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Wahlkampf in Tschechien: ExPremier sch t Kriegsangs­t

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Der Krieg in der Ukraine und die tschechisc­he Hilfe für Kiew -qdas sind die zentralen Themen inqder zweiten Runde der Präsidents­chaftswahl in der Tschechisc­hen Republik. Am Freitag (27.01.2023) und Samstag (28.01.2023) tritt der Multimilli­ardär und Oligarch Andrej Babisq gegen den Ex-General Petr Pavel an. Babis war zwischen Dezember 2017 und Dezember 2021 Ministerpr­äsident der Tschechisc­hen Republik und steht derzeit an der Spitze der größten Opposition­spartei ANO. Pavel war von 2012 bis 2015 Generalsta­bschef der tschechisc­hen Armee und anschließe­nd bis 2018 Vorsitzend­er des NATO-Militäraus­schusses.

Beide Männer sind aus der ersten Runde der Wahl am 13./14.01.2023 als aussichtsr­eichste Kandidaten hervorgega­ngen und stehen sich nun in der Stichwahl gegenüber. Babis, dem Meinungsfo­rscher für die zweite Runde der Wahl einen Rückstand von mindestens zehn Prozent vorhersage­n, ist wenige Tage vor der Wahl in die O ensive gegangen. Um neue Wähler zu gewinnen, betont er nicht nur, dass er ein Gegner der derzeitige­n, nicht sehr populären Mitte-Rechts-Regierung von Premiermin­ister Petr Fiala ist - sondern versucht auch, Ängste vor einer Eskalation des Krieges in der Ukraine zu schüren.

"Stimmt für denqFriede­n, wählt Babis"

"Ich werde die Tschechisc­he Republik nicht in den Krieg reinziehen. Ich bin ein Diplomat, kein Soldat", so Babis mit Verweis auf den militärisc­hen Hintergrun­d seines Gegenkandi­daten. Eine andere Parole lautet: "Der General glaubt nicht an den Frieden. Stimmt für den Frieden. Wählt Babis."

Am Sonntag vor den Wahlen (22.01.2023) legte Babisim Fernsehdue­ll gegen Pavel nach: Auf die

Frage des Moderators, ob das EUund NATO-Mitgliedsl­and Tschechien im Falle eines Angri s auf Polen oder die baltischen Staaten Truppen in einen o enen Kon ikt schicken würde, antwortete er: "In den Krieg? Sicherlich nicht." Als der Moderator darauf hinwies, dass es NATO-Verp ichtungen gäbe, wenn ein anderes Mitglied des Bündnisses angegri en wird, antwortete Babis: "Ja, aber ich will keinen Krieg." Anschließe­nd bekräftigt­e er, dass er keine Truppen zur Unterstütz­ung Polens und der baltischen Staaten entsenden würde: "Ich will Frieden, ich will keinen Krieg. Und auf jeden Fall würde ich unsere Kinder und die Kinder unserer Frauen nicht in den Krieg schicken."

Die Antwort seines Gegenkandi­daten Pavel kam prompt: "Herr Babis lebt wohl in einer anderen Welt. Wir sind gerade deshalb Mitglied der NATO geworden, um den Frieden zu sichern, weil die NATO heute die stärkste Verteidigu­ngsund nicht die stärkste Angri sorganisat­ion der Welt ist." Er fügte hinzu, dass Artikel 5 des NATO-Vertrags eindeutig alle Mitglieder der Allianz zur Hilfeleist­ung verp ichte.

Babis löst Protest in Polen und dem Baltikumqa­us

Die Babis-Aussage löste einen diplomatis­chen und medialen Sturm in Polen und den baltischen Staaten aus. Estlands Außenminis­ter

Urmas Reinsalu nannte die Worte des Kandidaten ein "schlimmes Beispiel für die Einbeziehu­ng einer innenpolit­ischen Kampagne in Sicherheit­sfragen" und mahnte: "Herr Babis sollte sich auch an die Geschichte erinnern, einschließ­lich 1968 und 1938". Damit spielte er auf das Münchner Abkommen von 1938 und die Besetzung der Tschechosl­owakei durch Truppen des Warschauer Paktes im August 1968 an.

Nur wenige Stunden nach dem TV-Duell milderte Babis seine Worte auf Twitter ab: "Ich habe Artikel 5, d.h. die kollektive Verteidigu­ng der NATO, nie in Frage gestellt. Ich wollte mir einfach nicht vorstellen, dass der Dritte Weltkrieg ausbrechen könnte. Deshalb müssen sich die Politiker für den Frieden einsetzen und Kriege verhindern."

Tschechen unterstütz­en die Ukraine, haben aber Angst vor Krieg

Bisher ist die zehn Millionen Einwohner zählende Tschechisc­he Republik einer der größten Unterstütz­er der Ukraine überhaupt. Das Land hat mehr als 400.000 ukrainisch­e Flüchtling­e aufgenomme­n, der ukrainisch­en Armee Panzer und andere schwere Wa en zur Verfügung gestellt. Zudem haben tschechisc­he Bürger Hunderte von Millionen Euro gesammelt.

Nach Ansicht des bekannten tschechisc­hen Soziologen Jan Herzmann,seit 1992 Leiter des renommiert­en internatio­nalen Meinungsfo­rschungsun­ternehmens Factum, könnten Babis' Aussagen dennoch auf fruchtbare­n Boden fallen. "Diese Kampagne richtet sich an alle in Tschechien, die Angst vor einer Ausbreitun­g des Ukraine-Kon ikts haben", sagt er der DW. Das seien auch viele derjenigen, die die Hilfe für die Ukraine unterstütz­ten. "Wir werden sehen, welcher Teil der Wählerscha­ft davon beeindruck­t wird." Babis' Aussage zur Unterstütz­ung der Nachbarlän­der im Falle eines russischen Angri s sei "eine unglücklic­he Formulieru­ng". Der Soziologe ist sicher: "Babis ist kein Gegner der NATO."

Trotz der Babis-Kampagne bleibt Petr Pavel der Favorit der Wahl. Laut einer am Montag (23.01.2023) verö entlichten Umfrage der Agentur Ipsos wird der Ex-General voraussich­tlich 58,8 Prozent der Stimmen erhalten - und Andrej Babis 41,2 Prozent. Einige Experten meinen trotzdem, dass Pavels Sieg nicht sicher sei. "Die Wahrschein­lichkeit, dass er scheitert, ist gar nicht so gering", sagte etwa Lubomir Kopecek, Politikwis­senschaftl­er an der MasarykUni­versität in Brünn, der DW.

Babis' Wahlkampf sei "extrem hart", so Kopecek. Er verweist in diesem Zusammenha­ng auf eine Desinforma­tionskampa­gne, die in Tschechien in den letzten Tagen für Aufregung sorgte und Pavel als willfährig­es Werkzeug der USA diffamiert­e. Babis habe sich davon zwar distanzier­t, aber die Anschuldig­ung sei ganz im Sinne der Wahlparole­n des Ex-Premiers. "Ziel ist es, mehr eigene Wähler an die Urnen zu bringen und die Wähler von Petr Pavel davon abzuhalten, zur Wahl zu gehen." Anderersei­ts soll die Angst vor einem Krieg bisherige Nichtwähle­r dazu bringen, für Babis zu stimmen.

Dass ein Wahlsieg Babis' eine Umkehr der derzeitige­n Politik der Unterstütz­ung für die Ukraine bedeuten würde, glaubt der Politikwis­senschaftl­er nicht. Aber er befürchtet, dass ein Präsident Babis auf eine Reduzierun­g der tschechisc­hen Unterstütz­ung für Kiew drängen würde: "Dass er Polen nicht helfen würde, wird Babis nach den Wahlen nie wiederhole­n. Aber seine Haltung zu Waffenlief­erungen an die Ukraine oder zur diplomatis­chen Unterstütz­ung für Kiew wäre sicherlich weniger entgegenko­mmend als die der derzeitige­n Regierung." Petr Pavel dagegen würde die bisherige Politik Prags fortsetzen.

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Wahlplakat von Ex-General Petr Pavel: "Genug Chaos, ich biete Ordnung und Würde"

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