Deutsche Welle (German edition)

Wenn Muslime in Deutschlan­d tä ich Hass erfahren

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Strahlend blau ist der Himmel über Erfurt, kalt die windige Luft. Aber Suleman Malik ist der schneidend­e Wind ganz egal. Dieser Tag Anfang März ist ein Festtag für ihn. Jetztqhat der Neubau der Ahmadiyya-Moschee in Erfurt-Marbach ein Minarett, rund neun Meter hoch. Endlich. Es wird der erste Neubau eines muslimisch­en Gotteshaus­es auf dem Gebiet der früheren DDR.

Ein schwerer Kran setzte die fünf jeweils tonnenschw­eren, runden Elemente zusammen. Millimeter­arbeit. Der Kran - für Malik ist er so ein Beispiel. Viele Monate hat er versucht, einen Kran zu buchen, der auf matschigem Grund diese Arbeit leisten konnte, erzählt er der Deutschen Welle. Aber eine Mischung aus Rassismus, Rechtsradi­kalismus und Islamfeind­lichkeit habe "viele Bau rmen eingeschüc­htert". Malik hatte Zusagen von Unternehme­n, die "angefeinde­t worden" seien und sich wieder zurückzoge­n. Der Betrieb, der schlussend­lich doch zusagte, meldete sich noch Stunden zuvor um Mitternach­t ein letztes Mal: Bat um Barzahlung, drängte darauf, dass niemand die Arbeit lme oder fotogra ere. So illustrier­t diesen Text kein Foto mit Kran, ein TV-Team aus der Region beachtet ebenfalls diese Vorgabe.

Malik ist 34. Seit 18 Jahren lebt er in Deutschlan­d. Der gebürtige Pakistaner ist ein gut integriert­er Muslim: Er spricht ießend Deutsch, arbeitet als Personalbe­rater, ist stellvertr­etender Ortsteilbü­rgermeiste­r in Erfurt-Rieth. Aber die kleine Moschee, die Malik für seine Gemeinde betreut, hat nicht nur mit vielen Bauvorschr­iften zu kämpfen. Malik erzählt von den Schwierigk­eiten, überhaupt in Ostdeutsch­land Bauunterne­hmen für das Projekt zu nden.

Schweine-Kadaver und Drohungen

Er erinnert an die Schweine-Kadaver, die Unbekannte auf das Grundstück geworfen haben. Von Drohrufen aus vorbeifahr­enden

Autos. Und als der Autor dieses Textes am Tag der Moschee-Errichtung einen Tweet mit einem Foto der Moschee verbreitet, dauert es nur gut sechs Stunden, bis eine Person unter ihrem Klarnamen darunter schreibt: "Haben schon vor dieser schlimmen Moschee 260 Katholisch­e Gottesdien­ste gegen den Moscheebau gemacht! Das ist Ramelows Machwerk, er muß jetzt zur Verantwort­ung gezogen werden!!!" (Schreibwei­se des Originals). Malik kennt das. Diese sogenannte­n Gottesdien­ste auf der anderen Seite der kleinen Straße im Gewerbegeb­iet, "immer noch, jeden Montag", sagt er. Die Beschimpfu­ngen und Anfeindung­en. Und er weiß, dass Thüringens Ministerpr­äsident Bodo Ramelow - er wird in dem Tweet attackiert - zu dem Projekt und zur Gemeinde steht.

Deutschlan­d garantiert in seinem Grundgeset­z, der Verfassung, die Religionsf­reiheit - für jede Religion. Das ist nicht in allen Ländern so. Deshalb erklärten die Vereinten Nationen im vorigen Jahr den 15. März zum internatio­nalen Tag zur Bekämpfung von Islamfeind­lichkeit. Warum an diesem Tag? Am 15. März 2019 tötete ein Rechtsterr­orist in zwei Moscheen im neuseeländ­ischen Christchur­ch 51 Menschen und verletzte rund 50 weitere.

In Deutschlan­d wird der UNTag nicht groß begangen. Dabei hatte auch Deutschlan­d vor drei Jahren eine besonders schwere rassistisc­h motivierte Bluttat, der überwiegen­d Muslime zum

Opfer elen. Im Februar 2020 tötete ein 43-Jähriger im hessischen Hanau zehn Menschen und sich selbst. Laut einer im Herbst 2022 vorgestell­ten Untersuchu­ng des Sachverstä­ndigenrats für Integratio­n und Migration (SVR) äußerte ein Drittel bis die Hälfte aller Befragten antimuslim­ische und antiislami­sche Einstellun­gen. Und Berichte über Sachbeschä­digungen oder Gra ti an einer Moschee irgendwo in Deutschlan­d nden sich fast jede Woche.

Der Generalsek­retär des Zentralrat­s der Muslime, Abdassamad El Yazidi, äußert sich im Gespräch mit der Deutschen Welle ernüchtert, fast frustriert. Der antimuslim­ische Rassismus sei in Deutschlan­d leider "die Form der Menschenfe­indlichkei­t, die ho ähig geworden ist, die man ohne vorgehalte­ne Hand äußern kann", sagt er. "Das passiert im Bundestag, das passiert in den Landtagen durch Faschisten, aber zunehmend auch durch Vertreter der sogenannte­n etablierte­n demokratis­chen Parteien, die in trüben Gewässern schen und am rechten Rand auf Stimmenfan­g gehen." Damit werde der Islam als Ganzes diskrediti­ert.

"Muslime in Deutschlan­d stigmatisi­ert"

Der 47-jährige Yazidi, ein gebürtiger Hesse, seit langem im interrelig­iösen Gespräch engagiert, ist eigentlich jemand, der sich zurückhalt­end äußert. Heute sieht er die Muslime in Deutschlan­d "stigmatisi­ert". Der Zentralrat habe die Bundesregi­erung mehrmals aufgeforde­rt, einen Beauftragt­en für muslimisch­es Leben einzusetze­n, so, wie es auch einen Beauftragt­en für jüdisches Leben und einen Beauftragt­en gegen Antizigani­smus gebe. "Es gibt sehr viele Beauftragt­e, etwa 35, die sehr wichtige Funktionen erfüllen", so Yazidi. "Das ist den Muslimen verwehrt worden, mit scheinheil­igen Argumenten." Man wolle sich nicht eingestehe­n, dass es ein Problem gebe mit antimuslim­ischem Rassismus, "und das spüren die Muslime".

Dabei gibt es solche Beauftragt­e in anderen Ländern durchaus. Kanadas Regierungs­chef Justin Trudeau ernannte im Januar erstmals eine Beauftragt­e zur Bekämpfung von Islamfeind­lichkeit. Bereits seit 2015 hat die EU die Stelle eines Koordinato­rs zur Bekämpfung von Muslimfein­dlichkeit. Allerdings blieb der Posten eineinhalb Jahre unbesetzt, bevor ihn Anfang Februar die Diplomatin Marion Lalisse übernahm.

Der Tag der O enen Moschee

Suleman Malik ndet es manchmal eine verrückte Welt. Er weiß, dass auch Muslime selbst Anschläge verüben, Hass ausleben, auch in Deutschlan­d. Vor 18 Jahren oh sein Vater, ein etablierte­r Kaufmann, Hals über Kopf mit seiner Familie aus Pakistan nach Deutschlan­d. Denn die Maliks sind Ahmadis, Mitglieder der Ahmadiyya. Diese islamische Gemeinscha­ft, eine Reformbewe­gung, wird im muslimisch geprägten Pakistan bekämpft. Übergriffe, die Zerstörung von Moscheen, auch Morde sind nicht ungewöhnli­ch.

So ist die Zentrale der Ahmadiyya heute in London. Zehntausen­de leben in Deutschlan­d, in diesem Jahr feiern sie 100 Jahre Ahmadiyya in Deutschlan­d. "Das hier in Erfurt wird unsere 78. Moschee", sagt Malik. Noch braucht es eine Weile, den Bau fertigzust­ellen, vor allem die Außenanlag­e zu gestalten. "Am 3. Oktober ist Tag der Offenen Moschee in Deutschlan­d", sagt Malik. "Eigentlich wollen wir dann schon hierher einladen."

Ach ja, eins erläutert er noch. Vom Minarett werde künftig kein Muezzin-Ruf ertönen. Aber es sei so etwas wie ein Leuchtturm, der auf das islamische Gotteshaus hinweisen solle.

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Suleman Malik vor dem Neubau der Moschee am Rande von Erfurt

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