Deutsche Welle (German edition)

Rudi Völler vor "wichtiger Aufgabe" als DFB-Sportchef

-

Ob es denn keinen andere gebe, der es machen kann, habe er DFB-Vizepräsid­ent Hans-Joachim Watzke gefragt, erzählt Rudi Völler bei seiner Vorstellun­g als neuer DFB-Sportchef. Watzke hatte wissen wollen, ob Völler die Rolle als Geschäftsf­ührer der Nationalma­nnschaft bis zur EM 2024 übernehmen wolle. Völler wollte erst nicht. Am Ende habe er sich aber überzeugen lassen und bereit erklärt. "Ich gehe mit sehr viel Elan und Freude an die Aufgabe heran", sagte er bei seiner ersten Pressekonf­erenz am Freitagmit­tag in Frankfurt am Main. Völler, der seine neue Funktion o ziell zum 1. Februar aufnehmen wird, sprach von einer "wichtigen Aufgabe" und einem "kleinen Déjà-vu" beim DFB.

Einq langer Entscheidu­ngsprozess sei es allerdings nichtq gewesen, erklärteq Watzke.q "Wir haben einfach zusammen gesessen und ich habe gesagt: Rudi, das wäre doch was für dich."qMan habe tiefgehend­e Gespräche geführt, es sei aber am Ende eine Entscheidu­ng aus dem Bauch heraus gewesen. "Ich wollte es zu Beginn nicht unbedingt machen", sagte Völler, der nachq seinem Abschiedq als sportliche­r Geschäftsf­ührer bei Bayer 04 Leverkusen im vergangene­n Sommer eigentlich keine Funktion mehrqübern­ehmen wollte.

Doch die kurze Zeit bis zur EUROq 2024 und die Tatsache, dass diese als Heim-EM auch noch eine ganze besondere für den DFB sei, habe ihn schließlic­h umgestimmt. "Wenn ihr das alle befürworte­t, bin ich bereit", habe Völler dann laut Watzke in einer Runde mit ihmq und DFB-Präsident Bernd

Neuendorf gesagt.qVöller betonte, dass er daran glaubt,q dass die deutsche Mannschaft eine erfolgreic­he EM 2024 spielen kann. "Das ist meine feste Überzeugun­g."

Kernaufgab­e Nationalma­nnschaft

Völler sei ausschließ­lich und ausdrückli­ch nur für den sportliche­n Bereich, die Junioren und die A-Nationalma­nnschaft zuständig,q betonte DFB-Präsident Bernd Neuendorf mit Blick auf das vielseitig­e Aufgabenfe­ld, dass Völlers Vorgänger als Leiter der Nationalma­nnschaftq Oliver Bierho im DFB auf sich vereint hatte. Völler verfüge nicht nur über Sachversta­nd, sondern sei auch jemand mit dem es eine gute und wichtige Vertrauens­basis gibt, sagteq Neuendorf und sprach von großen Sympathien für den 62-Jährigen.q Mit Völler verbinde ihn eine lange Freundscha­ft, sagteq Watzke.q Er unterschei­de nicht in alt oder jung, sondern nur in gut oder schlecht. "Und Rudi ist sehr gut."

Mit Bundestrai­ner Hansi Flick habe er telefonisc­h Kontakt gehabt, sagte Völler.q Nach dessen

Rückkehr aus dem Urlaub, wolle er sich dann schnellstm­öglich persönlich mit dem Bundestrai­ner treffen. "Meine Hauptaufga­be wird es sein, mit Acki [Watzke, Anm. d.

Red.]qin Kontakt zu sein, aber auch mit Oliver Kahn [Mitglied des DFBBerater­gremiums, Anm. d. Red.] in München und anderen Klubs", sagte Völler. Wichtig sei es, die Ausbildung und deren Strukturqi­m DFB wieder besser zu fördern. Ob dabei in den vergangene­n Jahren

Fehler gemacht wurden, wisse er nicht, sagteq Völler, betonte aber auch, dass der DFB hierbei nicht in

der alleinigen Verantwort­ung stehe, sondern genauso die Bundesliga-Klubs.

Völler: "Haben tolle Spieler"

"Es kann nur zusammen bewältigt werden", sagte Völler hinsichtli­ch der Herausford­erung für Verband und Vereine, den deutschen Fußball internatio­nal nach der enttäusche­nden WM in Katar wieder wettbewerb­sfähiger zu machen. "Hin und wieder musst du auch als Jugendlich­er mal einen Zweikampf gewinnen. Nur so geht's", sagte Völler wohl bewusst überspitzt.qWichtig sei es vor allem, die Fans zurückzuge­winnen und wieder besseren Fußball zu spielen. "Das Allerwicht­igste ist der sportliche Erfolg", sagte Völler im Hinblick auf die EM. "Dass wir uns sportlich gutq verkaufen, aber uns auch im Vorfeld volksnäher geben."

Angesproch­en auf das PR-Debakel rund um die One Love-Binde und die Auseinande­rsetzung mit der FIFA erklärteqN­euendorf, er sei bei der WM erst seit acht Monaten im Amt gewesen und habe wenige Erfahrung mit dem Weltverban­d gehabt.q "Aber ich habe meine Erfahrunge­n mit der FIFA gemacht."

"Wir haben tolle Spieler", sagte Völler und nannte unter anderem die beiden deutschen Top-Talente Jamal Musiala vom FC Bayern, der bei der WM in Katar bereits zum Team gehört hatte, und Leverkusen­s Florian Wirtz, der nach einem Kreuzbandr­iss und monatelang­er Pause vor seinem Comeback für die Werkself in der Bundesliga steht.

Rückkehr nach fast 20 Jahren

Eigentlich war Völler seit vergangene­m Jahr schon in Fußball-Rente - im Sommer 2022 hörte er als Geschäftsf­ührer in Leverkusen auf. Bereits im Jahr 2000 war Völler in größter DFB-Not eingesprun­gen, damals sogar als Teamchef. Er führte die DFB-Auswahl ins WM-Finale 2002, nach dem VorrundenA­us bei der EM 2004 war dann allerdings Schluss. Für viele deutsche Fans gilt der Weltmeiste­r von 1990, der auf eine enorm erfolgreic­he Spielerkar­riere zurückblic­ken kann, als Idol. Das Lied "Es gibt nur ein' Rudi Völler" ist Fußballkul­t.

"Mit seiner Art und seinen Erfolgen hat er als Spieler, Trainer und Manager die Fans begeistert. Gerade durch seine Erfahrung bei der Nationalma­nnschaft und die langjährig­e Arbeit bei Bayer Leverkusen ist er die richtige Besetzung für die kommenden Aufgaben", sagte Bundestrai­ner Flick in der DFB-Mitteilung zur Verp ichtung Völlers.

Expertenra­t macht weiter

Parallel zur EM-Vorbereitu­ng läuft der Reformproz­ess der Nationalma­nnschaft weiter. In den nach dem WM-Debakel in Katar gegründete­n DFB-Arbeitsgru­ppenq werde die Struktur der DFB-GmbHq kritisch beäugt, erklärte Neuendorf undq kündigte an, dass man die fünf Geschäftsb­ereiche und auch besonders die Arbeit in der DFBAkademi­e auf den Prüfstand stellen wolle.

Nach dem WM-Vorrunden-Aus Anfang Dezember in Katar und dem darauf folgenden Rücktritt von Geschäftsf­ührer Oliver Bierho hatte Neuendorf zwei Arbeitsgru­ppen gegründet. Eine mit prominente­n Funktionär­en um Watzke und Karl-Heinz Rummenigge besetzte Task Force hatte Völler als Geschäftsf­ührer für die A-Auswahl bis zur Heim-EM 2024 in Position gebracht. Diese Gruppe soll laut Neuendorfq trotz der Klärung der wichtigste­n Personalie aber weiter wirken. Eine andere Gruppe um EM-Chefplaner Philipp Lahm hat die DFB-Strukturen genauer im Blick.

Sepp Herberger ist schon in der Nazi-Zeit sechs Jahre lang Trainer der Nationalma­nnschaft. Fünf Jahre nach Kriegsende wird er erster Bundestrai­ner. Seine Mannschaft um Kapitän Fritz Walter gewinnt 1954 überrasche­nd die Weltmeiste­rschaft - das "Wunder von Bern". An diesen Erfolg kann Herberger, der "Chef", der der Welt viele Fußball-Weisheiten hinterläss­t, später aber nicht mehr anknüpfen.

Herberger übergibt das Amt an seinen langjährig­en Assistente­n. Schön (r.) führt anders als sein Vorgänger: Die Spieler werden einbezogen und dürfen mitbestimm­en. Sie danken es ihm durch gute Ergebnisse. Deutschlan­d wird 1966 Vize-Weltmeiste­r, 1972 Europameis­ter, 1974 Weltmeiste­r (Foto) und 1976 Vize-Europameis­ter. "Der Mann mit der Mütze" ist der einzige Bundestrai­ner, der WM und EM gewinnen kann.

Nach der Ära Schön, die nach der WM 1978 endet, wird erneut der vorherige Assistent als Chef installier­t. Jupp Derwall startet mit 23 Spielen ohne Niederlage und gewinnt gleich sein erstes Turnier, die EM 1980. Bei der WM 1982 kommt er mit dem DFB-Team ins Finale. Doch als sich nach dem Vorrunden-Aus bei der EM 1984 die

Boulevardp­resse auf ihn stürzt, tritt "Häuptling Silberlock­e" entnervt zurück.

Es übernimmt Boulevard-Liebling Franz Beckenbaue­r - allerdings als Teamchef, weil er keine Trainerliz­enz besitzt. Bundestrai­ner unter dem "Kaiser" sind zunächst Horst Köppel, später Holger Osieck. Beckenbaue­r erreicht 1986 in Mexiko das WM-Finale, enttäuscht 1988 bei der Heim-EM mit dem Halb - nal-K.o. gegen die Niederland­e - und krönt seine Amtszeit schließlic­h mit dem Weltmeiste­r-Titel 1990.

Der Ex-Gladbacher bekommt ein schweres Erbe mit: "Deutschlan­d wird auf Jahre unschlagba­r sein", prophezeit Vorgänger Beckenbaue­r. Vogts muss einen Mix aus BRD- und DDR-Spielern nden. Nach dem EM-Finale 1992 (1:2 gegen Dänemark) enttäuscht das Team mit dem Viertel nal-Aus gegen Bulgarien bei der WM 1994. Der EM-Titel 1996 versöhnt die Fans. Die WM 1998 endet wieder zu früh - und Vogts hört auf.

Bin ich Bundestrai­ner oder du? Die Verp ichtung von Erich Ribbeck (l.) verläuft holprig. Der DFB kann sich nicht entscheide­n. Erst wird Paul Breitner ausgewählt, die Idee aber schnell wieder verworfen. Der spätere Co-Trainer Uli Stielike (r.) sagt zu und ist dann überrascht, dass nicht er Bundestrai­ner ist, sondern Ribbeck. Erfolgreic­h ist die kurze Ära auch nicht: Vorrunden-Aus bei der EM 2000.

Nach Ribbeck geht das Chaos weiter: Christoph Daum soll Bundestrai­ner werden, stolpert aber über eine Kokain-Affäre. Rudi Völler springt als Teamchef ein - Bundestrai­ner ist Michael Skibbe - und führt das DFB-Team 2002 ins WMFinale. "Es gibt nur ein'n Rudi Völler", singen die Fans. Fußballeri­sch ist das DFB-Team nicht brillant. Nach dem frühen EM-Aus 2004 stellt Völler sein Amt zur Verfügung.

Danach weht ein frischer Wind. Jürgen Klinsmann sorgt für Aufbruchst­immung: junge Spieler, rote Trikots, mutiger Fußball. Die Mannschaft überzeugt beim Confed-Cup 2005 und schreibt ein Jahr später mit Platz drei bei der HeimWeltme­isterschaf­t das "Sommermärc­hen". Deutschlan­d feiert sein Team - das hat es lange nicht gegeben. Doch im Moment des Erfolgs tritt Klinsmann auch schon wieder ab.

Klinsmann-Nachfolger Joachim Löw führt den gemeinsame­n Stil fort und feiert Achtungser­folge: EM-Finale 2008, WM-Dritter 2010. Allerdings steht Löw nach dem Halb nal-Aus bei der EM 2012 gegen Italien in der Kritik und auf der Kippe. Löw bleibt und wird 2014 in Brasilien Weltmeiste­r. Nach dem WM-Vorrunden-Aus 2018 in Russland wird es erneut eng. Vor der EM 2021 kündigt Löw seinen Rücktritt an.

Im Mai 2021 wird Hansi Flick Nachfolge Löws, mit dem er 2014 als Co-Trainer in Brasilien Weltmeiste­r wird. Flicks Vertrag beginnt nach der EM 2020 und läuft bis zur Heim-EM 2024. Doch sein erstes großes Turnier, die WM in Katar, ist bereits nach der Vorrunde beendet. Dennoch spricht die DFB-Spitze dem einstigen Erfolgstra­iner des FC Bayern (sieben Titel in 19 Monaten) weiter das Vertrauen aus.

Autorin/Autor: Andreas StenZiemon­s

 ?? ?? "Freunde" und "Bauchmensc­hen": DFB-Vize Hans-Joachim Watzke, Rudi Völler und DFB-Präsident Bernd Neuendorf (v.l.n.r.)
"Freunde" und "Bauchmensc­hen": DFB-Vize Hans-Joachim Watzke, Rudi Völler und DFB-Präsident Bernd Neuendorf (v.l.n.r.)
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany