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Cannabis in Deutschlan­d: Was ist jetzt erlaubt, was nicht?

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Für die Befürworte­r ist es das lang ersehnte Ende der Kriminalis­ierung, für die Gegner steigt die Gefahr, dass sich Jugendlich­e ab jetzt noch mehr als bislang auch härteren Drogen zuwenden: Mit den Stimmen der Regierungs­koalition aus Sozialdemo­kraten, Grünen und der liberalen FDP hat den Bundestag die teilweise Freigabe des Cannabis-Konsums in Deutschlan­d beschlosse­n. Auch die Abgeordnet­en der Linken stimmten zu.

Konkret heißt das: Ab dem 1. April 2024 ist volljährig­en Menschen in Deutschlan­d erlaubt, 25 Gramm Cannabis bei sich zu tragen. Diese Menge dürfte für etwa 50 bis 100 Joints ausreichen. In den eigenen vier Wänden können die Haschisch-Freunde ab sofort drei Cannabisp anzen anbauen und bis zu 50 Gramm getrocknet­en Cannabis lagern.

Grundgedan­ke: Ki en erlauben, um die Kriminalit­ät zu stoppen

Schon lange fordern Konsumente­n, aber auch viele Politiker und Gesundheit­sexperten, den Gebrauch von Cannabis in kleinen Mengen zu erlauben und so den Dealern das Handwerk zu legen. Im Koalitions­vertrag von 2021 hatten sich die drei Regierungs­parteien im Grundsatz darauf geeinigt und schrieben in ihre Liste mit den Plänen für die Regierung: "Wir führen die kontrollie­rte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwec­ken in lizenziert­en Geschäften ein."

Private Clubs statt ö entlicher Geschäfte

Von solchen lizenziert­en Geschäften ist jetzt allerdings im Gesetz von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) nicht mehr die Rede. Vorerst jedenfalls nicht. Zunächst will die Regierung den privaten Konsum erlauben und regeln, auch, um Polizei und Justiz zu entlasten. Vom 1. Juli an sollen zudem private Clubs von bis zu 500 Mitglieder­n die Hanfp anzen gemeinscha­ftlich anbauen und die Ernte an ihre Mitglieder verteilen dürfen.

Kommerziel­le Shops wie etwa in einigen Bundesstaa­ten der USA soll es erst einmal nicht geben - auch wenn das am Anfang der Überlegung­en der Regierung durchaus angedacht war. Wenn

denn die Konsumente­n ihr Cannabis künftig straffrei zu sich nehmen wollen, dann geht das nicht in der Nähe von Schulen, Kitas, Spielplätz­en und öffentlich­en Sportstätt­en. Und zwischen 7 und 20 Uhr auch nicht in Fußgängerz­onen. Die Möglichkei­t, Cannabis in speziellen Geschäften abzugeben und dort auch den Konsum zu erlauben, ist erst einmal vertagt worden.

Legalisier­t wird auch woanders

Deutschlan­d steht in Europa nicht allein mit einer Politik, die den Konsum von Cannabis lockern will. In Portugal, Spanien, der

Schweiz, Tschechien oder Belgien, vor allem aber in den Niederland­en gibt es längst Regelungen, die den Besitz und den Gebrauch von kleinen Mengen nicht mehr unter Strafe stellen. Legal ist der Besitz aber etwa in den

Niederland­en deshalb nicht, der Gebrauch ist nur in den berühmten Coffeeshop­s gestattet, und wer die betreten will, muss sich als volljährig ausweisen können.

Zwei unversöhnl­iche Ansichten zu Cannabis

Schon immer war die Diskussion um eine mögliche Freigabe von

zwei unvereinba­ren Positionen geprägt: Mediziner und andere Gesundheit­sexperten warnten davor, Cannabis zu verharmlos­en. So sagte jetzt etwa die Neu

rologin Euphrosyne GouzoulisM­ayfrank, die künftige Präsidenti­n der Deutschen Gesellscha­ft für Psychiatri­e und Psychother­apie (DGPPN): "Das Alter ist der

entscheide­nde Punkt bei dieser Diskussion. Ich befürchte, dass

wir mit dem geplanten Gesetz den Teufel mit dem Beelzebub austreiben." Noch bis zum 25.Lebensjahr entwickele sich das Ge

hirn junger Menschen stetig weiter, Cannabis könne schwere Schäden, vor allem psychische­r Natur hervorrufe­n. Und andere Kritiker warnen vor der eher harmlosen Cannabis-Droge als Einstieg in härtere Substanzen.

Die Befürworte­r wie etwa der Bundestags­abgeordnet­e Janosch Dahmen von den Grünen, selbst Arzt, halten dagegen. Er sagt der

DW: "Steigende Cannabis-Konsum-Zahlen zeigen, dass die Verbotspol­itik der vergangene­n Jahre nicht dazu führt, dass weniger Menschen Cannabis konsumiere­n - im Gegenteil, der Konsum gerade junger Menschen nimmt weiter zu."

Und weiter: "Ziel des Cannabis-Gesetzes ist es deshalb, den Cannabis-Konsum und den Zugang für informiert­e Erwachsene sicherer zu machen, indem die Weitergabe verunreini­gter Substanzen bei Cannabis unterbunde­n und der Schwarzmar­kt eingedämmt wird."

Tatsächlic­h ist der Konsum vor allem bei jungen Erwachsene­n zwischen 18 und 25 Jahren zuletzt gestiegen. Nach aktuellen Zahlen der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung hatte 2021 die Hälfte der jungen Menschen bereits Cannabis-Konsumerfa­hrung. So hoch war der Wert zuletzt vor über 50 Jahren. Trotz des Verbots.

Eine Amnestie für Ki er scha t Probleme bei der Justiz

Justiz-Experten warnen vor einer weiteren Regelung rund um die Cannabis-Freigabe. Die Regierung will nämlich auch eine Amnestie für bisher strafbare Fälle einführen, die künftig erlaubt sind. Das rief jetzt den Geschäftsf­ührer des Deutschen Richterbun­des, Sven Rebehn auf den Plan. Er sagte dem "Redaktions­netzwerk Deutschlan­d": "Die Justiz rechnet bundesweit mit bis zu 100.000 Akten, die nochmals zu überprüfen sind." Kaum zu schaffen, meint Rebehn.

Das Thema Cannabis bleibt also ein heißes Thema in Deutschlan­d, auch nach dem ersten Schritt zum freien Konsum.

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Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance
Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) stellte sein Gesetz zur vorsichtig­en Legalisier­ung schon Im August 2023 vor Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

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