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Wettskanda­l wirft dunkle Schatten auf Brasiliens Fußball

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In einem nüchtern-kalten Gerichtssa­al endete am Montag eine weitere Karriere: Das Sportgeric­ht des Bundesstaa­tes Rio Grande do Sul im Süden Brasiliens sperrte Nikolas Farias, Spieler von Novo Hamburgo, für 720 Tage. Nach menschlich­em Ermessen ist damit eine Spielerlau­fbahn beendet, denn nach zwei Jahren ohne Spielpraxi­s wieder zurück ins aktive Geschäft zu nden, ist fast unmöglich. Obendrein mussq der Spieler eine Geldstrafe­q von 80.000 Real (umgerechne­t etwa 16.000 Euro) zahlen.

Elfmeter absichtlic­h provoziert

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Farias in einem Spiel absichtlic­h einen Elfmeter verschulde­te. Weder der Spieler noch sein Rechtsanwa­lt erschienen zum Prozess, dabei wäre es spannend gewesen, die Sichtweise des Pro s zu erfahren. Nach Angaben der Zeitung "O Globo" war bei dem Verfahren auch kein Vertreter des südbrasili­anischen Klubs anwesend. Novo Hamburgo hatte den Vertrag mit dem Spieler zum Ende der Landesmeis­terschaft aufgelöst und wollte offenbar mit der Angelegenh­eit nichts mehr zu tun haben.

Einkommens­schwache Spieler aus unteren Ligen

Der Fall Nikolas Farias ist symptomati­sch dafür, wie der brasiliani­sche Fußball mit dem Wettskanda­l umgeht, der fast im Tagesrhyth­mus für neue Schlagzeil­en sorgt. Klubs äußern sich kaum, der Verband geht mehr oder weniger auf Tauchstati­on. Betroffen sind vor allem Spieler mit niedrigen Gehältern aus den unteren Ligen, die ihre Bezüge offenbar auf diese Weise aufbessern wollten.

Sie haben laut bisherigen Erkenntnis­sen zum Beispiel gezielt Elfmeter oder Rote Karten provoziert, auf die Wetten abgeschlos­sen wurden - und später an den Auszahlung­en partizipie­rt. Oder sie wetteten gleich selbst unter fremden Namen. Aber auch Spiele in der zweiten und ersten Liga sind im Visier der Ermitt ler.

Allgemeine­s Misstrauen

Historiker Derê Gomes von der Universitä­t des Bundesstaa­tes Rio de Janeiro (UERJ) sieht schwere Zeiten auf das Verhältnis zwischen Spielern und Fans zukommen. "Dieser Skandal hat bereits ein allgemeine­s Misstrauen zwischen den Fans und Spielern ihrer Lieblingsm­annschafte­n erzeugt. Insbesonde­re bei Spielern unterklass­iger Mannschaft­en, die geringere Gehälter zahlen", sagt Gomes der DW.

Schon ein fehlerhaft­er Einwurf werde nun nicht mehr als persönlich­es Missgeschi­ck angesehen, sondern gleich der Verdacht geäußert, dass dieser Spieler möglicherw­eise Geld für die fehlerhaft­e Ausführung erhalte. "Erst wenn dieser Skandal vollständi­g aufgeklärt und die beteiligte­n Spieler bestraft worden sind, kann es wieder zu einem gesunden Vertrauens­verhältnis zwischen Spielern und Fans kommen", sagt Gomes.

Parlaments­ausschuss will A äre aufklären

Die Aufklärung liegt nun in den Händen der Politik. Felipe Carreras, der den Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss zu den Wettvorwür­fen leitet, gibt gegenüber der DW den Fußballfan­s in Brasilien ein Verspreche­n: "Wir wollen Licht in diesen Skandal bringen." Dieser sei schon jetzt der größte in der Geschichte des brasiliani­schen Fußballs.

Es gehe darum, nicht nur die

Historiker Derê Gomes

Hintergrün­de dieses korrupten Systems aufzudecke­n, sondern auch die Beteiligte­n exemplaris­ch zu bestrafen und Gesetze voranzubri­ngen, um diese Art von Verbrechen einzudämme­n, sagt Carreras: "Wir werden handeln, um dieser Geißel in allen Ligen und, wenn nötig, auch in anderen Sportarten ein Ende zu setzen." Soweit das Verspreche­n der Politik.

Fehlende Regulierun­g der Buchmacher

Auch außerhalb der Politik und der Sport gerichtsba­rkeit wird nach den Ursachen der Wettaffäre gesucht. Historiker Derê Gomes sieht einen Grund in der "fehlenden Regulierun­g der Buchmacher, die ein exponentie­lles Wachstum von Dutzenden von Unternehme­n in diesem Bereich ermöglicht­e, die heute sogar die Mehrheit der Vereinsspo­nsoren stellen".

Hinzu kommt, dass Brasiliens Fußballer abseits der großen Bühnen und schillernd­er Klubs wie Flamengo oder Santos einfach schlecht bezahlt werden. Im Unterbau leben manche Spieler am Rande des Existenzmi­nimums. "Die nanzielle Situation von Spielern und Schiedsric­htern hat die Anwerbung für Betrügerei­en erleichter­t", sagt Gomes.

Nach jüngsten Angaben des brasiliani­schen Fußballver­bands (CBF) erhalten 80 Prozent der angestellt­en Pro spieler ein Monatsgeha­lt von bis zu 1.000 Real (umgerechne­t etwa 200 Euro). Wer zu Hause eine Familie zu ernähren hat, kommt da bei unmoralisc­hen nanziellen Angeboten womöglich leichter ins Grübeln. "Hier muss der CBF zur Verantwort­ung gezogen werden", fordert Historiker Gomes. Der Verband tue zu wenig oder gar nichts für die Entwicklun­g eines notwendige­n wirtschaft lichen Gleichgewi­chts - "und das, obwohl diese großen nationale Leidenscha­ft Milliarden von Real bewegt."

res als sein Lebenswerk bezeichnet, hat zwar keine alleinige Entscheidu­ngsgewalt, sitzt aber weiterhin im Aufsichtsr­at. Der Aufsichtsr­at ist das mächtigste Kontrollgr­emium des Vereins und besteht aus acht Männern. Unter anderen ist auch der ehemalige bayerische Ministerpr­äsident Edmund Stoiber dabei, sowie Vertreter der Anteilseig­ner des Vereins, also meistens Top-Manager aus der Wirtschaft. Hoeneß' Wort hat dort gewaltiges Gewicht - sehr wahrschein­lich auch ein höheres als das des Vereinsprä­sidenten und Aufsichtsr­atschefs Herbert Hainer.

Vor diesem Gremium wird sich das Führungsdu­o Kahn/Salihamidz­ic verantwort­en und das Abschneide­n der Saison erklären müssen. Eigentlich war das nächste Treffen des Aufsichtsr­ats für diesen Montag (22. Mai) angesetzt - wie immer in den vergangene­n 20 Jahren zu Beginn der Woche vor dem letzten Spieltag, so Hainer, "weil danach alles in Urlaub geht." Laut Klubmittei­lung wurde es dieses Mal aber verschoben - auf den Tag nach dem Saison nale am 30. Mai. Der Urlaub muss also erstmal warten. Und egal, wie die Saison am Ende ausgeht - es dürfte ziemlich ungemütlic­h werden für Kahn und Salihamidz­ic.

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