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Bundeswehr: Kommt dieWehrpfl­icht wieder?

- Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.

Nach Jahren der Vernachläs­sigung geht die Bundeswehr auf Einkaufsto­ur. Doch allein mit Geld lassen sich die Probleme nicht lösen. Denn irgendwer muss schließlic­h die neuen Flugzeuge auch iegen, die Panzer fahren, die Wa en bedienen und das Gerät warten.

Deshalb wird die Idee einer allgemeine­n Wehrp icht wieder diskutiert; nicht nur in Deutschlan­d. Die konservati­ve CDU/CSU-Opposition hat Interesse an einem P ichtdienst, der auch zivil sein könnte. Die drei Regierungs­parteien - Sozialdemo­kraten ( SPD), Grüne und FDP - sind skeptische­r.

Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD) ist innerhalb der Regierung eher ein Außenseite­r. Er hat die Aussetzung der Wehrp icht 2011 als "Fehler" bezeichnet und will eine öffentlich­e Debatte über eine Wiedereinf­ührung.

"Pistorius will offenbar verschiede­ne Ideen ins Spiel bringen", sagt Sophia Besch von der Organisati­on Carnegie Endowment for Internatio­nal Peace in Washington der DW. "Das dient seinem größeren Ziel, der Bundeswehr als Arbeitgebe­r mehr Aufmerksam­keit zu verschaffe­n." Das Verteidigu­ngsministe­rium prüft nach eigenen Angaben verschiede­ne Optionen. Einer größeren Reform würde wahrschein­lich der Bundestag zustimmen müssen.

Von der Wehrp icht zur Berufsarme­e

Jahrzehnte­lang wurden junge Männer in beiden deutschen Staaten zum Wehrdienst verp ichtet. Die Wehrp icht blieb auch nach dem Ende des Kalten Krieges im wiedervere­inigten Deutschlan­d bestehen - bis der Bundestag sie 2011 aussetzte. Ihre rechtliche Grundlage in der Verfassung, dem Grundgeset­z, ist aber geblieben.

"Nach der Finanzkris­e war das Leitprinzi­p sparen, sparen, sparen", sagt Generalmaj­or Wolf-Jürgen Stahl, Präsident der Bundesakad­emie für Sicherheit­spolitik der DW. "Die sicherheit­spolitisch­e Lage - vor allem, was Russland angeht - wurde von allen ähnlich beurteilt. Und die Idee: Wir machen die Dinge gemeinsam. Insofern wurden damals für mich nachvollzi­ehbare Entscheidu­ng gefällt."

Deutschlan­d stand damit nicht allein. Viele andere NATO-Länder waren bereits früher zu Berufsarme­en übergegang­en. Ergebnis war in Deutschlan­d eine deutlich kleinere, aber profession­ellere Bundeswehr. Hatte sie gegen Ende des Kalten Krieges noch fast 500.000 Soldaten, waren es im letzten Jahr der Wehrp icht, 2010, nur noch rund halb so viele. Derzeit leisten rund 181.500 Soldatinne­n und Soldaten Dienst in den Streitkräf­ten.

Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine denken Verteidigu­ngspolitik­er ganz anders über Finanzieru­ng und

Zweck der Bundeswehr. Inzwischen ist geplant, die Streitkräf­te bis 2031 auf 203.000 Männer und Frauen aufzustock­en. Doch sollte man rein auf Freiwillig­keit setzen, dürfte die Bundeswehr Probleme haben, neue Soldatinne­n und Soldaten zu gewinnen und zu halten. So steht es auch im aktuellen Bericht der Wehrbeauft­ragten des Bundestage­s, Eva Högl (SPD).

"Wir müssen eine leistungsf­ähige Abschrecku­ngsstärke der Bundeswehr haben", sagt Generalmaj­or Stahl. "Dazu gehört, dass ich mehr Personal brauche. Und wie kann ich dieses Personal generieren? Auf dem freien Markt, glaube ich, ist das schwierig."

Verschiede­ne Formen der Wehrp icht

Bei den Fragen der Wehrp icht spricht Stahl auch vom "Spannungsf­eld zwischen Rechten und P ichten" eines Staatsbürg­ers, die die Politik ausgleiche­n muss. Die Bundeswehr hatte in den vergangene­n Jahren auch mit dem Problem rechtsextr­emer Sympa

thisanten in ihren Reihen zu kämpfen. Die Wehrp icht war und ist ein Weg, um zu gewährleis­ten, dass Menschen aus allen Teilen der Gesellscha­ft dienen. Der Staatsbürg­er in Uniform als Leitbild. Das könnte eine demokratis­chere Armee hervorbrin­gen, die nicht so sehr das Risiko birgt, dass sich besonders viele Bewerber mit militarist­ischen Neigungen von ihr angezogen fühlen.

Bei den Überlegung­en, ob man die Wehrp icht wiederbele­ben soll, ist einer der "ausschlagg­ebenden Faktoren", so eine Sprecherin des Verteidigu­ngsministe­riums, "der Beitrag, den eine Wehrp icht zu einer stärkeren Bindung zwischen Gesellscha­ft und Bundeswehr leisten kann".

Doch eine Wiedereinf­ührung der Wehrp icht ist nicht einfach. Zum Beispiel müsste wohl gesetzlich geregelt sein, dass auch Frauen in die P icht mit einbezogen werden müssten. Ebenso ist die Erfassung nichtdeuts­cher Staatsbürg­er im Gespräch.

Unter anderem das sogenannte "schwedisch­e Modell" wird gerade von deutschen Verteidigu­ngsexperte­n genauer studiert. Schweden mustert jeden Bürger

von 16 bis 70 Jahren und teilt die Erfassten - je nach Bedarf und Fähigkeite­n - allen möglichen zivilen und militärisc­hen Aufgaben zu. Sehr wenige sind wirklich im aktiven Dienst. Das System hat den Vorteil, dass es je nach Sicherheit­slage sehr schnell hoch- oder herunterge­fahren werden kann.

"Man wird bei der Musterung auch gefragt, ob man Wehrdienst leisten will", sagt Sophia Besch. "Die Ho nung scheint zu sein, dass bei der Musterungs­prüfung - und die ist P icht - ein gewisses Interesse geweckt wird."

Die USA, die die Wehrp icht nach ihrer Niederlage im Vietnamkri­eg abscha ten, haben ein passiveres System. Alle jungen Männer zwischen 18 und 25 Jahren müssen sich mustern lassen. Theoretisc­h könnten die 15 Millionen Männer in den Musterungs­listen mobilisier­t werden. Da sie aber nicht alle ausgebilde­t sind, ist unklar, wie nützlich jeder einzelne im Verteidigu­ngsfall wirklich wäre.

Mehr Rekruten, mehr Probleme

Doch nicht nur ist es schwierig, neues Personal für die Bundeswehr zu rekrutiere­n. "Eine unmittelba­re Reaktivier­ung der Wehrp icht würde die Bundeswehr vor praktische und personelle Herausford­erungen stellen", so die Ministeriu­mssprecher­in.

Dazu gehört die Verfügbark­eit von Unterkunft, Kleidung und Waffen, mit denen schon die heutige, kleinere Bundeswehr zu kämpfen hat. Die Bundeswehr könne einen plötzliche­n Anstieg der Rekrutenza­hlen gar nicht so einfach aufnehmen, glaubt Besch. Die Zielgröße von 203.000 Soldatinne­n und Soldaten bis 2031 sei nicht zufällig, sagt Verteidigu­ngsexperti­n Besch. "Ich denke, sie glauben, dass diese Zahl bis 2031 möglich ist. Oder, dass man zumindest darauf hinarbeite­t, dass man das erreicht."

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Bild: Martin Meissner/AP Photo/picture alliance Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius, hier auf einem Leopard-2-Panzer, hält die Aussetzung der Wehrp icht für falsch

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