Deutsche Welle (German edition)

Oscar für Michelle Yeoh: Weltstar trotz Hürden

-

Michelle Yeoh zu beschreibe­n, ist keine einfache Aufgabe. Die malaysisch­e Schauspiel­erin ist tatsächlic­h "Everything Everywhere All At Once", alsoq "Allesq überallq zur gleichen Zeit". In dem gleichnami­gen Film von Daniel Kwan und Daniel Scheinert (bekannt als "die Daniels") spielt sie die Rolle der Evelyn Wang, für die sie Ende Februarqde­n SAG-Award als beste Hauptdarst­ellerin erhielt.

Yeoh ist damit die erste Asiatin, der diese Auszeichnu­ng der USamerikan­ischen Schauspiel­ergewerksc­haft Screen Actors Guild (SAG) zuteil wurde. In der gleichen Kategorie gewann die 60-jährige Schauspiel­erin zuvor bereits einen Golden Globe, als zweite Asiatin jemals. Dass sie beim britischen Filmpreis BAFTA leer ausging, rief bei vielen Fans Empörung hervor. Sie meinten, Yeoh sei des Preises "beraubt" worden. Die 95. OscarVerle­ihung dürfte die Gemüter dagegen wieder beruhigt haben, denn als erste Asiatin in der Geschichte des Preises erhielt sie am 12. März den Oscar als beste

Hauptdarst­ellerin in dem Film "Everything Everywhere All at Once", der insgesamt sieben Oscars gewann.

Michelle Yeoh - Vorbild für viele

Yeohs Serie an Triumphen hat sie zu einem Vorbild für asiatische Menschen, People of Color und Frauen gemacht, vor allem für jene in einem "gewissen Alter". In "Everything Everywhere All at Once" spielt Yeoh eine chaotische Immigranti­n und Mutter, die mit ihrem

Ehemann einen Waschsalon betreibt. Als das Finanzamt eine Steuerprüf­ung einfordert, wird Evelyn plötzlich in ein Multiversu­m katapultie­rt. Sie entdeckt, dass es mehrere Versionen des Universums und ihrer selbst gibt, die sich allesamt in Gefahr be nden. Sie ist die Einzige, die das Multiversu­m vor dieser großen Bedrohung retten kann. Dafür muss Evelyn zwischen parallelen Realitäten navigieren und sich Fähigkeite­n aneignen, die von verschiede­nen Versionen ihrer selbst entwickelt wurden.

Yeoh stellt in dem hochkomple­xen Film ihre schauspiel­erischen Fähigkeite­n unter Beweis, die sie in fast vierzig Jahren Karriere angesammel­t hat. Der Erfolg des Films belohnt auch ihre jahrelange Geduld mit einer Branche, die oft stereotype Rollen für nicht-weiße Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er vorsieht.

Von der Ballerina zur Schönheits­königin

Eigentlich hatte Michelle Yeoh nie das Ziel, Schauspiel­erin zu werden. Geboren und aufgewachs­en in Malaysia, wollte sie Ballerina werden. Dafür nahm sie ein Studium an der Royal Academy of Dance in London auf. Jedoch führte eine Rückenverl­etzung dazu, dass sie den Traum einer profession­ellen Tanzkarrie­re aufgeben musste. Im Jahr 1983 meldete ihre Mutter sie heimlich zur Miss-Malaysia-Wahl an, die Yeoh dann auch gewann. Der Sieg im Schönheits­wettbewerb verhalf ihr zu Auftritten in der Werbung. Der erste Werbespot war für Uhren von Guy Laroche, in dem kein Geringerer als der berühmte Kampfsport­ler Jackie Chan auftrat.

Es folgten Filmangebo­te, und in den 1980er-Jahren wurde Michelle Yeoh durch eine Reihe von Hongkong-Action- und MartialArt­s-Filmen berühmt, in denen sie ihre eigenen Stunts ausführte, wie "Ultra Force 2" (1985), "Police Story 3: Supercop" (1992) und "Holy Weapon" (1993).

In einer Zeit, in der sich noch kaum jemand für mehr Diversität einsetzte, hatte sie ursprüngli­ch unter dem Künstlerna­men Michelle Khan gearbeitet. Dieses Pseudonym wurde von der Filmproduk­tions rma D&B Films gewählt, weil man glaubte, dass "Khan" beim internatio­nalen und westlichen Publikum besser ankommen würde. Später kehrte die Schauspiel­erin zu ihrem eigenen Namen zurück.

Zwischen Hongkong und Hollywood

Nach ihrer Heirat mit dem Hongkonger Geschäftsm­ann Dickson Poon, der Mitbegründ­er von D&B Films war, zog sich Yeoh 1987 vor

übergehend von der Schauspiel­erei zurück. Nach der Trennung der beiden im Jahr 1992 nahm sie ihre Karriere wieder auf. Derq Durchbruch in Hollywood gelang ihr 1997, als sie in "James Bond 007 -qDer Morgen stirbt nie" an der Seite von Pierce Brosnans als erstes ethnisch chinesisch­es Bond-Girl gecastet wurde. 2010 stufte sie das Magazinq "Entertainm­ent Weekly" als siebtbeste­s Bond-Girl ein und nannte sie eine "versierte chinesisch­e Agentin", eine der wenigen "Women of Color, die es mit 007 aufnehmen können" und "die erste, die man ernst nehmen kann".

Doch obwohl Yeoh mit dem Bild eines typischen Bond-Girls brach, stand sie danach zwei Jahre lang nicht vor der Kamera, da Hollywood ihr immer wieder Rollen als "zerbrechli­che asiatische Frau" anbot. In einem Interview mit "GQ" erinnerte sie sich 2018: "Als ich zum ersten Mal hierher kam, um Filme zu machen, sagte jemand: 'Wenn wir eine afroamerik­anische Hauptrolle besetzen, können wir Sie auf keinen Fall casten, weil wir nicht zwei Minderheit­en haben können.'"

Geisha, Nobelpreis­trägerin, Metaversum-Surferin: Sie spielt sie alle

In einem Interview mit dem "TIME Magazine", von dem sie zur "Ikone des Jahres 2022" gekürt wurde, erklärte Yeoh, dass asiatische Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er lange Zeit stereotype und eher unbedeuten­de Rollen bekommen haben. "Es sollte nicht um meine Herkunft gehen, aber es war ein Kampf", sagte sie. "Lassen Sie es mich wenigstens versuchen." Dann kam Ang Lees "Tiger and Dragon " (2000), in dem Yeoh ihren Kampfkunst-Hintergrun­d unter Beweis stellen konnte. Sie spielte auch die Mameha in "Die Geisha" (2005) und verkörpert­e Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi in "The Lady" (2011).

In den letzten Jahren spielte sie außerdem in "Crazy Rich" (2018) sowie in den Serien "Marvel", "Star Trek", "Transforme­rs" und "The Witcher" mit. Aber erst mit ihrer Rolle als Evelyn in "Everything Everywhere All at Once" scha te sie es auf die Listen der großen

Filmpreise. In einem CNN-Interview am 6. Februar verriet Yeoh, dass die Rolle eigentlich für Jackie Chan vorgesehen war und sie seine Frau spielen sollte. Doch nachdem Chan das Angebot abgelehnt hatte, passten die beiden Daniels die Geschichte an, so dass Yeoh die Hauptrolle spielte. "Es war damals so überwältig­end, ein Drehbuch zu bekommen, in dem stand: 'Das ist eine ganz normale Frau, eine asiatische Einwanderi­n, die mit all den Problemen zu kämpfen hat, die wir alle kennen'", sagte sie.

Mittlerwei­le hat sich Yeoh auch einen Ruf mit ihren oft witzigen und schlagfert­igen Dankesrede­n gemacht, in denen sie über die Hürden spricht, die sie überwunden hat.q Als sie im Februar ihren SAG Award entgegenna­hm, sagte sie: "Der ist nicht nur für mich, er ist für jedes kleine Mädchen und jeden kleinen Jungen, dieqso aussehenqw­ie ich."

Im Vorfeld der Oscar-Verleihung sprach sie in Interviews­qdarüber, dass viele Asiatinnen und Asiatenqnu­n auf sie zukämen und ihr viel Glück wünschten. "Ich denke, das geht über mich hinaus. Das steht für so viele, die geho t haben, auf diese Weise gesehen zu werden, und zu sagen: 'Ich bin auch wertvoll, ich muss auch gesehen werden.'"

Adaption aus dem Englischen: Maria John Sánchez. Dieser Artikel wurde am 13.03.2023 aktualisie­rt.

 ?? ?? Große Freude bei den 95. Academy Awards: Michelle Yeoh gewinnt den Oscar als Beste Hauptdarst­ellerin
Große Freude bei den 95. Academy Awards: Michelle Yeoh gewinnt den Oscar als Beste Hauptdarst­ellerin

Newspapers in German

Newspapers from Germany