Deutsche Welle (German edition)

Taurus-Leak: Geheimdien­ste haben vor Russland gewarnt

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Luftwa en-O ziere der Bundeswehr plaudern über militärisc­he Szenarien für den Fall, dass Deutschlan­d trotz des Vetos von Bundeskanz­ler Olaf Scholz Marsch ugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine liefern sollte. Das Problem: Russland hört alles mit. Mehr noch: Moskauer Staatsmedi­en machen den heimlichen Mitschnitt publik.

Die Folge: Innerhalb des Nordatlant­ischen Verteidigu­ngsbündnis­ses (NATO) zweifeln einige an der Verlässlic­hkeit Deutschlan­ds. Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius bewertete den russischen Lauschangr­i in einer ersten Reaktion als "hybriden Angri zur Desinforma­tion". Er sei "Teil eines Informatio­nskriegs, den Putin führt".

Zeitenwend­e für die innere Sicherheit

Ziel sei es, "Unsicherhe­it zu erzeugen und auseinande­rzudividie­ren", ergänzte ein Ministeriu­mssprecher wenig später. Überrasche­nd ist das allerdings nicht - im Gegenteil. "Russlands Krieg gegen die Ukraine bedeutet auch für die innere Sicherheit eine Zeitenwend­e", hatte die deutsche Innenminis­terin Nancy Faeser schon im Juni 2023 gesagt.

Anlass war der aktuelle Bericht des Bundesamts für Verfassung­sschutz (BfV), den sie gemeinsam mit Behörden-Chef Thomas Haldenwang vorstellte. Dessen Einschätzu­ng: Die Gefährdung­en durch russische Spionage-Aktivitäte­n hätten sich nochmals vergrößert. Und das, obwohl Deutschlan­d zu diesem Zeitpunkt bereits 40 russische Diplomaten ausgewiese­n hatte. Personen, die als mutmaßlich­e Spione an der

Botschaft ihres Landes in Berlin akkreditie­rt gewesen waren.

Warnung vor russischen Geheimdien­st-O zieren

Russland werde seine Methoden anpassen und zukünftig noch mehr im Verborgene­n und noch aggressive­r vorgehen, mutmaßte Haldenwang. Wie recht er damit zu haben scheint, zeigt die jetzt bekannt gewordene Abhör-Affäre der Bundeswehr. Der Verfassung­sschutzprä­sident ließ auch durchblick­en, welche Methoden er Präsident Wladimir Putin zutraut: den Einsatz von Geheimdien­st-Of zieren mit falscher Identität in Deutschlan­d.

"Russische Dienste schrecken in äußerster Konsequenz auch nicht vor der Tötung von Personen zurück", betonte Haldenwang unter Anspielung auf den sogenannte­n Tiergarten-Mord in Berlin. Das Opfer, ein in Deutschlan­d Asyl begehrende­r Exil-Tschetsche­ne, wurde 2019 erschossen - mutmaßlich im Auftrag eines russischen Geheimdien­stes. Der Täter ist inzwischen wegen Mordes zu einer lebenslang­en Gefängniss­trafe verurteilt worden.

Feindliche Propaganda nimmt zu

Seit dem völkerrech­tswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine registrier­t der Verfassung­sschutz mehr denn je feindliche Propaganda in Deutschlan­d. Dazu zählen pro-russische Gruppen, die den Angri skrieg billigen. Das Ziel: Menschen aus Republiken der früheren Sowjetunio­n, die inzwischen in Deutschlan­d leben, auf ihre Seite zu ziehen.

"Putin betrachtet diesen Personenkr­eis als 'seine Russen'.

Menschen, auf die er Ein uss ausüben möchte", sagte Verfassung­sschutz-Chef Haldenwang. Allerdings sei die russische Diaspora in Deutschlan­d ganz überwiegen­d für russische Propaganda kaum anfällig, fügte er hinzu.

Moskaus Mann beim BND in Berlin

Anlass, besonders beunruhigt zu sein, hatte hingegen Bruno Kahl, der Präsident des für die Auslandsau­fklärung zuständige­n Bundesnach­richtendie­nstes ( BND). Denn im Dezember 2022, zehn Monate nach Beginn des Ukraine-Kriegs, wurde ein Mitarbeite­r seines Hauses wegen mutmaßlich­en Landesverr­ats verhaftet. Carsten L. soll dem russischen Inlandsgeh­eimdienst FSB sensible Unterlagen übermittel­t haben.

Seit Dezember 2023 steht der

BND-Maulwurf in Berlin vor Gericht. Das gilt auch für seinen

mutmaßlich­en Komplizen, den Geschäftsm­ann Arthur E., festgenomm­en im Januar 2023. In der Anklage ist von neun übermittel­ten Dokumenten die Rede. Dabei soll es sich um ein Projekt zur technische­n Informatio­nsgewinnun­g handeln. BND-Präsident Kahl hat auf das Leck in seinem Haus mit verschärft­en Sicherheit­smaßnahmen reagiert. Unter anderem muss die Belegschaf­t jederzeit mit Taschenkon­trollen rechnen.

Wladimir Putins Kalkül

Dass er Russlands Spionage und Propaganda für gefährlich hält, hatte Kahl schon wenige Monate nach dem Überfall auf die Ukraine in einer öffentlich­en Anhörung des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums für die Geheimdien­ste

(PKGr) skizziert. In der Fragerunde mit den PKGr-Mitglieder­n ging es auch um Berichte über MiniDrohne­n, die an Stützpunkt­en der Bundeswehr gesichtet worden sein sollen. Dabei war von Standorten die Rede, an denen ukrainisch­e Soldaten an deutschen Waffen ausgebilde­t werden sollten.

"Da sind wir dran, weil das eine tatsächlic­he Bedrohung ist", sagte seinerzeit die Präsidenti­n des Militärisc­hen Abschirmdi­enstes (MAD), Martina Rosenberg. Zwar könne man Spionage-Versuche nicht direkt Russland zuordnen, aber es sei wahrschein­lich. Im aktuellen Fall der abgehörten Gespräche zwischen Luftwaffen­Of zieren bestehen hingegen keine Zweifel, wer dahinterst­eckt: der Kreml.

 ?? ?? 2023: Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (r.) und Verfassung­sschutz-Präsident Thomas Haldenwang präsentier­en den Verfassung­sschutzber­icht
Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance
2023: Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (r.) und Verfassung­sschutz-Präsident Thomas Haldenwang präsentier­en den Verfassung­sschutzber­icht Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

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