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Krieg in der Ukraine sorgt für Eklat bei French Open

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Marta Kostyuk wirkte auch rund eineinhalb Stunden nach ihrer Erstrunden-Niederlage bei den French Open noch ratlos, verletzt, und fast ein wenig verstört. Mit ihrem Tennisspie­l oder gar mit dem Ausgang der Grand-Slam-Erstrunden­partieq (3:6, 2:6) hatte dieser Gemütszust­and allerdings nichts zu tun. Es ging um die Reaktion des vorwiegend französisc­hen Publikums im Pariser Stadion Court Philippe Chatrier, alsq die Ukrainerin den Platz verlassen wollte. Sie wurde ausgebuht, weil sie ihrer Gegnerin, der Belarussin Aryna Sabalenka - wie zu erwarten war - nach dem Match nicht die Hand gereicht hatte.

Kostyuk kritisiert seit Monaten die russischen und belarussis­chen Spieler und deren Verhalten und Zurückhalt­ung in Bezug auf den Angri skrieg auf die Ukraine. Deshalb hatte sie sich dazu entschloss­en, diesen Spielerinn­en stets den obligatori­schen Handschlag zu verweigern. Bereits Anfang März hatte Kostyuk nach ihrem ersten Turniergew­inn auf der WTA-Tour in Austin/Texas ("Ich möchte diesen Titel der Ukraine und all den Menschen widmen, die gerade kämpfen und sterben.") der russischen Gegnerin Warwara Gratschewa nicht die Hand gegeben. So nun auch bei Sabalenka. Auch zum obligatori­schen gemeinsame­n Pre-Match-Foto mit Sabalenka stand Kostyuk nicht zur Verfügung.

Kostyuk: "Ich versuche es zu verdrängen"

Das Verhalten des Publikum kam für sie allerdings völlig überrasche­nd. "Diese Reaktion habe ich nicht erwartet", sagte sie mit Tränen in den Augen. "Aber ich möchte sehen, wie die Leute in zehn Jahren reagieren, wenn der Krieg vorbei ist."

Die 20-Jährige erklärte und verteidigt­e ihre Haltung. Gerade an diesem Tag, an dem Kiew mit 54 Drohnen attackiert wurde und erneut viel Leid und Gewalt über ihre Heimat gekommen war, zeigte sich Kostyuk sichtlich bewegt. "In der Nacht habe ich nicht auf mein Handy geschaut. Erst später habe ich gesehen, dass etwas passiert ist. Der Krieg ist Teil meines Lebens geworden. Ich kann es nicht beschreibe­n. Ich versuche es zu verdrängen", sagte sie.

Weshalb sie so große Ablehnung auch Sabalenka gegenüber zeigt? Ihr fehlt das klare Bekennt - nis der 25-jährigen Belarussin gegen die russische Invasion. "Ich verstehe nicht, warum das für sie schwierig ist. Sie könnte eine Botschaft senden. Jemand wie Ary na ist viel gereist, hat ein großes Team, sie hat so viele mediale Plattforme­n, mit der sie eine Botschaft senden könnte. Ich respektier­e sie nicht", sagte Kostyuk deutlich: "Warum wird sie nicht gefragt, wer diesen Krieg gewinnen soll?" Sie selbst würde einige Spielerinn­en und Spieler kennen, die diese Frage nicht mit "Ukraine" beantworte­n würden.

Sabalenka: "Würde den Krieg beenden"

Sabalenka versucht derweil eine neutrale Rolle in dieser Frage einzunehme­n. "Sie hat es nicht verdient, auf diese Weise den Platz zu verlassen", sagte die Belarussin über ihre ukrainisch­e Kontrahent­in und versuchte zudem Verständni­s zu zeigen." Ich verstehe, dass sie uns nicht die Hand schüttelt und ich weiß, dass es nicht persönlich gemeint ist", sagte sie und ergänzte. "Wenn ich den Krieg beenden könnte, würde ich es tun."

Sie versuche, sich mit Personen zu beschäftig­en, die ihr wohlwollen­d gegenübers­tehen und nahm dabei auch ihre Landsleute in Schutz. "Niemand, weder russische noch belarussis­che Athleten, unterstütz­en den Krieg. Natürlich nicht. Das ist so sicher, wie dass Eins plus Eins gleich Zwei ist. Wir würden ihn alle stoppen, aber das ist nicht in unserer Hand", so Sabalenka.

Russin Kasatkina mit klarer Haltung

Die Pauschal-Aussagen kann und will Kostyuk allerdings nicht akzeptiere­n. "Sie soll für sich alleine sprechen", sagte sie. Schließlic­h gebe es andere Athletinne­n, die sich klarer äußerten. Kostyuk führte Daria Kasatkina als Beispiel an. Die Russin äußerte sich zuletzt offen und überaus mutig über den Krieg.

Anfang Mai, beim Turnier in Madrid, sagte Kasatkina nach dem Spiel gegen die Ukrainerin Lesia Tsurenko, die die russische Kontrahent­in nach dem Matchball eben

falls ohne Handschlag am Netz stehen ließ: "Die Ukrainer haben Grund dazu, uns nicht die Hand zu geben." Und so ganz ignoriert wurde Kasatkina von ihrer Gegnerin damals offenbar doch nicht. "Wir haben uns zugewinkt", verriet sie. "Darüber war ich glücklich."

"Kasatkina steht auf der Seite der Wahrheit, der Liebe und der Herzlichke­it", sagte Kostyuk nun in Paris und kritisiert­e noch einmal die russischen und belarussis­chen Konkurrent­innen. "Wir sind nur fünf ukrainisch­e Spielerinn­en in den Top 100. Es wäre leicht gewesen mit uns zu sprechen. Sie haben schon 15 Monate Zeit gehabt."

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Die Belarussin Aryna Sabalenka (l.) und die Ukrainerin Marty Kostjuk (r.) gehen sich aus dem Weg

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