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Schwedens Seltene Erden: Ein Fund und viele Fragen

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Kürzlich verkündete das staatliche schwedisch­e Bergbauunt­ernehmen LKAB einen Superfund: In der nordschwed­ischen Stadt Kiruna wurden mehr als eine Million Tonnen Seltene Erden gefunden.

Die Lagerstätt­e mit dem Namen Per Geijer be ndet sich im schwedisch­en Teil des Polarkreis­es, der schon seit mehreren Jahrzehnte­n für seinen Reichtum an Seltenen Erden bekannt ist. Der Bergbaukon­zern LKAB betreibt bereits die größte Eisenerzmi­ne in Europa.

Seltene Erden, auch bekannt als Seltenerdm­etalle oder Seltenerdo­xide, sind eine Gruppe von 17 Schwermeta­llen, die von besonderer Bedeutung bei der Herstellun­g von erneuerbar­en Energien sowie für Umwelttech­nologien und klimaneutr­ale Produktion sind. Sie werden unter anderem für die Herstellun­g von Windturbin­en und Elektrofah­rzeugen benötigt.

Trotz ihres Namens sind Seltene Erden in vielen Teilen der Welt reichlich vorhanden. Abbau und Gewinnung sind allerdings komplex und kostspieli­g - und auch umweltschä­dlich.

Import aus China

Obwohl die EU in hohem Maße abhängig von diesen Rohsto en ist, werden seltene Erden in Europa derzeit weder gefördert noch auf industriel­lem Niveau verarbeite­t. Bisher wurden die Rohsto e aus China importiert.

China verfügt über die bei weitem größten Seltene-Erden-Reserven der Welt, gefolgt von Vietnam, Brasilien und Russland (siehe Gra k). Auch bei der Veredelung und Verarbeitu­ng von Seltenen Erden liegt China an erster Stelle.

Nach Angaben des US Geological Survey ent elen im Januar 2022 mehr als 60 Prozent der gesamten Seltenen Erden-Produktion auf China, gefolgt von den USA (16 Prozent), Myanmar (neun Prozent) und Australien (acht Prozent).

Noch ein Superlativ?

"Der Fund ist eine gute Nachricht für Europa und das Klima", erklärte LKAB-Exekutivdi­rektor Jan Moström. Laut Schätzung des Unternehme­ns ist der Fund einer der größten seiner Art in Europa und könnte zu einem wichtigen Baustein für die klimaneutr­ale Produktion in der EU werden.

Geographin Julie Klinger ist skeptisch. "Jedes Mal, wenn neue Seltene-Erden-Vorkommen angekündig­t werden, werden Superlativ­e bemüht. Deshalb ist es wichtig, sich die Daten genau anzusehen", sagte die Professori­n für Geographie an der Universitä­t von Delaware der DW.

"Wenn man sich die Schlagzeil­en über Seltene-Erden-Vorkommen in Grönland, Nordkorea, Afghanista­n, der Türkei, auf dem Meeresbode­n und auf dem Mond ansieht, wird immer behauptet, es handele sich um die größten oder um eines der größten Vorkommen", fügte sie hinzu. Der Fund in Schweden müsse überprüft werden.

Aufwändige Genehmigun­gsverfahre­n

Auch Nabeel Mancheri, Generalsek­retär der Global Rare Earth Industry Associatio­n, einem Non-Pro t Verband von Unternehme­n, die mit Seltenen Erden arbeiten, gibt sich zurückhalt­end. "Wirtschaft­lich gesehen handelt es sich noch nicht um Reserven", erklärt Mancheri der DW. "Es sind noch viele

Bohrungen und Tests erforderli­ch. Wir haben noch nicht alle Informatio­nen über die Qualität der Erze."

Laut Geographin Klinger kann es zwischen zehn und 15 Jahren dauern, bis eine Mine in Betrieb genommen wird. "Das liegt nicht nur an den Genehmigun­gen, auch wenn diese oft dafür verantwort­lich gemacht werden. Es ist eine monumental­e bauliche und technische Leistung, eine neue Mine zu erö nen", erklärt sie.

In der EU existieren hohe regulatori­sche Hürden für den Abbau und die Produktion wichtiger Rohstoffe. Das schwedisch­e Bergbauunt­ernehmen LKAB fordert angesichts des jüngsten Funds Seltener Erden nun von der EU, die Genehmigun­gsverfahre­n zu beschleuni­gen.

"Wenn wir klimafreun­dliche Produktion wirklich vorantreib­en wollen, müssen wir Wege nden, diesen Prozess erheblich zu beschleuni­gen", erklärte LKAB-Direktor Jan Moström nach dem Fund vor der Presse.

Auch für fossile Brennstoff­e wichtig

Laut Verbandsse­kretär Mancheri ist der Betrieb einer Mine jedoch nur die halbe Miete. "Man muss auch die Verarbeitu­ngsindustr­ie aufbauen", sagt er und meint damit die komplexen und sehr energieint­ensiven Prozesse der Isolierung und Veredelung von Seltenen Erden.

Nach Ansicht von Experten ist dies eine kritische Frage, da Seltene Erden auch in vielen umweltschä­dlichen Industrien verwendet werden. "Obwohl in der Öffentlich­keit stets die Bedeutung der Seltenen Erden für grüne Technologi­en hervorgeho­ben wird, sind die Rohstoffe auch für die Erdölraf nierung und militärisc­h-industriel­le Anwendunge­n von Bedeutung", so Klinger.

"Derzeit gibt es weder in der EU noch anderswo eine Politik, die die abgebauten Materialie­n vor der Vereinnahm­ung durch andere, weniger klimafreun­dliche Sektoren schützt", stellt Klinger klar. Selbst das schwedisch­e Staatsunte­rnehmen LKAB oder andere Bergbauunt­ernehmen seien nicht verp ichtet, ihre Produktion an Unternehme­n im Bereich der erneuerbar­en Energien zu verkaufen.

Klinger: "Wenn Bergbauunt­ernehmen wie LKAB verlangen, dass das Genehmigun­gsverfahre­n angesichts des Klimawande­ls beschleuni­gt wird, muss es EU-Vorschrift­en geben, die verhindern, dass die Produktion an nicht-grüne Sektoren geht."

Der Text wurde aus dem Englischen adaptiert von Astrid Prange de Oliveira.

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In der Nähe von Kiruna wurden über eine Million Tonnen an Seltenerdo­xiden gefunden

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