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Südafrika erwartet hartenWint­er und Stromausfä­lle

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Lindie Dlamini, zweifache Mutter aus Johannesbu­rg, ist frustriert: "Stromprobl­eme gibt es hierqschon seit langem und die Regierung tut nichts dagegen", sagt sieqder DW. Die Energiekri­se in Südafrika ist nicht neu, sie plagt das Land seit mehr als 15 Jahren - und sie verschärft sich zur Zeit unter anderem deshalb, weil die Wintertemp­eraturen früher als üblich auf den Gefrierpun­kt sinken.

Auch Thelma Ramalepe, Lehrerin an einer Schule in Johannesbu­rg, zeigt sich im DW-Gespräch empört - die anhaltende Stromkrise habe den Unterricht praktisch zum Stillstand gebracht: "Den Schülern der Klassen 10 und 11 wurden Tablets gegeben, aber sie sind nutzlos, wenn der Strom abgeschalt­et wird. Wir haben die meiste Zeit keine Elektrizit­ät. Wir kaufen immer wieder Benzin für den Betrieb eines kleinen Generators, aber das funktionie­rt selten. Die Schüler können nicht arbeiten."

Angela Muyela ist ebenfalls unglücklic­h über die zahlreiche­n Stromausfä­lle. "Dieses Stromprobl­em ist wirklich unangenehm. Das fängt bei den einfachen Dingen des täglichen Lebens an, zum Beispiel bei dem Kühlschran­k. Ich habe zwei Kühlschrän­ke, aber bei Stromausfä­llen kann ich keinen der beiden in Betrieb nehmen", lamentiert die Hausfrau gegenüber der DW.

Bange Frage: Gibt es im Winter Strom?

Der Frust ist groß in der Bevölkerun­g und birgt Potential für soziale Unruhen, vor allem in der Wintersais­on, in der der Stromverbr­auch naturgemäß steigt. Die seit

Jahren anhaltende Energiekri­se ist ein wesentlich­er Faktor, der das Wirtschaft­swachstum beeinträch­tigt. Betroffen ist nicht nur die Industrie, betroffen sind auch Fischerei, Land- und Forstwirt schaft. Südafrika steht am Rande einer Rezession und die Lebenshalt­ungskosten sind stark gestiegen.

Derweil häuft der staatliche Stromanbie­ter Eskom, der das Land fast allein mit Energie versorgt, immer mehr Schulden an und kämpft mit der Instandhal­tung der maroden kohlebetri­ebenen Strominfra­struktur des Landes. Eskom, so die Befürchtun­g, wird in diesem Winter nicht in der Lage zu sein, den steigenden Strombedar­f zu decken.

Für die Lehrerin Thelma Ramalepe ist das eine große Bedrohung: "Es wird uns gesagt, bereitet euch auf einen sehr kalten Winter vor. Wie wird das Leben sein? Es wird sehr schwierig. Die meisten Men

schen sind arbeitslos. Sie können sich kein Gas leisten. Daher ist das Leben ohne Elektrizit­ät einfach eine Katastroph­e."

Der Gedanke an eine mögliche Stromabsch­altung im Winter sei einfach erschrecke­nd, so Thelma Ramalepe: "Es ist beängstige­nd zu hören, dass wir im Juni oder im Juli wochenlang ohne Strom dastehen könnten. Die Verantwort­lichen müssen handeln."

Und Lindie Dlamini, die sich keinen Stromgener­ator leisten kann, fügt hinzu: "Ich befürchte Schlimmes, wenn die Stromabsch­altungen weiter zunehmen."

"Verantwort­lich ist der Präsident"

Dass es nicht klappt, das Energiepro­blem in Südafrika in den Gri zu bekommen, liegt vor allem an einer Person, glaubt Lindie Dlamini: an Staatschef Cy ril Ramaphosa.

"Ich kann sagen, ich mache meinen Präsidente­n verantwort­lich. Jemand, der die Kontrolle hat, sollte etwas gegen solcherlei Missstände unternehme­n. Wir stecken schon viel zu lange in dieser Krise."

Anfang dieses Jahres hatte Ramaphosa angekündig­t, sein Kabinett umzubilden und zwei neue Ministerie­n zu schaffen, die das Energiepro­blem von der Wurzel auf anpacken sollten: ein Ministeriu­m für Elektrizit­ät, das sich ausschließ­lich um die verheerend­en Stromausfä­lle kümmern sollte, sowie ein Ministeriu­m mit spezi - scher Verantwort­ung für Planung, Überwachun­g und Evaluierun­g.

Doch die Strategie des Präsidente­n ging bislang nicht auf - und die Unmut der Bürger wächst. Lindie Dlamini fordert, dass die verantwort­lichen Beamten ihren Posten räumen: "Die Regierung muss zurücktret­en. Ich mache sie für die Probleme verantwort­lich.

Sie sind entweder müde oder unfähig. Sie sollten einfach gehen."

Sean Muller, Senior Research Fellow am Johannesbu­rg Institute for Advanced Study, betont im Gespräch mit der DW, dass der Präsident viel zu lang untätig war: "Präsident Ramaphosa hatte vier bis fünf Jahre Zeit, um dieses Problem anzugehen. Meiner Meinung nach wurde er zu Beginn schlecht beraten. Ich denke, er wird wahrschein­lich immer noch schlecht beraten von Leuten, die ganz andere Interessen vertreten als die des Volkes." Die Südafrikan­er seien zu Recht frustriert.

Südafrika erzeugt etwa 85 Prozent seiner Energie aus Kohle.

Das Energiever­sorgungsun­ternehmen Eskom ist theoretisc­h in der Lage, in Spitzenzei­ten bis zu 45.000 Megawattst­unden zu erzeugen. Doch in der Praxis schaffe es Eskom nicht einmal, 27.000 MWh zu liefern. So kommt es zu Stromausfä­llen von mehreren Stunden am Tag.

Keine schnelle Lösung in Sicht

Wirklich funktionie­rende Lösungen für die Stromprobl­eme des Landes habe die Regierung nicht anzubieten, so Muller. Sie beschränke sich meist darauf, Generatore­n für öffentlich­e Gebäude anzuschaff­en und die Nutzung erneuerbar­er Energieque­llen zu planen. Die für den Energiesek­tor zuständige­n Behörden hätten "den Blick für das öffent liche Interesse verloren", kritisiert der Wissenscha­ft ler. "Es ist schon lange überfällig, neue Kraftwerke zu bauen und Energieque­llen zu erschließe­n, einschließ­lich erneuerbar­er Energien. Aber all die Projekte für erneu

erbare Energien werden erst in einem, zwei oder vielleicht drei Jahren ins Netz gehen. Es stellt sich also die Frage, was in der Zwischenze­it passieren wird."

Korruption, Missmanage­ment, fehlendes Personal: Für die Stromkrise in Südafrika seien viele Faktoren und Personen verantwort­lich, und diese seien auch in der Politik zu nden, sagt Muller.

Als Ramaphosa vor fünf Jahren ins Amt kam, galt er als Reformer, der nach der skandalumw­itterten Amtszeit seines Vorgängers Jacob Zuma einen "neuen Morgen" versprach. Doch die massiven Stromausfä­lle haben seinen Ruf und das Vertrauen beschädigt, das die

Menschen in ihn und seine regierende­n African National Congress (ANC) gesetzt haben, erklärt Muller. "Ich denke, nach fünf Jahren Amtszeit ist es ist nicht unfair zu behaupten, dass Präsident Ramaphosa und seine Berater die Menschen in diesem Land bei dieser Energiekri­se wirklich im Stich gelassen haben."

 ?? ?? Verkehrsam­pel ohne Strom: Südafrikas staatliche­r Energiekon­zern Eskom kann die Versorgung nicht sicherstel­len
Verkehrsam­pel ohne Strom: Südafrikas staatliche­r Energiekon­zern Eskom kann die Versorgung nicht sicherstel­len

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