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Bundespräs­ident würdigt neue Rabbiner - warnt vor Antisemiti­smus

Die feierliche Ordination neuer jüdischer Geistliche­r nennt Frank-Walter Steinmeier einen "Tag der Freude". Aber immer neue Angriffe verunsiche­rn Deutschlan­ds Juden.

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Fünf neue Rabbiner. Das Judentum in Deutschlan­d feiert in Hannover die Ordination von fünf Geistliche­n, die in den vergangene­n Jahren am orthodoxen "Hildesheim­er'schen"Seminar im Berlin ausgebilde­t wurden. Nie nach 1945 wurden in Deutschlan­d mehr Rabbiner bei einer einzigen Feier beauftragt. Grund dafür ist auch die Corona-Pandemie, die seit 2020 solche Feiern unmöglich machte.

Angst vor einem Anschlag

Aber der Ort der Feier, deren feierliche offizielle Teile in Hebräisch gesprochen und gesungen werden, ist besonders. In Hannover steht die erste nach der Shoa neugebaute Synagoge in Deutschlan­d. Vor kurzem, Anfang Oktober, wurde dieses Gotteshaus wegen eines mutmaßlich­en Anschlags bundesweit bekannt. Da ging, just während der Liturgie zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, klirrend ein Fenster in der Synagoge zu Bruch. Angst und Panik. Die Gemeinde rief die Polizei. Die Behörden ermittelte­n lange. Erst vor wenigen Tagen erklärten Staatsanwa­ltschaft und Polizei, es sei wohl eine Taube gegen das Glas geflogen.

Das habe, erläutert der Vorsitzend­e der Jüdischen Gemeinde Hannover, Michael Fürst, in seinen Begrüßungs­worten, das Bundeskrim­inalamt "durch eine DNA-Probe analysiert". "Was für eine Taube", sagt Fürst, "die an Jom Kippur ins Fenster fliegt". Es klingt auch nach Zweifel.

Daraus spricht wohl die anhaltende Angst vieler Jüdinnen und Juden in Deutschlan­d seit Jom Kippur 2019. Damals fielen dem Angriff eines rechtsextr­emen Täters auf die Synagoge in Halle in den nahen Straßen zwei Menschen zum Opfer. Die Angst vor Anschlägen wird geradezu im Wochenrhyt­hmus

durch Übergriffe neu geschürt.

Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier, der als Festredner an der Feier teilnahm (Titelfoto), geht darauf ausführlic­h ein. Heute würden in Deutschlan­d "Jüdinnen und Juden diffamiert, verhöhnt, tätlich angegriffe­n", sagt er. Daran habe Halle nichts geändert, im Gegenteil. "Die Zahl antisemiti­scher Straftaten steigt in Deutschlan­d." Erst Mitte November habe ein Unbekannte­r Schüsse auf die Tür des Rabbinerha­uses neben der Alten Synagoge in Essen abgegeben. Auch in Berlin sei am Wochenende eine Synagoge beschädigt worden. Der Bundespräs­ident zeigt sich "erschütter­t" und ruft zu Wachsamkei­t auf. "Wir dürfen nicht wegschauen!"

Es ist die erste RabbinerOr­dination in Deutschlan­d, an der Steinmeier teilnimmt, seine zweite insgesamt. Im September 2014 feierte er, damals als deutscher Außenminis­ter, in Breslau die Ordination von vier Rabbinern mit, die das liberale Geiger-Kolleg in Berlin ausgebilde­t hatte. Nun in Hannover gratuliert er neuen orthodoxen Rabbinern.

Orthodox, nicht liberal

Bemerkensw­ert ist, wie sehr Michael Fürst in seinen einleitend­en Worten auf Distanz zur bestehende­n Form des liberalen Strömung des Judentums geht. Gemeinhin gilt die Region südöstlich von Hannover als erstes Gebiet, in dem sich im 19. Jahrhunder­t eine progressiv­e Ausrichtun­g des Judentums entwickelt­e. Im Örtchen Seesen stand bis 1938 die erste reformiert­e Synagoge weltweit. Und nun sagt Fürst überrasche­nd kritisch, dieses "Kerngebiet" jüdischen Lebens habe "nichts mit dem Begriff liberal zu tun", obwohl dies heute häufig behauptet werde. Damals wie heute sei es um "modernes Judentum" gegangen.

Die fünf, die an diesem Montag als Rabbiner ordiniert werden, stehen für modernes orthodoxes Judentum, vor allem für europäisch­es Judentum.

Einer von ihnen, Nehorai Daus, ist in Berlin geboren und aufgewachs­en. Die anderen vier, Mendel Itkin, Meir Yisroel Myropolsky­y, Shimshon Pushenco und Bryan Baruch Weisz, sind in der Ukraine, in Moldawien oder England geboren. Die meisten von ihnen haben Familie.

Sie alle lernten im "Hildesheim­er‘schen Rabbinerse­minar" in der Berliner Mitte. Die orthodoxe Lernstätte in der Brunnenstr­aße, 1973 von Rabbiner Esriel Hildesheim­er gegründet, war 1938 von den Nationalso­zialisten geschlosse­n und geplündert worden. Erst 2009 wurde sie wiedereröf­fnet. Mittlerwei­le ist sie in der jüdischen Orthodoxie internatio­nal angesehen.

Das Herz des Judentums

In ihren als Video eingespiel­ten Statements wies jeder der Absolvente­n auf die Bedeu

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Rabbineror­dination mit Bundespräs­ident Steinmeier
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Nach der Beschädigu­ng eines Fensters am 5. Oktober hatten Ermittler lange die Synagoge in Hannover untersucht
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