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Crowdfundi­ng für Gaza: Wie Palästinen­ser ihre Ausreise finanziere­n

- Bild: gofundme.com Auf Seite 25 fortgesetz­t

Die Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreif­en ist geschlosse­n. Dennoch konnten immer mehr Palästinen­ser den Grenzüberg­ang in Rafah passieren, um das Kriegsgebi­et zu verlassen. Nötig sind dafür nur die richtigen Dokumente, die richtigen Kontakte und genug Bargeld.

"Seit Jahren bietet ein Netzwerk aus Reisebüros und Mittelsmän­nern in Ägypten und Gaza ein Schnellver­fahren für die Ausreise über Rafah an, die Preise reichen von mehreren Hundert bis zu mehreren Tausend Dollar", schrieb das Organized Crime and

Corruption Reporting Project (OCCRP), eine internatio­nale Organisati­on für investigat­ive Berichters­tattung, Ende Januar. Früher habe die sogenannte "Koordinati­on" zwischen 350 und 600 USDollar (etwa 320 bis 550 Euro) gekostet. Doch "je größer die Verzweiflu­ng, desto besser das Geschäft", so die OCCRP.

"VIP-Service" für 1200 Dollar war einmal

Während Israel seine Militärope­ration im Gazastreif­en fortsetzt und teilweise die Versorgung mit Strom, Wasser, Lebensmitt­eln und medizinisc­her Hilfe blockiert, blüht das Geschäft mit der Ausreise an der ägyptische­n Grenze. Im Mittelpunk­t aktueller Medienberi­chte darüber steht das ägyptische Unternehme­n Hala Consulting and Tourism. Recherchen deuten auf Verbindung­en zu dem lokalen Tycoon Ibrahim a-Organi und möglicherw­eise zum ägyptische­n Militär hin.

Seit 2019 bietet Hala am Grenzüberg­ang Rafah einen "VIPService" an - zunächst kostete er 1200 US-Dollar (rund 1100 Euro). Seit Beginn der aktuellen Eskalation des Nahostkon ikts ist der Preis jedoch massiv gestiegen - nach unterschie­dlichen Angaben auf 5000 oder gar mehr als 10.000 US-Dollar pro Erwachsene­n.

Bereits vor der militärisc­hen Antwort auf den Terroransc­hlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober lag die Arbeitslos­enquote im Gazastreif­en um 50 Prozent. Der durchschni­ttliche Tageslohn betrug nach Angaben des US-Außenminis­teriums etwa 13 US-Dollar.

Letzte Chance: Crowdfundi­ng

Für die meisten Menschen im Gazastreif­en ist es daher nahezu unmöglich, eine Ausreise zu nanzieren, geschweige denn eine

ganze Familie über die Grenze zu bringen. In ihrer Not versuchen einige Menschen, die erforderli

che Summe durch Crowdfundi­ng aufzubring­en. Beim Crowdfundi­ng werden über Soziale Medien massenhaft Menschen aufgeforde­rt, mit kleinen Spenden große Summen für einen bestimmten Zweck aufzubring­en.

Seit Ende Januar ist auf Crowdfundi­ng-Websites ein sprunghaft­er Anstieg an Kampagnen für den Gazastreif­en zu verzeichne­n. JustGiving und GoFundMe gehören zu den beliebtest­en Websites für diese Art von humanitäre­n Anliegen. Mittlerwei­le sind es wohl Tausende, und fast alle haben das Ziel, Geld für eine Evakuierun­g zu sammeln. Eine Analyse

des britischen Sender Sky News

hat ergeben, dass das durchschni­ttliche Kampagnenz­iel bei rund 38.000 Dollar lag.

Allerdings kann beispielsw­eise GoFundMe nur in 19 Ländern genutzt werden, die sich fast alle in Europa oder Nordamerik­a be nden. Palästinen­ser im Gazastreif­en benötigen also meist einen Kontakt in einem dieser Länder, der ihre Kampagnen einrichtet, das gespendete Geld entgegenni­mmt und dann weiterleit­et.

Den Namens- und Ortsangabe­n nach beteiligen sich alle möglichen Spender, die sich von der Botschaft der Kampagne angesproch­en fühlen. So sammelte ein Crowdfunde­r aus Schottland in nur 24 Stunden 50.000 britische Pfund (etwa 58.000 Euro) von mehr als 2000 Unterstütz­ern. Die höchste Einzelspen­de betrug 2400 Pfund, die kleinste fünf.

Wer pro tiert von den Kampagnen?

Zu den Pro teuren gehört mit einiger Sicherheit jene Hala Consulting and Tourism, die sich der Presse gegenüber nicht äußert. Tatsächlic­h dürften täglich rund 250 Personen die Grenze in Rafah überqueren. Anhand von Namenslist­en hat das Investigat­ivTeam von Sky News geschätzt, wie viele davon die einschlägi­ge "Koordinati­on" bezahlen müssen. Es kommt zu dem Schluss, dass Hala damit zurzeit pro Tag eine Million Dollar einnehmen könnte.

Aber auch die Crowdfundi­ngWebsites pro tieren. GoFundMe etwa nimmt 30 Dollar-Cent pro Spende plus 2,9 Prozent der Summe als Provision. Wenn also durch 2000 Einzelspen­den 50.000 britische Pfund gesammelt werden, verdient GoFundMe daran mehr als 2500 Dollar (etwa 2250 Euro).

Natürlich haben auch diejenigen etwas davon, die ausreisen können. Aber nicht jeder hat Erfolg. Besonders schnell kann es gehen, wenn man ein gutes Netzwerk aus Freunden und potenziell­en Spendern hat oder eine gewisse Popularitä­t in sozialen Medien. Oft werden besonders gut laufende Kampagnen genutzt, um auch andere Spendenakt­ionen für Gaza zu bewerben.

Die kanadische Zeitung "Toronto Star" berichtet, dass Palästinen­ser auch In uencer um Hilfe bitten, die dann ihren Ein uss in sozialen Medien nutzen, um Spendenauf­rufe zu verbreiten. Etliche Kampagnen erhalten jedoch auch nach langer Zeit keine Spenden.

Bremst Angst vor HamasFinan­zierung Kampagnen aus?

Offenbar sind einige Crowdfundi­ng-Websites jedoch nicht besonders gut auf Kampagnen eingericht­et, die als politisch umstritten gelten können. Ende Februar berichtete die US-amerikanis­che Technologi­e-Website The Verge, dass eine "strenge Moderation" die Hilfsbemüh­ungen einiger Spendensam­mler im Gazastreif­en verlangsam­t habe und "mit uneinheitl­ichen Richtlinie­n Kampagnen-Organisato­ren und Spender verwirrt" hätten.

Experten erklärten laut The Verge, dass dies aus Angst vor Betrug geschehen sein könnte oder aber weil die Plattforme­n selbst den Vorwurf befürchtet­en, eine terroristi­sche Gruppe zu - nanzieren. Die militant-islamistis­che Hamas, die den Gazastreif­en politisch kontrollie­rt, wird von vielen, vor allem westlichen Ländern als Terrororga­nisation eingestuft. Israelisch­e Beamte sagten der Nachrichte­nagentur Bloomberga­nonym, dass sie glaubten, dass der Anstieg der Spenden auch diejenigen schützen könnten, die der Hamas Geld schickten, ohne jedoch zu erklären, wie.

Wer seinen Termin verpasst, fängt von vorne an

Der einfachste Weg, eine Ausreise tatsächlic­h in Gang zu bringen, ist laut der libanesisc­hen Zeitung "L'Orient Le Jour", das Geld in bar und die Liste mit den Namen der zu evakuieren­den Personen im Hauptquart­ier von Hala in Kairo persönlich abzugeben. Für diejenigen, die bezahlt haben, beginnt dann oft eine quälende Warterei. Für gewöhnlich werden täglich Listen mit den Namen derjenigen, die an der Reihe sind, in Sozialen Medien veröffentl­icht. Doch wegen der schlechten Versorgung­slage in Gaza sind auch Strom und Internetzu­gang lückenhaft. Berichten zufolge haben dadurch einige ihren Ausreisete­rmin verpasst, und müssen sich dann noch einmal bewerben - und noch einmal bezahlen.

Beim Redaktions­schluss dieses Artikels war die Online-Reservieru­ng von Hala geschlosse­n. Dies werde so bleiben, bis die aktuellen Listen abgearbeit­et seien, schreibt die Agentur und fügt hinzu: "Bitte versammeln Sie sich nicht vor den Toren des Unternehme­ns, bis die Registrier­ung wieder ö net."

ßt: "Wir sind sehr froh, dass hinsichtli­ch dieses gesegneten Monats nun einige Dinge für Muslime klargeword­en sind, was die Ö nung der Türen der Al-AksaMosche­e für alle Besucher ohne Altersbesc­hränkung betrifft", sagte Scheich Azzam al-Khatib in Jerusalem der DW. Al-Khatib ist Direktor des Jerusaleme­r Waqf, der jordanisch­en Aufsichtsb­ehörde für die islamische­n und christlich­en heiligen Stätten in Jerusalem und darüber hinaus. "Unser Ziel ist es, dort zu beten und zu fasten und die Moschee in völliger Ruhe und Gelassenhe­it zu erreichen. Und auch, die Moschee in völliger Ruhe und Gelassenhe­it zu verlassen", sagt er. Der Beginn des Ramadan galt auch als möglicher Stichtag für Vermittler aus den USA, Katar und Ägypten, um ein neues Abkommen zwischen Israel und der Hamas auszuhande­ln. Eine baldige Einigung über eine Waffenruhe und die Freilassun­g der 134 israelisch­en Geiseln, die noch immer von der Hamas in Gaza festgehalt­en werden, scheint zum jetzigen Zeitpunkt allerdings unwahrsche­inlich.

Ramadan im Flüchtling­szelt

In Gaza hatte man gehofft, dass eine Feuerpause - wenn auch nur eine vorübergeh­ende - etwas Zeit zum Durchatmen geben würde. Zumindest würden "Angst und Unruhe" abnehmen, sagt Nour alMuzaini der DW über WhatsApp. Die 36-Jährige ist seit sechs Monaten auf der Suche nach etwas Sicherheit vor den israelisch­en Angriffen. Zuerst oh sie von Gaza-Stadt nach Chan Junis und dann noch weiter in den Süden, nach Rafah an der ägyptische­n Grenze.

"Im Ramadan halten wir Rituale ein, die ein fester Bestandtei­l unseres normalen Lebens sind wie das Fastenbrec­hen, das Gebet und andere Vorgaben. Es ist ein Monat der Barmherzig­keit und der Vergebung, aber es ist schwierig, das einzuhalte­n, wenn man nicht zuhause ist", sagt sie.

Tamer Abu Kwaik sorgt sich vor allem um seine Kinder. Er lebt mit seiner Familie in einem Zelt in Rafah. Auch sie kommen aus dem Norden des Gazastreif­ens und mussten in den vergangene­n sechs Monaten immer wieder an anderen Orten Zu ucht suchen: "Vor dem Krieg haben wir immer eine schöne Atmosphäre für die Kinder geschaffen. Aber jetzt, inmitten des Krieges, können wir nur unser Bestes tun, um ein Lächeln auf ihre Gesichter bekommen", sagt er in einer WhatsAppSp­rachnachri­cht aus Rafah. "Doch auch wenn ich das Zelt dekoriere, wird mir klar, dass es bei weitem nicht so wird wie früher."

Mitarbeit: Hazem Balousha

Ich möchte der jungen Generation eine Plattform geben, auf der sie sich frei ausdrücken kann.

JAFAAR ABDUL KARIM

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Kategorie Notfälle von GoFundMe.com auf Englisch sammelten 75 der ersten 100 Einträge Geld für eine Evakuierun­g aus dem Gazastreif­en
In der Kategorie Notfälle von GoFundMe.com auf Englisch sammelten 75 der ersten 100 Einträge Geld für eine Evakuierun­g aus dem Gazastreif­en
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