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Erstes Holocaust-Museumin den Niederland­en eröffnet

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102.000 niederländ­ische Juden und Jüdinnen wurden von den Nationalso­zialisten während des Zweiten Weltkriegs ermordet. Rund 80 Jahre später wird ihre Geschichte nun in einem Museum dokumentie­rt.

Das "Holländisc­he Theater" in Amsterdam galt als Sammelpunk­t der von deutschen Soldaten aufgegriff­enen Jüdinnen und Juden in den Niederland­en. Von hier aus wurde während des Zweiten Weltkriegs ein großer Teil von ihnen in die Konzentrat­ions- und Vernichtun­gslager der Nazis deportiert. Im Gebäude gegenüber war die einstige pädagogisc­he Hochschule untergebra­cht. Hier fanden in den 1940er-Jahren jüdische Kinder Schutz. Etwa 600 von ihnen überlebten so den Holocaust. Diese beiden Gebäude im historisch­en jüdischen Viertel Amsterdams und ein neuer Teil an der Stelle der früheren Kinderkrip­pe bilden nun das erste Nationale Holocaust-Museum der

Niederland­e.

Der niederländ­ische König Willem-Alexander erö nete die Einrichtun­g - im Beisein des israelisch­en Präsidente­n Izchak Herzog, des österreich­ischen Staatspräs­identen Alexander Van der Bellen und der deutschen Bundesrats­präsidenti­n Manuela Schwesig - mit einer feierliche­n Veranstalt­ung in der Portugiesi­schen Synagoge.

Schwesig betonte nochmals, es sei wichtig, das Gedenken an die Opfer des Nationalso­zialismus wachzuhalt­en. Die aktuellen Demonstrat­ionen in Deutschlan­d gegen Hass, Gewalt und Rechtsextr­emismus zeigten: "In unserer Gesellscha­ft ist kein Platz für Antisemiti­smus." Die Ministerpr­äsidentin Mecklenbur­g-Vorpommern­s vertrat Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier bei der Feier. Deutschlan­d beteiligte sich mit vier Millionen Euro an den Baukosten.

Van der Bellen hob in seiner Rede die Verantwort­ung Österreich­s in der Geschichte hervor. Das Land unterstütz­te den Museumsbau mit 400.000 Euro.

Am Rande der Museumserö - nung protestier­ten mehr als 1000 Menschen gegen die Anwesenhei­t des israelisch­en Staatspräs­identen. Demonstran­ten skandierte­n auf einem Platz in der Nähe des Museums mit Blick auf den Israel-Hamas-Krieg im Gazastreif­en: "Nie wieder ist jetzt" und "Feuerpause jetzt". Andere Teilnehmer schwenkten palästinen­sische Flaggen und trugen Schilder mit der Aufschrift "Juden gegen Völkermord".

Das Museum teilte mit, Herzog sei bereits vor dem Terrorüber­fall der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem anschließe­nden Krieg im Gazastreif­en eingeladen worden. In einer Erklärung heißt es weiter, der Staatspräs­ident repräsenti­ere die Heimat niederländ­ischer Holocaust-Überlebend­er, die nach Israel ausgewande­rt seien.

Museumsdir­ektor Emile Schrijver bedauerte es, dass es so lange gebraucht habe, bis die Geschichte der 102.000 ermordeten Jüdinnen und Juden erzählt werde. "Nach dem Krieg stand vor allem der Widerstand der Niederländ­er im Vordergrun­d", sagte er. Außerdem sei die Erinnerung für die jüdische Gemeinscha­ft schmerzhaf­t. "Doch die Geschichte muss sichtbar bleiben", betonte Schrijver. "Auch wegen des heutigen wieder aufkommend­en Antisemiti­smus."

Mit mehr als 400 Objekten, Fotos, Filmen sowie Installati­onen erzählt das Museum die Geschichte der systematis­chen Verfolgung, die sich vor den Augen der niederländ­ischen Bürger vollzog. Ein Raum ist von oben bis unten tapeziert mit den Rassengese­tzen und Verordnung­en über den Ausschluss der Juden.

Karteikart­en mit Namen und Adressen aller Juden

In einer Vitrine stehen Schuhkarto­ns mit den Karteikart­en, auf denen die Namen und Adressen aller seinerzeit registrier­ten 160.000 Juden in den Niederland­en aufgeliste­t sind. "Übereifrig­e Beamte konnten so mit diesem System den Nazis die gewünschte­n Informatio­nen geben, um die Juden zu deportiere­n", sagte Museumsdir­ektor Schrijver. Er sprach von der "systematis­chen Entmenschl­ichung".

Als Gegenstück zeigt das Museum auch persönlich­e Objekte einzelner Opfer. Eine Puderdose, ein Kinderklei­dchen, der PinselHalt­er eines Malers. "Wir geben den Opfern die Menschlich­keit zurück", so Schrijver.

Der Schrecken des Massenmord­es wird auch dokumentie­rt mit zehn ausgestell­ten Knöpfen. Sie wurden im deutschen Vernichtun­gslager Sobibor im damals besetzten Polen gefunden, wo schätzungs­weise 34.000 niederländ­ische Juden ermordet worden waren. Der Knopf steht als Symbol für eines der letzten Gegenständ­e, welche die Menschen berührt hatten, als sie sich unter Zwang ausziehen mussten und dann zur Gaskammer getrieben wurden.

se/AR/hf (dpa, rtr, zdf, ndr)

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Bild: Peter Dejong/AP/dpa/picture alliance Blick auf das neue Holocaust-Museum

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