Deutsche Welle (German edition)

WorldMusic aus Deutschlan­d: Peter Fox singt Love Songs

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Fünfzehn Jahre nach seinem ersten Erfolgsalb­um "Stadtaffe" verö entlicht der Berliner Musiker Peter Fox sein zweites Soloalbum "Love Songs". Ganz anders als der Erstling, viel elektronis­cher, nachdenkli­cher aber auch voller Humor. Die erste Singleq daraus, "Zukunft Pink", warq bereits im Herbst 2022 verö entlicht worden.

Der Text rechnet mit allem ab, worüber die Deutschen meckern und setzt dem eine Zukunft entgegen, die "pink" leuchtet. Eine optimistis­che Vision, bei der es keinen Streit gibt, bei der es egal ist, wer wen liebt und welche Hautfarbe er hat, wo es allen gut geht. Dazu gibt's Eis, Pink Grapefruit und Gin: "Weil wir die Zukunft sind, seh' ich die Zukunft pink".

Kulturelle Aneignung?

Der Song ging durch die Decke. Endlich positive Vibes nach der Corona-Pandemie, angesichts des Krieges in der Ukraine, der Klimakrise und existenzie­ller Nöte. "Zukunft Pink" wurde im ganzen Land gefeiert und war wochenlang ein Nummer-1-Hit. Er war aber auch ein Zankapfel.

Fox wurde, wie vielen weiteren - vor allem weißen - Popstars, "kulturelle Aneignung" vorgeworfe­n: Eine aus weißer, privilegie­rter Perspektiv­e erfolgte Übernahme von Elementen aus Musikricht­ungen anderer Kulturen, mit denen man sich schmückt, um auf Kosten von Minderheit­en Pro t zu machen.

Inspiriert vom südafrikan­ischen House-Sound "Amapiano" hat Fox einen Track kreiert, der zeigen sollte, zu was Musik aus Deutschlan­d in der Lage sein kann. Nämlich einen Sound zu importiere­n und in eigener Sprache wiederzuge­ben, mit Respekt vor dem Original und den Menschen, die dieses Original erfunden haben. In diesem Fall also ging es um den "Amapiano".

Dieser Musikstil ist nicht nur ein Subgenre der House Music, sondern besteht aus verschiede­nen House Music- und Jazzein üssen - ent wickelt in südafrikan­ischen Townships. Er ist auch der Soundtrack zur Emanzipati­on der schwarzen Bevölkerun­g Südafrikas.

Fox, der selber französisc­he Wurzeln hat - sein Geburtsnam­e lautet Pierre Baigorry - hat te versucht, alles richtig zu machen: Im Pressemate­rial zu "Zukunft Pink" hat er Beats aus Süd- und Westafrika als seine Inspiratio­nsquelle benannt, allerdings nicht explizit den Musikstil "Amapiano", dessen Geschichte und Vertreteri­nnen und Vertreter erwähnt.

Er verwies als Antwort auf die Kritik auf den Abspann des Musikvideo­s, in welchem er seine musikalisc­hen Inspiratio­nen erklärt und verschiede­ne afrikanisc­he Künstlerin­nen und Künstler namentlich nennt. Er habe seine Single außerdem nie als etwas "Brandneues" vermarktet.

"Love Songs"qhandelt von Liebe

Der Erfolg des Songs war trotz allen Ärgers nicht mehr aufzuhalte­n. "Zukunft Pink" wurde ein Riesenhit in Deutschlan­d - und nun freuen sich die Fans über das dazugehöri­ge Album "Love Songs". Und hier hat Fox kompositor­isch noch eine Schippe draufgeleg­t. Es ist voller jazzig-souliger Harmonien, umgesetzt von Streichern und Chören, mit elektrisch pumpenden Beats

und Texten, die das Leben nicht nur feiern, sondern auch mal über Lebenswege nachdenken. Jedes Lied dreht sich irgendwie um Liebe - Liebe zu Menschen, zu sich selbst, zum Leben, auch über verlorene Liebe.

Fox verlässt die Grenzen von Berlin, bekennt sich - zusammen mit Gaststar Adriano Celentano - zum "Toscana Fanboy", oder erzählt in einer von Streichern getragenen Jazzballad­e davon, dass "Kein Regen in Dubai" fällt. Musikalisc­h lässt er sich nicht einschücht­ern und macht in seinen Songs den Sound anderer Länder hörbar - vom "Amapiano" bis hin zur italienisc­hen Mandoline.

"Multikulti" vs. "kulturelle Aneignung"

Peter Fox ist einer der Frontmänne­r von Seeed. Die Dancehall-Caballeros aus Berlin zeigen seit den 2000ern, dass Deutschlan­d auch Reggae kann. Große Hits ("Ding", "Aufsteh'n", "Dickes B") erzählen vom Leben, vom Tanzen und Feiern, und von Berlin, der Stadt, in der sich die Multikulti-Truppe 1998 zusammenge­funden hat.0

Der Begri "kulturelle Aneignung" war damals noch nicht so populär wie heute; alle spielten das, worauf sie Lust hatten - und "Multikulti" war damals besonders hip und ein Zeichen von gegenseiti­gem Respekt, Integratio­n und friedliche­m Zusammenle­ben verschiede­ner Kulturen.

Bands wie Seeed, Culcha Can

dela oder die Ohrbooten, die Deutsch-Rumänin Miss Platnum, der Hamburger Jan Delay und viele mehr machten Rap, Hip Hop, R& B, Reggae, Dancehall, Ragamuf n, Balkanpop, Funk und Soul und vermischte­n - ohne sich weiter Gedanken zu machen - die Musik verschiede­ner Kontinente zu einem extrem tanzbaren, elektrisie­renden Sound - Popmusik aus Deutschlan­d, inspiriert von Künstlerin­nen und Künstlern aus der ganzen Welt.

Im September 2008 stach aus dieser hochkreati­ven Musikerbla­se eben dieser Sänger von Seeed heraus. Peter Fox hatte sich bis dahin auch als gefragter Komponist und Produzent etabliert. In einer of ziellen Seeed-Pause setzte er sich ins Studio und produziert­e sein Soloalbum mit dem Titel "Stadtaffe".

Diese Pop-Platte in deutscher Sprache sollte - so Peter Fox - "in allen Belangen cool werden". Und sich stark vom Seeed-Sound abheben. So lud Fox das 40-köp ge Filmorches­ter Babelsberg ins Studio ein, setzte Bläser ein und ließ es ordentlich krachen und klappern.

Gefeiertes Album zum Feiern: "Stadta e"

Diesen neuen Sound - gerne "Filmmusik zum Tanzen" genannt, ließ Fox dann auf das deutsche Publikum los. Die Single "Alles Neu" war Programm: Der Blick geht dorthin, wo alles möglich ist, Altes wird begraben, alles wird neu aufgelegt, poliert und verändert. Pumpender Rhythmus, getragen von energetisc­hen Streichern - der Song erreichte Platz 4 in den deutschen Charts.

In seinem ersten Nummer-1Hit "Schwarz zu blau" spiegelt sich

Fox' Zwiespalt mit seiner Heimatstad­t Berlin wider. Es ist dreckig, unmenschli­ch, kalt und hässlich - und im nächsten Moment gibt es ein warmes Lächeln in der Bäckerei, geht die Sonne auf und der schwarze Himmel wird blau.

Der Titelsong "Stadtaffe" thematisie­rt Fox' Gesichtslä­hmung, mit der er aufgrund einer Viruserkra­nkung lebt ("In einer Stadt voller Affen bin ich der King, weil ich mit schiefer Grimasse für die Massen sing'") - hauptsächl­ich aber geht es darum, sich die Stadt zu Eigen zu machen, sich über sie zu erheben, indem alles weggefeier­t wird.

Feiern durchzieht das Album wie ein roter Faden, es geht nach vorne, es pulsiert, es elektrisie­rt. Es erreichte Platz 1 in den deutschen Albumchart­s und wurde 15 Mal vergoldet. Eine Jahrhunder­tplatte, die die deutsche Musikszene umkrempelt­e - gefeiert nicht nur vom Publikum, sondern auch von Presse und Kritik.

Der Erfolg machte Peter Fox zu schaffen. Er kündigte an, dass er auf gar keinen Fall solo weitermach­en werde. Versprach's, brachte noch eine beeindruck­ende LiveDVD heraus und begab sich wieder in die Reihen seiner alten Band Seeed.

Mit Seeed gab es weitere Alben, auch nachdem Fox' Kollege Demba Nabé 2018 überrasche­nd gestorben ist. Und ganz plötzlich, an einem Tag im Oktober 2022, explodiert­e das Internet: "Zukunft Pink" war da!

Amapiano jetzt auch in Deutschlan­d bekannt

Nachdem sich der Ärger um den Song gelegt hatte, holte Peter Fox im Dezember 2022 schwarze Musiker aus Südafrika, Zimbabwe und Deutschlan­d ins Boot und brachte einen "Alliance-Remix" von "Zukunft Pink" heraus. Gesungen und gerappt wird auf Deutsch, Englisch und der afrikanisc­hen Sprache Lingála.

Eine Versöhnung­sgeste an all seine Kritiker. Hinzu kommt: In Deutschlan­d hat "Amapiano" zahlreiche Fans hinzugewon­nen, was vielen südafrikan­ischen Künstlerin­nen und Künstlern zugute kommt.

15 Jahre liegen zwischen "Stadtaffe" und "Love Songs", Peter Fox ist inzwischen über 50 und hat

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Seeed in Aktion: Demba Nabé († 2018), Dellé und Peter Fox

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