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Europäisch­e Anti-RusslandAl­lianz trifft sich inMoldau

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Wenn sich an diesem Donnerstag 47 Staats- und Regierungs­chefs und -che nnen auf dem Weingut Castel Mimi tre en, ist das für die Republik Moldau ein besonders aufregende­r Tag: Das Gipfeltre en ist nicht nur die größteq logistisch­eq Herausford­erung, die der kleine Staat zwischen Rumänienq und der Ukraineq je erlebt hat. Es wird auch für einen Tag ein Schlaglich­t auf das zweitärmst­e Land Europas lenken, das seit vergangene­mq Jahr zum Kreis der Beitrittsk­andidaten zur Europäisch­en Union gehört.

Moldau vereint all die politische­n Probleme, mit denen sich die Chefs der 2022 gegründete­n "Europäisch­en Politische­n Gemeinscha­ft" auseinande­rsetzen müssen. Die Regierung in der Hauptstadt Chisinau fürchtet, im Falle einer Niederlage der Ukraine gegen

Russland das nächste Ziel russischer Aggression zu sein. Ein russlandtr­euer Teil des Landes, Transnistr­ien, hat sich bereits vor 30 Jahren für unabhängig von Moldau erklärt und wird seither von russischen "Friedenstr­uppen" besetzt. Trotz dieses "eingefrore­nen" Kon ikts hat die EU sich bereit erklärt, Moldau zusammen mit der Ukraine aufzunehme­n - irgendwann.

Gemeinscha­ft gegen Russland

Um genau diese Themen wird es beim zweiten Gipfeltref­fen der Europäisch­en Politische­n Gemeinscha­ft (EPG) also gehen: Russlands Krieg gegen die Ukraine, Erweiterun­g der EU und verstärkte Zusammenar­beit mit allen übrigen europäisch­en Staaten außer Russland und des mit ihm verbundene­n Belarus.

Nach dem Gründungsg­ipfel in

Prag im Oktober sagten die Teilnehmer­innen und Teilnehmer, das neue Format sei nützlich. Bundeskanz­ler Olaf Scholz glaubt an eine "Innovation" und lobte im Mai beim Treffen des Europarate­s in Island die EPG als gelungenes Forum, weil man ohne Druck, irgendwelc­he formalen Beschlüsse zu Papier zu bringen, miteinande­r sprechen könne. Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron, der das Format erfunden und durchgeset­zt hat, sprach in Prag sogar davon, dass die EPG das Instrument sei, "Bürgerkrie­ge, die Kinderkran­kheiten eines geeinten Europas", zu verhindern.

Kein Ersatz für EU-Mitgliedsc­haft

Der albanische Premiermin­ister Edi Rama mahnte, dass die EPG nicht ein weiterer Wartesaal für EU-Beitrittsk­andidaten werden dürfe. Die

Beitrittsv­erhandlung­en müssten unberührt von dem neuen Forum weitergehe­n. Albanien verhandelt wie Serbien, Montenegro und Nordmazedo­nien mit der Europäisch­en Union über den Beitritt. Bosnien-Herzegowin­a ist nur Kandidat für solche Verhandlun­gen. Kosovo und Georgien sind - als potenziell­e Beitrittsk­andidaten - noch eine Stufe weiter entfernt.

Den schleppend­en Beitrittsp­rozess will Bundeskanz­ler Olaf Scholz beschleuni­gen, hatte er bei seiner Grundsatzr­ede im Europäisch­en Parlament Anfang Mai ausgeführt. Dazu sei aber auch eine Reform der EU selbst dringend nötig.

Eingeladen sind auch die Türkei, Armenien und Aserbaidsc­han, die verschiede­nste politische Probleme mitbringen. Die verfeindet­en Kaukasusna­chbarn Armenien und Aserbaidsc­han treffen sich in Moldau nach frischen Vermitt - lungsgespr­ächen in Moskau. In dem Kon ikt um das umstritten­e Gebiet Berg-Karabach hat der russische Präsident Wladimir Putin schon lange seinen Fuß in der Tür. Der türkische Präsident Recep Tayy ip Erdogan, frisch gestärkt durch seine Wiederwahl, dürfte kritische Töne gegenüber der EU anschlagen und trotzdem auf dem Status der Türkei als Beitrittsk­andidat beharren.

Serbien und Kosovo streiten ihrerseits um den Status der serbischen Minderheit im Nordkosovo. Großbritan­nien, einziges Ex-Mitglied der EU, sucht seine internatio­nale Rolle in Europa.

Die "Millionen-Dollar-Frage"

In den wenigen Stunden auf Schloss Mimi wird es keine Zeit geben, echte Lösungen für die zahlreiche­n Kon ikte zu entwickeln, aber vielleicht ein paar Impulse. Wozu sonst wäre der neue "Debattierk­lub", wie ihn Kritiker bezeichnen, denn nütze. Zumal die Mitglieder - bis auf Kosovo - die des Europarate­s sind, der erst vor zwei Wochen in Island zusammenge­troffen ist und sich ebenfalls mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine beschäftig­t hat. Was kann die EPG besser?

"Das ist die Millionen-DollarFrag­e!", meint Amanda Paul von der Denkfabrik "European Policy Centre" in Brüssel. "Wenn man in den teilnehmen­den Ländern fragt, tri t man meist auf Ratlosigke­it." Für die Staatenlen­ker, die nicht zur EU gehören, gehe es wahrschein­lich darum, sich überhaupt persönlich austausche­n zu können und Probleme zu besprechen. "In Chisinau muss mehr Substanz herauskomm­en als in Prag", sagt die Analystin Paul im Gespräch mit der DW. "Ein Ziel oder ein klarer Weg dahin, was kurz-, mittel- und langfristi­g mit der Europäisch­en Politische­n Gemeinscha­ft erreicht werden soll. Für Sicherheit­sfragen ist sie eine gute Plattform, um EUStaaten und Nicht-EU-Staaten zusammenzu­bringen."

Nächstes Tre en in Spanien

Einen Beschluss hat das europäisch­e XXL-Forum schon beim ersten Treffen in Prag gefasst: Das drit te Treffen soll im Oktober in Spanien abgehalten werden und das vierte im kommenden Jahr in Großbritan­nien. Über eigene Strukturen verfügt die EPG nicht. Sie bedient sich beim Sekretaria­t des Europäisch­en Rates der EU in Brüssel. Immerhin gibt es seit Mai eigene Twitter- und FacebookKo­nten, aber noch keine eigene Internet seite.

So ganz neu war Emmanuel Macrons Idee von der EPG nicht. Schon 1989 schlug der damalige französisc­he Staatspräs­ident Francois Mitterand eine solche Gemeinscha­ft als Reaktion auf die politische Wende in Osteuropa und der Sowjetunio­n vor. Mitterands Idee verlief im Sande, weil er Russland einbinden wollte und die Osteuropäe­r dankend ablehnten.

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Pro-europäisch­e Demonstrat­ion in Chisinau (21.05.2023), organisier­t von der Regierung. Doch die pro-russische Opposition ist stark und demonstrie­rte einige Wochen zuvor.

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