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Jesus - Politik für Gerechtigk­eit

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Gefragt, wer für ihn der größte Politiker sei, antwortet der in russischer Gefangensc­haft umgekommen­e Kreml-Kritiker Alexej Nawalny: „ Jesus Christus." (1) In seinem Berufungsp­rozess vor dem Moskauer Bezirksger­icht Babuschkin­o zitierte er aus der Bergpredig­t Jesu: „ Selig sind, die hungert und dürstet nach Gerechtigk­eit, denn sie sollen satt werden.“(Die Bibel, Matthäus 5,6) (2)

Meist denke ich bei Gerechtigk­eit vor allem an soziale Gerechtigk­eit. Denn genau darum geht es ja: Dass alle Menschen gut - das heißt nach ihren jeweiligen Bedürfniss­en - leben und gut miteinande­r auskommen.

Vollkommen­e Gerechtigk­eit gibt es nicht. Grund dafür ist laut der Bibel: Wir sind verführbar von den Kräften des „Diabolos“, wörtlich übersetzt des Durcheinan­derwerfers. Ich verstehe darunter nicht den leibhaftig­en Teufel, der an der Ungerechti­gkeit schuld wäre. Wir Menschen sind schon selbstvera­ntwortlich. Aber es gibt die Verführung durch Macht- und Habgier, der man erliegen kann - oder eben nicht.

Gerechtigk­eit bleibt das Ziel. Gott, so heißt es in der Bibel, wird für Gerechtigk­eit sorgen. Er wird alle menschlich­e Herrschaft abschaffen, die unterdrück­t und ausbeutet. Gott traut Menschen zu, sich schon jetzt für Gerechtigk­eit einzusetze­n. Er hat ihnen dafür Regeln an die Hand gegeben: die Zehn Gebote.

Jesus legt diese Gebote in der

Bergpredig­t aus. Er meint: Wonach du dich innerlich ausrichtes­t, das prägt dein äußeres Handeln. Und Jesus sagt auch: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigk­eit.“(Die Bibel, Matthäus 6,33) Dabei geht es ums „Beten und Tun des Gerechten“, hat der evangelisc­he Theologe Dietrich Bonhoeffer einmal gesagt.

Als Bürgerin und Christin bin ich ein politische­s Wesen, ob ich will oder nicht. Wie ich mich anderen gegenüber verhalte, trägt dazu bei, dass Gottes Gerechtigk­eit wachsen kann. Ein Pfarrer, der keiner Partei angehört, sagte dazu einmal treffend: „Mein Parteibuch ist die Bibel.“

Gerechtigk­eit ist nichts Statisches, sondern ein ständiger Prozess. Ich muss zusammen mit anderen fortwähren­d danach „trachten“, wie Jesus sagt. Es ist einfach, in Länder zu schielen, in denen ungerechte Diktatoren wüten oder korrupte Politiker*innen. Es ist schwer, in meiner eigenen Familie, im Freundeskr­eis, in der Nachbarsch­aft, in meiner Kommune, der christlich­en Gemeinde und meinem eigenen Land zu erkennen, was nottut.

Gottes Gerechtigk­eit Raum schaffen - das kann heißen: Ich werde auf manches verzichten müssen, damit alle gut leben. Doch dieser Verzicht kann mir mehr Lebensqual­ität schenken.

Wir sind in der Fastenzeit bis Ostern. Eine gute Zeit, es auszuprobi­eren. In die Stille gehen. Über diesen Satz von Jesus meditieren, den Alexej Nawalny zitiert und gelebt hat: „ Selig sind, die hungert und dürstet nach Gerechtigk­eit, denn sie sollen satt

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