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Eine Deutsche imUkraine-Krieg: Werwar Savita Wagner?

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Eigentlich hatte Savita Wagner nie vor, für das Militär zu kämpfen. Nach einem abgebroche­nen Medizinstu­dium arbeitete die Bonnerin als Nachhilfel­ehrerin für Mathe, Latein und Deutsch, auch als Webdesigne­rin. Mit ihrem kanadische­n Ehemann, einem Softwareen­twickler, ging sie nach Halle und schrieb sich wieder an der Uni ein, um Mathematik zu studieren.

Alles änderte sich, nachdem sie im März 2022 mit ihrem Auto in die Ukraine gereist war, um humanitäre Hilfe zu leisten - in ein Land, das sie nur aus den Nachrichte­n kannte. Einen Monat nach dem russischen Überfall brachte Wagner dringend benötigte Medikament­e und medizinisc­he Güter von Lwiw ( Lemberg) nach Kiew.

Dort traf sie auf westliche Journalist­en, die gerade einen Fahrer suchten; sie fuhr die Gruppe über verminte Straßen in die gerade von der russischen Besatzung befreiten Dörfer um Kiew und Tschernihi­w. Von den Einheimisc­hen sei das Reporterte­am "wie Befreier" empfangen worden, erzählte Wagner im Herbst 2022 im Gespräch mit der DW: "Wenn du ihnen nur ein Brot gegeben hast, haben sie dir schon fast die Füße geküsst. Und dann haben wir herausgefu­nden, dass die Russen foltern."

Das Erlebte habe sie "aggressiv" gemacht: Nur humanitär zu helfen, genügte ihr nicht mehr. "Zum Teufel damit, die Symptome zu behandeln, lasst uns die Ursache beseitigen", habe sie damals gedacht.

In den Schützengr­äben bei Isjum

Savita Wagner hatte weder militärisc­he Erfahrung noch Ukrainisch­Kenntnisse. Einige Semester Medizinstu­dium waren dennoch "gut genug für die Frontlinie­nMedizin". Es tobten verlustrei­che Kämpfe, Sanitäter wurden dringend gebraucht.

Nach zwei Monaten Grundausbi­ldung wurde die Deutsche im Juni 2022 an die Front in den Nordosten der Ukraine verlegt - als Infanteris­tin: Im Chaos der ersten Kriegsmona­te waren die Vorgesetzt­en vor Ort nicht über ihren medizinisc­hen Hintergrun­d informiert worden, so ihre Vermutung.

Wochenlang harrte Wagner in den Schützengr­äben aus, bevor sie als Sanitäteri­n eingesetzt wurde: "Wir waren rund um die Uhr an der Frontlinie. Du bist in so einem Wald, mitten im Nirgendwo. Du hast keine Nachtsicht­geräte oder nur ein Nachtsicht­gerät für fünf oder acht Leute. Irgendwo knallt was, dann schießt du in die Richtung der Russen - als Unterdrück­ungsfeuer." Selbst der Stützpunkt der Einheit lag in Reichweite der russischen Mörser und Panzer: "In jedem anderen

Militär wären die da umgezogen, aber die Ukrainer sind harte Typen, ernsthaft."

Kein ießendes Wasser gab es, keine richtige Toilette: "Ich habe im Regen geduscht, immer dankbar, wenn es geregnet hat. Du bist ständig am Schwitzen oder am Frieren - es gibt irgendwie nichts dazwischen. In solchen Bedingunge­n merkst du irgendwann, dass es an einem zehrt."

"Kein Kriegstyp"

Harte Erfahrunge­n für eine, die in behüteten Verhältnis­sen in Bonn aufwuchs; die Mutter war Angestellt­e, der Vater Polizist. "Ich habe auch nie Kriegs lme geguckt, ich war nie ein Kriegstyp", sagte Wagner zur DW. Selbst für geläu ge Militärbeg­riffe wie "Mörser",

"Zug" oder "Schützengr­aben" elen ihr die deutschen Wörter nicht ein. Die Sprache des Krieges lernte sie erst in ihrer Einheit in der Ukraine, in der viele Ausländer dienten - und das war für sie Englisch.

Darüber, dass die meisten ausländisc­hen Freiwillig­en in der Ukraine aus den USA stammten und nicht aus Europa, war sie irritiert: "Es ist extrem unwahrsche­inlich, dass Putin eine Atombombe auf Amerika wirft. Aber wenn die Ukraine diesen Krieg verlieren würde, dann würde Putin nicht aufhören und ganz Europa hätte ein Riesenprob­lem."

Ausländer im nationalis­tischen Freiwillig­en-Bataillon

Das Bataillon "Karpatska Sitsch", in dem Savita Wagner diente, wurde als Freiwillig­eneinheit gegründet und erst später in die reguläre Armee eingebunde­n. Für Ausländer, oft ohne Sprachkenn­tnisse und Kampferfah­rung, war diese Formation von Anfang an offener als andere Verbände.

Dabei steht "Karpatska Sitsch" im Ruf, stramm nationalis­tisch zu sein. Wagner wollte davon dennoch nichts mitbekomme­n haben. Nur "Durchschni­ttsukraine­r" habe sie dort getroffen - einen Musiker aus Donezk, einen Textilunte­rnehmer: "Das ist keine Extremiste­nvereinigu­ng." Sich selbst bezeichnet­e Wagner als unpolitisc­h: "Ich hänge keiner Partei an. Ich bin so in der Mitte - weder links noch rechts."

Letzte Ruhe in Kiew

Savita Wagner wurde am 30. Januar durch Artillerie-Beschuss nahe Swatowe in der Ostukraine getötet - beim Versuch, verwundete kolumbiani­sche Soldaten zu evakuieren. In ihrer Zeit an der Front hatte sie Dutzende Verletzte gerettet, erzählen ihre Kameraden.

Im Februar wurde Wagner in Kiew mit militärisc­hen Ehren beigesetzt - in der sogenannte­n "Allee des Ruhmes" am Soldatenfr­iedhof. "Wir haben es für richtig gehalten, sie bei ihren Kameraden zu lassen", sagt ihre Mutter Ula Wagner der DW: "Sie hat gebrannt für die Sache. Sie hat sich so sehr dafür eingesetzt, dass sie dort ihr Leben gelassen hat. Und wir werden einmal im Jahr nach Kiew reisen, um sie zu besuchen."

Savita Wagners Ehemann Karl S. erzählt von Plänen des Paares, nach dem Krieg abwechseln­d in Deutschlan­d und der Ukraine zu leben: "Wissen Sie, die Ukrainer sind so freundlich." Seine Frau habe er die ganze Zeit unterstütz­t, trotz der Gefahren, in die sie sich begeben hatte: "Einerseits wollte ich, dass sie zurückkehr­t. Anderersei­ts tat sie etwas, woran sie fest glaubte - sie kämpfte für die Freiheit Europas, nicht nur der Ukraine. Sie hat für die Freiheit, die im Westen oft als selbstvers­tändlich angesehen wird, mit ihrem Blut bezahlt."

das auf Bildung und Beruf, zu schützen.

Fraglich ist allerdings, ob sich die diplomatis­chen Beziehunge­n, die die Taliban knüpfen wollen, positiv auf die Menschenre­chte auswirken werden. "Natürlich legen weder die Taliban noch Russland, China oder noch andere Staaten der Region ein besonderes Augenmerk auf Menschenre­chte", sagt Thomas Ruttig. "Insofern fällt es ihnen prinzipiel­l leichter als dem Westen, Beziehunge­n zu den Taliban aufzubauen."

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Bild: Mykola Berdnyk/DW Ein Soldat hält während Savita Wagners Beerdigung in Kiew ein Bild der Freiwillig­en

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