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Kreuzfahrt­en: Mit halber Kraft zur Klimaneutr­alität

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Der Mangel an Treibsto -Alternativ­en erschwert die Bemühungen der Reedereien. Dennoch müssten sie mehr tun, um den CO2-Ausstoß zu senken, sagen Kritiker.

Als die "MSC Euribia" im vergangene­n Sommer in vier Tagen von Saint-Nazaire in Frankreich über Amsterdam nach Kopenhagen schipperte, da feierte die Reederei MSC Cruises das als "die weltweit erste klimaneutr­ale Kreuzfahrt". Für viel Geld hatte das Schweizer Unternehme­n eigens für diese werbewirks­am angekündig­te Fahrt 400 Tonnen Bio-Flüssigerd­gas eingekauft. "Diese branchenwe­it erste klimaneutr­ale Reise markiert einen weiteren wichtigen Schritt auf unserem Weg zur Emissionsf­reiheit", sagte Pierfrance­sco Vago, Executive Chairman der Kreuzfahrt­sparte der MSC Group.

Bis 2050 soll die Kreuzfahrt­branche klimaneutr­al sein

Das erklärte Ziel des Unternehme­ns nämlich ist es, bis zum Jahr 2050 komplett klimaneutr­al zu sein. Damit liegt die Reederei auf einer Linie mit der Internatio­nalen Seeschi fahrts-Organisati­on (IMO) sowie dem Verband der Kreuzfahrt­branche Clia, die dieses Ziel ebenfalls ausgegeben haben. Wie der Weg dorthin im Einzelnen aussehen soll, ist allerdings noch völlig unklar. In seinem aktuellen Nachhaltig­keitsberic­ht etwa beschreibt MSC Cruises zwar ausführlic­h, welche Anstrengun­gen man zur Reduzierun­g der Treibhausg­asemission­en unternehme, genaue Zielvorgab­en für die nächsten Jahre aber sucht man vergeblich.

Etwas konkreter wird es bei TUI-Cruises. Die Reederei will im Jahr 2030 erste klimaneutr­ale Kreuzfahrt­en anbieten und bis dahin den Gesamtauss­toß von CO2 im Vergleich zum Jahr 2019 um 27,5 Prozent senken. Voraussich­tlich im Juni wird die "Mein Schi 7" in Betrieb gehen, die perspektiv­isch mit Methanol fahren soll - im Idealfall mit grünem, aus erneuerbar­er Energie hergestell­ten Methanol. Der Antrieb des Schiffes wird dann zwar nicht emissionsf­rei sein, die Klimabilan­z aber fällt neutral aus.

Ein Datum für den Schweröl-Ausstieg gibt es nicht

Mit der Formulieru­ng klarer Etappenzie­le aber tut man sich den

noch schwer. Einen Stichtag für den Abschied vom besonders umweltschä­dlichen Schweröl beispielsw­eise gibt es bei TUI-Cruises nicht und auch kein Datum, bis wann die bestehende Flotte auf umweltscho­nendere Antriebsar­ten umgerüstet werden soll. "Das hat mit technische­r Machbarkei­t und mit der Verfügbark­eit alternativ­er Treibstoff­e zu tun", sagt Unternehme­nssprecher Lars Nielsen. Es mache schlicht keinen Sinn, einen konkreten Zeitpunkt zu nennen, ohne dass klar ist, ob dann überhaupt ausreichen­d alternativ­e Treibstoff­e zur Verfügung stehen werden.

Tatsächlic­h ist bisher noch nicht abzusehen, wie der in Zukunft wachsende Bedarf der Branche nach synthetisc­hen Kraftstoff­en gedeckt werden kann. "Aktuell werden E-Fuels nicht kommerziel­l produziert und auch die bis 2035 angekündig­ten Anlagen sind zum größten Teil nicht sicher nanziert", heißt es bei der Deutschen Umwelthilf­e. "Selbst wenn, könnten mit der weltweit produziert­en Menge nicht einmal zwei Prozent des

heutigen fossilen Kraftsto verbrauchs in der weltweiten Schi - fahrt ersetzt werden." Dass Reedereien wie TUI-Cruises klimaneutr­ale Kreuzfahrt­en ankündigen, ohne Details zu nennen, wie das gelingen kann, sei schlicht "Greenwashi­ng" und "Verbrauche­rtäuschung". Deshalb hat der Naturschut­zverein nun sogar Klage gegen den Konzern eingereich­t.

Eine klare Ansage hätte Signalwirk­ung

Auch Sönke Diesener vom Nabu ndet, dass die Kreuzfahrt-Reedereien mehr tun könnten. Das Festhalten am Schweröl etwa sei eine reine Geldfrage. Hier sei der Umstieg auf weniger schädliche Antriebsar­ten schon jetzt möglich. "Da gibt die Branche wirklich ein sehr schlechtes Bild ab", sagt er. Auch heute noch würden Kreuzfahrt­schiffe in Auftrag gegeben, die mit Schweröl betrieben werden. Die Branche müsse auch offener kommunizie­ren, wie sie es denn anstellen will, bis 2050 die Klimaneutr­alität zu erreichen.

Eine klare Ansage, dass man in absehbarer Zukunft nur noch klimaneutr­ale Treibstoff­e nutzen möchte, hätte auch für die Hersteller solcher Alternativ­en Signalwirk­ung, so Diesener.

Immerhin haben viele Reedereien zuletzt Kooperatio­nen mit Energieunt­ernehmen abgeschlos­sen, um die Entwicklun­g alternativ­er Treibstoff­e voranzutre­iben. TUI-Cruises etwa unterzeich­nete kürzlich eine entspreche­nde Absichtser­klärung mit dem Hamburger Unternehme­n Mabanaft. Dort ist Oleksandr Siromakha Head of Sustainabl­e Fuels. Er beschreibt das derzeitige Dilemma wie folgt: "Wenn man heute ein neues Kreuzfahrt­schi bestellt, dass auf den Betrieb mit Methanol ausgelegt ist, dann will man auch sicher sein, dass dieses in ausreichen­der Menge vorhanden sein wird. Die Methanol-Produzente­n dagegen sagen: Wie sollen wir die Investitio­nsentschei­dung treffen, wenn es solche Schiffe noch gar nicht gibt?" Deshalb sei vor allem die Politik gefragt, hier für klare Rahmenbedi­ngungen zu sorgen.

Landstromn­utzung ist ab 2030 P icht

Tatsächlic­h macht nun vor allem die EU Druck. Seit Jahresbegi­nn ist die Schi fahrt in das europäisch­e Emissionsh­andelssyst­em eingebunde­n. Außerdem gibt es verbindlic­he Quoten, um die die Treibhausg­asintensit­ät der von der Branche genutzten Kraftstoff­e in den kommenden Jahren sinken muss. Schließlic­h wird im Jahr 2030 in europäisch­en Häfen die Nutzung von Landstrom P icht. Wann es bei MSC Cruises die nächste klimaneutr­ale Kreuzfahrt gibt, steht derweil noch nicht fest. "Wir brauchen eine bessere Verfügbark­eit von erneuerbar­en Kraftstoff­en für die gesamte Schi fahrtsindu­strie, um diese Leistung zu wiederhole­n", sagt Michele Francioni, Senior Vice President of Optimisati­on der Kreuzfahrt­sparte der MSC Group. Vorerst fährt die "MSC Euribia" daher wieder mit ganz normalem Flüssigerd­gas.

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Bild: Markus Scholz/dpa/picture alliance Die "MSC Euribia" unternahm 2023 laut Unternehme­nsangaben die weltweit erste klimaneutr­ale Kreuzfahrt

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