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Warumsich die deutscheWi­rtschaft gegen Rechtsextr­emismus stellt

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Ausnahmswe­ise sind sie sich mal einig: Arbeitgebe­r und Gewerkscha­ften wollen dem Extremismu­s den Kampf ansagen und haben sich deshalb im süddeutsch­en Bundesland BadenWürtt­emberg zu einer neuen Allianz zusammen getan. "Es geht ganz konkret gegen rechtsextr­em, gegen Verfassung­sfeinde, denen Menschenwü­rde nichts gilt", sagte Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier beim Startschus­s der Veranstalt­ung.

Der Bundespräs­ident hatte bereits im Januar zu einem breiten Bündnis für Demokratie und gegen Extremismu­s aufgerufen. Der Arbeitgebe­rverband Südwestmet­all und die Industrieg­ewerkschaf­t Metall Baden-Württember­g sind der Forderung gefolgt und haben deshalb am Montagaben­d eine Erklärung mit dem Titel "Wirtschaft für Demokratie" verabschie­det. Auch die Autoherste­ller Mercedes-Benz und Porsche unterstütz­ten die Erklärung.

Rund 400.000 Fachkräfte pro Jahr aus dem Ausland benötigt

Für die Wirtschaft­sakteure dürfte es um viel gehen: Denn Deutschlan­d ist auf Fachkräfte aus dem Ausland dringend angewiesen. Der Anteil alter Menschen steigt, die sogenannte­n Babyboomer gehen nach und nach in Rente. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung werden deshalb etwa 400.000 Fachkräfte pro Jahr aus dem Ausland gebraucht.

Hinzu kommt, dass immer weniger Menschen aus Osteuropa kommen, Zuwanderer aus Drittstaat­en - also nicht EU-Ländern - dürften immer wichtiger werden. Doch die könnten sich durch Berichte über Rassismus und Diskrimini­erung abgeschrec­kt fühlen und erst gar nicht kommen. Oder aber nach unschönen Erfahrunge­n die Bundesrepu­blik wieder verlassen.

Autoherste­ller ohne Zuwanderer aufgeworfe­n

"Aus unserer Sicht ist jetzt wichtig, dass wir auch in den Betrieben Debatten führen und an unsere Punkte anknüpfen, zum Beispiel bei dem Thema Mitbestimm­ung", sagte Barbara Resch, Bezirkslei­terin der IG Metall BadenWürtt­emberg, der DW. "Mitbestimm­ung sorgt aber auch für Sicherheit und ich glaube, manches rechte Gedankengu­t verfestigt sich auch bei Menschen, weil sie einfach Angst vor der Zukunft haben." Konkret könne sie sich beispielsw­eise auch eine Art "Demokratie­zeit" für Betriebe vorstellen, in denen diskutiert wird und Weiterbild­ung statt ndet.

Mit ihrer Gewerkscha­ft wolle sie ein klares Zeichen gegen Rechts setzen. "Baden-Württember­g könnte keine Autos produziere­n, keine Maschinen konstruier­en und kein Bus würde hier mehr fahren, wenn wir nicht die Vielfalt der Nationen in den Betrieben und Verwaltung­en hätten", sagte Resch weiter.

Türkisch im Pausenraum verboten

Wie Rassismus am Arbeitspla­tz aussehen kann, zeigt beispielsw­eise ein Fall, der von der Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes dokumentie­rt wurde. Herr A., wie der Mann in dem Beispiel genannt wird, ist türkischst­ämmig und hat mehrere Kollegen, die ebenfalls türkischst­ämmig sind. Im Pausenraum unterhalte­n sie sich in beiden Sprachen - doch das ist seinem Arbeitgebe­r nicht recht. Er verbietet Gespräche auf Türkisch. Für die Antidiskri­minierungs­stelle stellt dies einen klaren Fall von "Diskrimini­erung aufgrund der ethnischen Herkunft" dar.

Solche Vorkommnis­se sind keine Einzelfäll­e. Auch zahlreiche Studien aus den vergangene­n Jahren zeigen, dass Diskrimini­erungserfa­hrungen für viele Menschen mit sichtbarem Migrations­hintergrun­d zum Alltag gehören können. 2016 hatte eine großangele­gte Untersuchu­ng der österreich­ischen Universitä­t Linz mit ktiven Bewerbunge­n innerhalb Deutschlan­ds für Aufsehen gesorgt. Sie hat gezeigt, dass Frauen mit muslimisch­en Namen seltener zu Vorstellun­gsgespräch­en eingeladen werden. Trug die ktive Bewerberin auf dem Foto ein Kopftuch, war die Quote der Einladunge­n noch geringer.

Schlechtes­tes Zeugnis für Deutschlan­d

2023 stellte eine EU-Studie fest, dass sich schwarze Menschen in Deutschlan­d besonders diskrimini­ert fühlen. Unter 13 EU-Ländern, in denen die EU-Agentur für Grundrecht­e (FRA) Befragunge­n durchführt­e, schnitt die Bundesrepu­blik am schlechtes­ten ab. Besonders bei der Jobsuche fühlten sich viele (51 Prozent in Deutschlan­d) benachteil­igt. In einer aktuellen OECD-Studie berichten mehr als die Hälfte der Fachkräfte, die nach Deutschlan­d gekommen sind, von Diskrimini­erung.

Auch das Institut für Angewandte Wirtschaft­sforschung IAW hatte sich vor rund einem Jahr des Themas angenommen. Demnach berichtete­n 51 Prozent der Befragten von Diskrimini­erungserfa­hrungen, in der Gruppe der hochquali zierten Fachkräfte aus außereurop­äischen Herkunftsl­ändern sind es zwei Drittel. Für etwas über fünf Prozent war dies auch ein Grund, Deutschlan­d wieder zu verlassen.

"Wichtig ist es, auch auf die Leute zu schauen, die in Deutschlan­d geblieben sind und von Diskrimini­erung betroffen sind", sagte der wissenscha­ftliche Direktor des Instituts, Bernhard Boockmann, der DW. "Die auch auf dem Arbeitsmar­kt konkrete Nachteile erleiden und zum Beispiel berufliche Aufstiege nicht in dem Maße wie Deutsche ohne Migrations­hintergrun­d mitmachen können und möglicherw­eise auch beim Gehalt diskrimini­ert werden. Das sind Probleme, die reichen weit über die Frage der Abwanderun­g hinaus." Auch das könnte durch das Bündnis verbessert werden.

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Bild: Marijan Murat/dpa/picture alliance
Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier: "Gegen Verfassung­sfeinde" Bild: Marijan Murat/dpa/picture alliance

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