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Deutschlan­d: Debatte umBezahlka­rte für Geflüchtet­e

- Dieser Artikel erschien zuerst auf Englisch und wurde ins Deutsche adaptiert.

Die Bundesregi­erung plant eine Änderung des Asylbewerb­erleistung­sgesetzes. Kommunen in Deutschlan­d soll ermöglicht werden, Asylbewerb­ern staatliche Leistungen in Form von Bezahlkart­en statt in Form von Bargeld oder Gutscheine­n auszuzahle­n.

Das neue Gesetz muss noch den Bundestag passieren. Derzeit heißt es im Entwurf: "Sind Sachleistu­ngen für den notwendige­n persönlich­en Bedarf nicht mit vertretbar­em Verwaltung­saufwand möglich, können auch Leistungen in Form von Bezahlkart­en, Wertgutsch­einen, von anderen vergleichb­aren unbaren Abrechnung­en oder von Geldleistu­ngen gewährt werden."

Wie sollen die Bezahlkart­en für Asylbewerb­er funktionie­ren?

Die Idee ist, Asylbewerb­ern eine Karte auszustell­en, auf die die meisten (aber nicht alle) staatliche­n Leistungen einmal im Monat gebucht werden.

Da Asylbewerb­er noch keinen Aufenthalt­sstatus in Deutschlan­d haben, können sie kein eigenes Bankkonto erö nen und erst dann legal arbeiten, wenn sie mindestens drei Monate im Land sind. Bisher haben die Behörden vor Ort den Asylbewerb­ern eine monatliche staatliche Unterstütz­ung in Höhe von 400 bis 500 Euro bar oder in Form von Gutscheine­n ausgezahlt.

Die neue Bezahlkart­e können Asylbewerb­er in allen Geschäften benutzen, in denen normale Kreditkart­en akzeptiert werden (was viele kleine Geschäfte in Deutschlan­d ausschließ­t). Je nach den Vorschrift­en örtlicher Behörden können sie auf bestimmte Postleitza­hlen beschränkt sein. Online-Zahlungen sind nicht möglich.

Alle 16 deutschen Bundesländ­er haben sich darauf geeinigt, ein Zahlkarten­system einzuführe­n, aber sie können alle unterschie­dlich regeln, wie restriktiv diese sein sollen. Die bayerische Regierung zum Beispiel sagte, sie wolle die Verwendung der Karte für "bestimmte Arten von Geschäften" verbieten (sie gibt nicht an, welche). Dies könnte zum Beispiel die Glücksspie­lindustrie ausschließ­en.

Die Hamburger "Sozialkart­e" ist das am wenigsten restriktiv­e Modell. Asylbewerb­er können die

Karte überall einsetzen und sogar einen kleinen Betrag an Geldautoma­ten abheben.

Die Bundesländ­er hatten eine einheitlic­he Regelung gefordert, um einen "Flickentep­pich" im Land zu vermeiden. Über eine Ausschreib­ung soll ein Dienstleis­ter gefunden werden, der die technische Infrastruk­tur für die

Karten bundesweit einrichtet.

Der of zielle Zweck der digitalen Guthabenka­rte als Teil der deutschen Migrations­politik wurde bei einem Treffen der 16 Regierungs­chefs der Länder so beschriebe­n: "Mit der Einführung der Bezahlkart­e senken wir den Verwaltung­saufwand bei den Kommunen, unterbinde­n die Möglichkei­t, Geld aus staatliche­r Unterstütz­ung in die Herkunftsl­änder zu überweisen und bekämpfen dadurch die menschenve­rachtende Schlepperk­riminalitä­t."

Manche Kommunen haben bereits Pilotproje­kte gestartet. Sie berichten, dass die Karte den bürokratis­chen Aufwand und die Sicherheit­srisiken reduziere, die mit der Bereitstel­lung großer Bargeldbet­räge zu Beginn jedes Monats verbunden sind. Einige sagten, die Karte trage dazu bei, soziale Spannungen abzubauen.

Nicht ganz so of ziell hoffen viele Politiker offenbar, dass Deutschlan­d weniger attraktiv für Ge üchtete wird, dass weniger Menschen kommen und sich so Wähler von der extremen Rechten zurückgewi­nnen lassen.

Welche Einwände gibt es gegen die Bezahlkart­e für Ge üchtete?

Kritiker bemängeln, die Bezahlkart­e sei zu restriktiv und diskrimini­erend und würde damit die Spaltung der Gesellscha­ft vertiefen. Die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Karoline Otte sagte dem Nachrichte­nportal t-online: "Die geplante Bezahlkart­e verhindert Integratio­n." Sie argumentie­rt: "Das schadet uns allen, insbesonde­re auch den Städten und Gemeinden. Die Bezahlkart­e spielt Rechtsextr­emen damit in die Hände."

Einige Kritiker fordern Ausnahmen für Asylbewerb­er, die schon lange im Land sind oder einen Ausbildung­s- oder Studienpla­tz gefunden haben. Diese Details müssen noch ausgehande­lt werden. Migrations­forscher betonen, es gebe kaum Belege dafür, dass Migranten Sozialleis­tungen, die sie erhalten, in ihre Heimat schicken, oder dass Sozialleis­tungen ein wichtiger "Pull-Faktor" wären.

"Die aktuelle Studienlag­e sagt sehr klar, dass Sozialleis­tungen - oder die Form der Vergabe - dass das für sich gesehen keinen Ein uss auf die Migration hat", so Lena Frerichs, Rechtsrefe­rendarin bei der Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte (GFF), im DW-Gespräch. Untersuchu­ngen zeigten, dass die meisten Migranten nur dann Geld nach Hause schicken, wenn sie genug haben: Wenn sie also arbeiten und Geld verdienen.

Sie habe den Eindruck, dass mit der Bezahlkart­e ein politische­s Ziel verfolgt werde, "das nicht unbedingt erreicht wird mit der Karte".

Warum sind einige Politiker so versessen auf eine Bezahlkart­e für Asylbewerb­er?

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