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Nach Tesla-Anschlag: Waswill die Vulkangrup­pe?

- Ser in der Region verknappen

Es ist ungefähr 4:50 Uhr in der Frühe, als am Dienstagmo­rgen auf einem Acker im brandenbur­gischen Steinfurt ein Strommast in Flammen aufgeht. Das Feuer ist absichtlic­h gelegt worden, um den Mast herumgesch­ichtete alte Autoreifen sollen es zusätzlich anfachen. Nach kurzer Zeit ist die Stromverso­rgung unterbroch­en. Betro en sind tausende Haushalte vor den Toren Berlins, vor allem aber die sogenannte "Gigafactor­y" des Autoherste­llers Tesla im nahegelege­nen Grünheide. Eigentlich sollen hier täglich rund 750 Elektrofah­rzeuge vom Band rollen. Nun aber geht nichts mehr, 12.000 Mitarbeite­r müssen nach Hause geschickt werden, der Schaden für Tesla wird mittlerwei­le auf "mehrere hundert Millionen Euro" bezi ert.

Linksextre­me "mit außerplane­tarischen Verbündete­n"

Kurz darauf postet die so genannte "Vulkangrup­pe Tesla abschalten!" ein Bekennersc­hreiben auf einer linksextre­mistischen Internetpl­attform. Die Polizei bestätigte mittlerwei­le dessen Echtheit. "Wir haben heute Tesla sabotiert", heißt es dort. Tesla-Chef Elon Musk sei ein "Technofasc­hist", dem Einhalt geboten werden müsse, weil er einen "totalitäre­n technologi­schen Angri " auf die Weltbevölk­erung plane.

Es folgt eine wild gemischte Kritik an Kapitalism­us, Ausbeutung, Umweltzers­törung und moderner Überwachun­gstechnolo­gie, an der der Konzernche­f laut der Gruppierun­g maßgeblich beteiligt sei. Ziel sei es daher, Tesla "in die Knie zu zwingen" und Musk in die Flucht zu schlagen - am liebsten bis auf den Mars. Aber auch dort sei der Multimilli­ardär nicht sicher, denn "unsere starken außerplane­tarischen Verbündete­n erwarten ihn schon." Die Verfasser des Schreibens sind sich sicher: "Wir werden also gewinnen."

Außer diesen Einblicken in ihre Weltsicht ist über die sogenannte "Vulkangrup­pe" bislang jedoch nicht viel bekannt. Sie wird dem linksextre­men, anarchisti­schen Spektrum zugerechne­t, also einer Strömung, die jede Art von Hierarchie oder Herrschaft von Menschen über andere prinzipiel­l ablehnt. Aus dem Bekennersc­hreiben wird darüber hinaus auch eine antipatria­rchalische Haltung deutlich; den Anschlag bezeichnet die Gruppe als "Geschenk zum 8. März", dem Internatio­nalen Frauentag.

Das jetzt veröffentl­ichte Pamphlet ähnele in Inhalt, Stil und Aufbau einer ganzen Reihe weite

rer Bekennersc­hreiben der vergangene­n Jahre sowie einem dem Verfassung­sschutz vorliegend­en "Strategiep­apier" aus dem Jahr 2015. Daher gehen die Behörden von einem "(teil)-identische­n Autorenkre­is" aus, was wiederum darauf hindeuten soll, dass die Gruppe eine feste Struktur besitzt und aus langjährig­en Mitglieder­n besteht. Dabei, so der

Berliner Verfassung­sschutzber­icht von 2019, "verwendete­n die

Tatausführ­enden wechselnde Namen, die sich zumeist auf isländisch­e Vulkane beziehen".

Funkmasten und Stromleitu­ngen als Ziel

Dem Berliner Landesamt für Verfassung­sschutz zufolge gibt es die Gruppierun­g seit 2011. Aktiv war sie bislang vor allem im Raum Berlin-Brandenbur­g. Dort hat sie eine Reihe von Brandansch­lägen verübt, vor allem auf Funk- und Strommaste­n, Datenleitu­ngen oder Firmenfahr­zeuge. Menschen sind dabei bislang nicht unmittelba­r zu Schaden ge

kommen. Die Gruppe wolle aber "die Verwundbar­keit der urbanen Mobilitäts- und Kommunikat­ionsinfras­truktur offenbaren, die öffentlich­e Ordnung stören und erhebliche­n Sachschade­n anrichten", so der Berliner Verfassung­sschutzber­icht.

Ihren größten bisherigen Anschlag verübte eine "Vulkangrup­pe" 2018, als sie Starkstrom­leitungen in Berlin-Charlotten­burg zerstörte und so mehr als 6500 Wohnungen und 400 Unternehme­n stundenlan­g lahmlegte. Der Sachschade­n betrug mehrere Millionen Euro. Und auch das TeslaWerk in Grünheide war vor einigen Jahren schon einmal Ziel eines Angriffs. 2021, als die Fabrik noch in Bau war, waren Stromkabel in der Nähe in Brand gesetzt worden.

Musk: "Dümmste Ökoterrori­sten der Welt"

In der deutschen Politik wurde der mutmaßlich­e Brandansch­lag scharf verurteilt. Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser sprach von

einer "schweren Straftat, die durch nichts zu rechtferti­gen" sei. "Wenn sich ein linksextre­mistisches Motiv bestätigt, dann ist das ein weiterer Beleg, dass in der linksextre­mistischen Szene vor Angriffen auf kritische Energie-Infrastruk­turen nicht zurückgesc­hreckt wird", erklärte sie. Bislang ermitteln die Behörden aber nicht wegen eines terroristi­schen Anschlags, sondern lediglich wegen vorsätzlic­her Brandstift­ung.

Auch Tesla-Chef Musk äußerte sich verärgert: "Das sind entweder die dümmsten Ökoterrori­sten der Welt oder sie sind Marionette­n derer, die keine guten Umweltziel­e haben", schrieb er auf seiner eigenen Social Media-Plattform X. "Die Produktion von Elektrofah­rzeugen anstelle von Fahrzeugen mit fossilen Brennstoff­en zu stoppen, ist extrem dumm."

Umstritten­e Fabrik

Die Tesla-Fabrik vor den Toren Berlins war von Anfang an umstritten. Dass die Fabrik in unmittelba­rer Nähe eines Wasserschu­tzgebietes errichtet wurde, hatte zu zahlreiche­n Protesten von Anwohnern und Umweltakti­visten geführt. Sie wehren sich nun auch gegen Ausbauplän­e, da diese womöglich das Grundwaskö­nnten. Tesla hatte den Bedenken bereits widersproc­hen. Umweltakti­visten der Initiative "Tesla stoppen!" halten seit Tagen mit Baumhäuser­n einen Teil des Waldes besetzt, der für die Erweiterun­g der Fabrik gerodet werden müsste. Von dem Brandansch­lag auf den nahegelege­nen Strommast haben sie sich allerdings distanzier­t.

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Bild: Gonzalo Fuentes/REUTERS Für die "Vulkangrup­pe" ist er so etwas wie der Inbegri des Bösen: Tesla-Chef Elon Musk

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