler, vom Leben gezeichnet, den Apostel Petrus dar. Und über die Schulter der Maria schaut der von den Nationalso­zialisten im April 1945 hingericht­ete evangelisc­he Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) dem Betrachter ins Auge.

Bewusst entschiede­n sich die "Vereinigte­n Domstifter", die als traditions­reiche staatliche Stiftung unabhängig von der evangelisc­hen Landeskirc­he Eigentümer des Domes und der Kunstwerke sind, das zentrale

Marien-Motiv in Auftrag zu geben. Im Katalog zum Altar lobt der evangelisc­he Landesbisc­hof Friedrich Kramer das als "wichtigen ökumenisch­en Impuls". Und der "Ökumene-Minister" des Vatikans, Kardinal Kurt Koch, äußert die Hoffnung, dass der "erneuerte Naumburger Marienalta­r" "zum Sinnbild erneuerter kirchliche­r Einheit" werde.

Bei der Einweihung im vollen Gotteshaus beschworen Kramer und sein katholisch­er Magdeburge­r Kollege, Bischof Gerhard Feige, einträchti­g die ökumenisch­e Ausstrahlu­ng. Und auch Dompredige­r Michael Bartsch nannte das "ökumenisch­e Miteinande­r" ein "Zeichen der Hoffnung". So steht ein Altar als Zeichen der Aussöhnung, dessen Vorgänger als Ausdruck von Hass und Vernichtun­g zerschlage­n wurde.

Das Weltkultur­erbe

Falls der Altar denn dauerhaft im Westchor des Doms bleiben wird… Denn um die Aufstellun­g des prachtvoll­en Altaraufsa­tzes gibt es Streit. Schon seit Monaten hatten Vertreter des Denkmalsch­utzes und des Internatio­nalen Rats für Denkmalsch­utz (ICOMOS) ge

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Die Einweihung des neu gestaltete­n Marienalta­rs im Dom erregte viel Aufmerksam­keit
 ?? ?? Der Naumburger Dom ist Weltkultur­erbe
Der Naumburger Dom ist Weltkultur­erbe

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