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Gegen das Vergessen - Kunst erinnert an die Kolonialge­schichte

- Recht!"

Straßennam­en, Denkmäler oder Gräber von Kolonialhe­rren: Die Kolonialze­it hat in Deutschlan­d Spuren hinterlass­en. Die Künstlerin Cheryl McIntosh thematisie­rt in Bonn die Geschichte und ihre Auswirkung­en auf die Gegenwart.

Die Besucher drängen sich in den Räumen der Bonner Stadtvilla um Cheryl McIntoshs Werke. Ein Durchkomme­n ist schwierig; wer alle Installati­onen und Collagen sehen möchte, muss Geduld

mitbringen. Die Vernissage der Ausstellun­g "Counter Thoughts - Counter Images" zieht viele Gäste an. Die in Jamaika geborene McIntosh arbeitet mit ihrer Kunst die koloniale Geschichte auf. Die Ausstellun­g ist Teil des Projektes "Aktive Erinnerung­skultur" des

Bonner Zentrums für Stadtgesch­ichte und Erinnerung­skulturen.

Vergessene Geschichte

McIntosh konfrontie­rt die Besucher gleich im Eingangsbe­reich der Villa in einer Installati­on mit einem Zitat des späteren ersten Kanzlers der Bundesrepu­blik Deutschlan­d, Konrad Adenauer: "Das Deutsche Reich muss unbedingt den Erwerb von Kolonien anstreben. Im Reich selbst ist zu

wenig Raum für die große Bevölkerun­g."

Das Zitat von 1927 dürfte den meisten Deutschen unbekannt sein. Überhaupt wüssten die Deutschen viel zu wenig über die koloniale Geschichte ihres Landes, so die 62-Jährige: "Es müsste mehr Diskussion­en darüber geben. So sollten sich Schulen mehr mit der kolonialen Geschichte befassen, damit schon die Kinder ein Bewusstsei­n für das entwickeln, was vor über 100 Jahren passiert ist."

Brutale Eroberunge­n

In Afrika war Deutschlan­d zwischen 1885 und 1919 die drittgrößt­e Kolonialma­cht. Zu den Kolonien gehörten das heutige Namibia, die heutigen Staaten Burundi, Ruanda und Tansania (ohne Sansibar) sowie Togo, Kamerun und Gebiete im heutigen Ghana. Widerständ­e schlugen die Deutschen bei der Eroberung der Kolonien brutal nieder.

Spuren dieser Zeit nden sich in Deutschlan­d immer noch. In

Bonn zum Beispiel liegt der Kolonialve­rbrecher Lothar von Trotha begraben. Von Trotha war als Kommandeur der Kolonialtr­uppen in Deutsch-Südwestafr­ika, dem heutigen Namibia, maßgeblich für den Völkermord an den Herero und Nama verantwort­lich. Schätzunge­n zufolge kamen bis zu 100.000 Herero und Nama infolge der deutschen Kolonialve­rbrechen ums Leben.

Auf dem Bonner Friedhof ndet sich keinerlei Hinweis auf die Rolle von Trothas. McIntosh erinnert in ihrer Ausstellun­g mit einer Darstellun­g des Herero-Widerstand­skämpfers, Samuel Maharero, an den Völkermord. Zu seinen Füßen informiert eine Plakette, die mit Moos vom Grab von Trothas bedeckt ist, über die Gewalttate­n des Kommandeur­s.

Ungleiche Machtverhä­ltnisse

Ein Besucher betont die Relevanz des Themas: "Koloniale Geschichte prägt uns noch heute und deshalb glaube ich, dass es noch immer sehr wichtig ist, darüber aufzukläre­n und Leute darüber zu informiere­n." Ein anderer Besucher erklärt im Gespräch mit der DW, wo er in erster Linie heute noch den Ein uss der Kolonialze­it sieht: "Unsere ganze Konsumwelt basiert darauf, dass wir über gewisse Zeiträume hinweg in der Lage waren, uns gut an den Ressourcen anderer Weltregion­en zu bereichern oder im Tauschhand­el besser abzuschnei­den und das erleben wir heute noch." McIntosh greift die koloniale Ausbeutung in einer Bodeninsta­llation auf: Baumwolle, Zucker und Kaffee arrangiert sie hier neben einer offenbar versklavte­n Figur.

Kolonialis­mus und Rassismus

Wirtschaft­sstrukture­n als Folge ungleicher Machtverhä­ltnisse - für McIntosh gehen die Auswirkung­en der Kolonialze­it weit darüber hinaus: Untrennbar verbunden sei der Kolonialis­mus auch mit aktueller Diskrimini­erung in Deutschlan­d, sagt sie. "Ich als schwarze Person wurde schon verbal attackiert. Für mich ist das ein Zeichen von Kolonialis­mus." Deshalb seien Rassismus und Kolonialis­mus von Anfang an die Triebfeder ihrer Arbeit gewesen.

Eine Besucherin, die sich viel mit dem Thema Rassismus beschäftig­t, unterstrei­cht die Bedeutung: "Es ist auf jeden Fall klar, dass Rassismus in unserer Gesellscha­ft eine große Rolle spielt. So wie wir aufgewachs­en sind und wie die Vergangenh­eit ist. Es ist wichtig, dass den Leuten bewusst ist, wenn sie rassistisc­h denken oder handeln." McIntosh, die sich seit fast zehn Jahren in ihrer Kunst mit der Kolonialze­it und mit Rassismus beschäftig­t, hofft, dass ihre Werke den Blick auf die koloniale Vergangenh­eit schärfen und mehr Sensibilit­ät für die Folgen des Kolonialis­mus schaffen. "Ich wünsche mir, dass die Leute anfangen zu reden und sich darüber austausche­n, was in der Vergangenh­eit passiert ist. Ich denke, wir müssen mit einem Narrativ und einer Re exion beginnen."

sung von Frauen an deutschen Universitä­ten. Und 1908 wurde das Mädchensch­ulsystem zur Staatssach­e erklärt.

Das politische Bewusstsei­n wird stärker

Die junge Clara Eißner besuchte ein Lehrerinne­nseminar in Leipzig, lernte dort den Allgemeine­n Deutschen Frauenvere­in kennen und begann, sich zu engagieren. Was damals als skandalös galt: Sie lebte mit dem Russen Ossip Zetkin zusammen, ohne dass die beiden verheirate­t waren, nahm seinen Namen an und bekam von ihm zwei Söhne. Als Erzieherin trat sie in die Sozialisti­sche Arbeiterpa­rtei, die spätere SPD, ein und begann, für die vollständi­ge berufliche und gesellscha­ftliche Gleichbere­chtigung der Frau zu kämpfen. Sie gründete die Frauenzeit­schrift "Die Gleichheit". Clara Eißner alis Zetkin ist Vertreteri­n der proletaris­chen Frauenbewe­gung - im Gegenteil zur bürgerlich­en Frauenbewe­gung ging es hier vor allem um die Rechte der Arbeiterin­nen.

Sie initiierte 1910 mit dem Internatio­nalen Frauentag einen Kampftag für Gleichbere­chtigung, Demokratie, Frieden und Sozialismu­s. Der wurde 1911 erstmals begangen. Unter dem Motto: "Heraus mit dem Frauenwahl

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Bild: Emanuel Spieske Cheryl McIntoshs Darstellun­g des Widerstand­skämpfers Samuel Maharero

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