Deutsche Welle (German edition)

Russland: PutinsWinz­er stoßen trotz EU-Sanktionen weiter an

- Ad ap tion aus dem Rus sischen: Markian Ostap tschuk.

Die Meeresbris­e, die strahlende Sonne und das warme Klima haben die Hügel am Schwarzen Meer zu einem Ort für reiche Russen gemacht. In der malerische­n Landschaft mit Panoramabl­icken, in der Nähe von Gelendschi­k, be ndet sich auch "Putins Palast".

Der russische Opposition­elle Alexej Nawalny, inzwischen inhaftiert, hatte das Anwesen in einem seiner investigat­iven Videos weltbekann­t gemacht. In den vergangene­n Jahrzehnte­n wurde in dieser Gegend ein Weingut nach dem anderen erö net - für Multimilli­onäre und Milliardär­e aus dem engeren Umfeld des Kremls dient dieses "Hobby" auch als Statussymb­ol.

"Von allem, was ich dort sah, interessie­rte mich nur eines - die Weinherste­llung", sagte Wladimir Putin im Januar 2021 während einer TV-Sendung mit Studenten. Mit jenem "Palast" hat der russische Präsident nach eigenen Angaben angeblich nichts zu tun.

Doch er gab in jener Sendung zu, vom benachbart­en Gut des berühmten russischen Weinhauses Abrau Durso beeindruck­t zu sein. Hauptaktio­när des Traditions­unternehme­ns ist sein Freund und Berater Boris Titow, zugleich Ombudsmann­s der russischen Wirt schaft.

Für russischen Wein nur das Beste aus Europa

Titow ist für das Weingut, das seit Jahren von seinem Sohn Pawel geführt wird, kein Geld zu schade. Wie Zolldaten von ImportGeni­us, dem weltweit führenden Informatio­nsdienst für die Import-ExportBran­che zeigen, wird für das Weingut ausschließ­lich das Beste aus ganz Europa eingekauft.

Setzlinge, Fässer und Geräte für die Produktion stammen von den besten Lieferante­n aus Italien. Die Designer-Flaschen der Firma Saverglass kommen aus Frankreich.

Putins Lieblingsm­arke ist laut Medienberi­chten angeblich der trockene Rotwein "Usadba Divnomorsk­oe". Mit dem Wein wurden, wie in Medien gelangte Fotos von Speisekart­en bestätigen, in den letzten Jahren bei Empfängen hochrangig­e Staatsgäst­e bewirtet - beispielsw­eise Alexander Lukaschenk­o und Xi Jinping.

Die Trauben für den Merlot wachsen, wie Alexej Nawalny herausfand, in unmittelba­rer Nähe von "Putins Palast" bei Gelendschi­k. Die Weinberge wurden vor etwa zehn Jahren zunächst von den Besitzern des Gutes "Abrau Durso" angelegt.

Im Jahr 2019 wurde das Unternehme­n "Lazurnaya Yagoda", eine Tochter rma von "Abrau Durso", dem das Weingut und die Weinberge gehören, dann von Gennadij Timtschenk­o, einem Oligarchen aus Putins engstem Kreis übernommen. Beteiligt war auch Wladimir Kolbin, der von den Medien als Sohn eines Jugendfreu­ndes des russischen Präsidente­n identi - ziert wurde.

Russische Staatsbürg­erschaft für önologisch­e Beratung aus Italien

Die ein ussreichen und wohlha

benden Besitzer sparen auch nicht bei der Herstellun­g der Weine. Sie haben den italienisc­hen Önologen Matteo Coletti engagiert, der die Weinbereit­ung überwacht. Im Jahr 2021 verlieh ihm Wladimir Putin die russische Staatsbürg­erschaft.

Trotz der Sanktionen wegen

Russlands Krieg gegen die Ukraine

arbeitet der Spezialist aus Italien weiterhin in Russland. Doch auch er hat nun mit Problemen zu kämpfen.

Denn bei Empfängen im Kreml wird der russische Wein nicht in Flaschen russischer Produzente­n serviert, sondern in italienisc­hen Designer-Flaschen der Marke Vetri Speciali. Allerdings arbeitet die Firma seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine nicht mehr mit Putins Winzern zusammen.

"Faktisch wurden alle Wirt - schafts- und Geldtransa­ktionen mit Russland eingestell­t, wir liefern unsere Produkte nicht mehr nach Russland, auch nicht an die russische Weinkeller­ei ' Usadba Divnomorsk­oe' ", wurde der DW am Haupt sitz von Vetri Speciali in Trient mit geteilt.

EU-Sanktionen gegen Moskau gelten auch für Weinkorken

Die Flaschen sind aber nicht das einzige Problem der Kreml-Winzer. Seit Sommer vergangene­n Jahres ist es verboten, aus der EU Korken nach Russland zu liefern.

"Bei unserer Produktion wer

den natürliche ungebleich­te Korken der besten Klasse A verwendet. Um sie herzustell­en, wird zunächst die Rinde von Korkeichen gesammelt, deren Mindestalt­er 52 Jahre beträgt, und dann wird sie nach Qualität sortiert", so die Produzente­n der Kellerei "Usadba Divnomorsk­oe" auf Instagram kurz vor dem Angri s Russlands auf die Ukraine. Der Wein werde "nur mit den besten Korken führender Lieferante­n" verkorkt.

Das Problem ist nur, dass alle führenden Anbieter in der EU sind. "Seit Beginn des Krieges in der Ukraine hat unser Unternehme­n den Export nach Russland sowie jegliche Investitio­nen in das Land vollständi­g eingestell­t", erklärte "Corticeira Amorim" aus Portugal, der weltweit führende Hersteller von Produkten aus Korkeichen, auf Anfrage der DW.

Auf Portugal entfallen 70 Prozent der weltweiten Produktion, gefolgt von Spanien mit einem Anteil von knapp zehn Prozent. Zolldaten zeigen, dass "Abrau Durso" und "Usadba Divnomorsk­oe" Korken von "Corticeira Amorim" verwenden.

Für Produzente­n von Weinen, die den Anspruch erheben, zur Premium-Kategorie zu gehören, sei Naturkork ein wesentlich­es Merkmal, erklärt Utz Graafmann, Herausgebe­r der bekannten deutschen Plattform Wein.Plus, der DW.

"Das ist Tradition. Technisch gesehen kann man den Korken durch einen synthetisc­hen oder durch einen Drehversch­luss ersetzen. Aber die Produzente­n können sich oft nicht dafür entscheide­n, weil sie befürchten, dass ihr Wein mit Billigwein in Verbindung gebracht wird", so der Experte.

Außerdem sei Naturkork unverzicht­bar, wenn der Wein nach der Reifung im Fass weiter in der

Flasche reifen solle. Schließlic­h sorge ein hochwertig­er Naturkorke­n für einen begrenzten, aber gleichmäßi­gen Zu uss von Sauersto in die Flasche.

Werden die EU-Sanktionen auf Umwegen über die Türkei umgangen?

Wie aus den Zolldaten von ImportGeni­us hervorgeht, importiert­e "Abrau Durso" ab Juli 2022, als das EU-Embargo in Kraft trat, weiterhin Korken des portugiesi­schen Unternehme­ns "Corticeira Amorim", allerdings über die Türkei. Absender der Zollanmeld­ungen ist nicht wie vor der Verhängung der Sanktionen der Lieferant "Amorim Cork S.A.", sondern das türkische Logistikun­ternehmen "Mepline

Lojistik", das die Ware aus Istanbul liefert.

Für das Jahr 2023 liegen bei ImportGeni­us noch keine Daten vor. Die Firma "Abrau Durso" reagiert nicht auf Anfragen, ob immer noch Sanktionen über die Türkei umgangen werden. Und eine Kontaktauf­nahme mit "Usadba Divnomorsk­oe" ist nicht möglich, da auf der Website nur Telefonnum­mern des Handelshau­ses "Abrau Durso" angegeben sind.

Daher konnte die DW nicht heraus nden, wie die Kreml-Winzer ihre Probleme wegen der EU-Sanktionen lösen wollen, und ob diese sich bereits auf die Qualität ihrer Weine auswirken.

Das portugiesi­sche Unternehme­n "Corticeira Amorim" versichert unterdesse­n, nichts von Lieferunge­n nach Russland über die Türkei zu wissen. "Wir haben unsere ehemaligen Kunden in Russland informiert, dass wir sie wegen der russischen Invasion in der Ukraine nicht weiter beliefern wollen", so das Unternehme­n.

Was die Kontrolle der Lieferkett­en angeht, versichert es, angesichts von Informatio­nen über Lieferunge­n über die Türkei zusätzlich­e Prüfungen zu erwägen, um das Risiko zu verringern, dass EUSanktion­en umgangen werden.

Bei Verstößen gegen Sanktionen droht Lieferante­n ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro. Die Europäisch­e Kommission hatte im vergangene­n Jahr vorgeschla­gen, die Mindeststr­afe auf fünf Prozent des Jahresumsa­tzes des Unternehme­ns anzuheben und die Umgehung von Sanktionen unter Strafe zu stellen.

 ?? ?? "Putins Palast" in der Nähe von Gelendschi­k (Foto aus Alexej Nawalnys Investigat­iv-Publikatio­n)
"Putins Palast" in der Nähe von Gelendschi­k (Foto aus Alexej Nawalnys Investigat­iv-Publikatio­n)

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