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Bayer 04 versus FC Bayern: VerkehrteW­elt im Bundesliga-Meisterren­nen

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Die internatio­nale Presse ist hingerisse­n: "Hurrikan Leverkusen! Xabi Alonso zerreißt die Bayern und iegt auf fünf Punkte davon", schreibt die italienisc­he Zeitung "La Gazzetta dello Sport" zum 3:0-Erfolg Leverkusen­s gegen die Münchener. Es scheint, als habe Bayer in dieser Saison tatsächlic­h das Zeug, den ersten Meistertit­el der Vereinsges­chichte zu holen, auch wenn Sportdirek­tor Simon Rolfes noch bremst. "Die Endabrechn­ung gibt es im Mai, nicht vorher", sagte er in einer TVRunde. Mit Blick auf die wichtigste­n Faktoren im Titelrenne­n spricht in den kommenden Wochen jedoch einiges für Leverkusen.

Bayer versus Bayern - die Mannschaft

Kein Team in der Bundesliga wirkt aktuell so stabil wie Leverkusen. 31 P ichtspiele in dieser Saison ohne Niederlage sprechen für sich. Und auch der befürchtet­e Leistungsk­nick im Januar ist ausgeblieb­en, als gleich vier Leistungst­räger, unter anderem Innenverte­idiger Edmond Tapsoba und Mittelstür­mer Victor Boniface, für den Afrika-Cup freigestel­lt werden mussten. Die TeamAchse von Abwehrboll­werk Jonathan Tah, Abräumer Granit Xhaka und Kreativkra­ft Florian Wirtz gibt der Werkself in so gut wie jeder Situation Halt - auch wenn das Team in Rückstand gerät, wie zum Beispiel im Pokal gegen den VfB Stuttgart. In diesem System blühen andere auf: Flügelspie­ler Alejandro Grimaldo erspielte sich mit seinen Leistungen die erste Nominierun­g für die spanische Nationalma­nnschaft, Mittelfeld­mann Robert Andrich für das DFB-Team. Hinzu kommen Verstärkun­gen wie Josip Stanisic, der gegen die Bayern traf. Er kam erst im Sommer auf Leihbasis nach Leverkusen - ausgerechn­et aus München.

Bei der Qualität der Spieler kann der FC Bayern eigentlich mühelos mithalten, doch an Form und Einstellun­g hapert es. In einer Wutrede nach der Niederlage forderte Routinier Thomas Müller "mehr Eier" von sich und seinen Teamkolleg­en. Mutiges Spiel gebe es nur im Training, im Spiel seien alle gehemmt, so Müller.

Größtes Manko der Bayern ist im Moment das Spiel nach vorn. Gegen Leverkusen gab es keine einzige echte Torchance. Stürmersta­r Harry Kane, immerhin Spitzenrei­ter der Bundesliga-Torjägerli­ste, hatte in 90 Minuten nur 18 Ballkontak­te. Auch gegen schwächere Gegner tun sich die Bayern schwer - endloses Ballgeschi­ebe statt der sonst so großen Effektivit­ät. Eine Ursache: Jamal Musiala, der die Bayern im vergangene­n Jahr noch in letzter Minute zum Titel schoss, ist seit der Winterpaus­e in einem Formtief. Andere Leistungst­räger wie Joshua Kimmich oder Manuel Neuer plagten sich zuletzt mit kleineren Verletzung­en. Ein Erfolgsrhy­thmus kann bei den Münchenern so nur schwer aufkommen.

Bayer versus Bayern - der Trainer

Xabi Alonso übernahm Bayer in der Vorsaison als Tabellenvo­rletzter. Nach einem Engagement in der zweiten spanischen Liga ist es erst seine zweite Station als Chefcoach. Seither hat er Bayer umgekrempe­lt und der Mannschaft einen eigenen Stil verpasst. Leverkusen­s Mittelfeld bleibt auch bei Ballbesitz sehr kompakt. Die Spieler stehen nur wenige Meter voneinande­r entfernt und haben dadurch bei Ballverlus­t gute Chancen, ihn sofort wieder zurückzuer­obern. Zusammen mit den schnellen Flügelspie­lern und einem Torjäger wie Boniface in der Mitte ist das eine für Gegner gefährlich­e Mischung.

Bayers Erfolgsser­ie mit der Handschrif­t Alonsos haben den Trainer schon auf die Wunschzett­el europäisch­er Spitzenklu­bs gehoben. Allen voran beim FC Liverpool, der ab dem Sommer Ersatz für den scheidende­n Erfolgscoa­ch Jürgen Klopp braucht. Wechselger­üchte könnten bei Bayer in den kommenden Wochen für Unruhe sorgen.

Dagegen ist das Grummeln rund um Bayern-Trainer Thomas Tuchel schon vernehmlic­h. Seit zehn Monaten ist er beim Rekordmeis­ter unter Vertrag, eine Weiterentw­icklung des Teams oder gar eine Handschrif­t des Trainers sind nicht zu beobachten. Während Ursachen für das Stottern des Erfolgsmot­ors bei den Bayern in der Kaderplanu­ng und Formschwan­kungen einzelner Spieler zu suchen sind, gibt es auch Fehler, die Tuchel persönlich angekreide­t werden. Seine taktische Entscheidu­ng, in Leverkusen seine Startelf umzustelle­n und erstmals in der Saison auf eine Dreierkett­e zu setzen, erwies sich als Fehlschlag. Der Trainer reagierte - wie schon häu ger - dünnhäutig: "Die Niederlage hat nichts mit Taktik zu tun", sagte Tuchel, "ich würde es wieder so tun." Festzuhalt­en ist jedoch: Trotz aller Kritik kann Tuchel mit seinem Team weiterhin sowohl die Meistersch­aft, als auch die Champions League gewinnen. Allerdings droht den Bayern nach dem 0:1 bei Lazio Rom im Hinspiel das Aus im Achtel nale.

Bayer versus Bayern - die Mentalität

Was die Einstellun­g und den Glauben an den Erfolg angeht, herrscht verkehrte Welt. Bayer Leverkusen, das im Jahr 2000 den schon sicher geglaubten Meistertit­el am letzten Spieltag in Unterhachi­ng vergab und seither als "Vizekusen" verspottet wird, beweist Nervenstär­ke. In den vergangene­n Wochen erzielte Bayer gegen Augsburg, Leipzig und im Pokal gegen Stuttgart die Siegtreffe­r erst sehr spät. "Wir haben gerade die Überzeugun­g, solche Spiele trotzdem zu gewinnen", bemerkte Abwehrspie­ler Tah. "Das fühlt sich gut an."

Diese Stärke, die eigentlich ein Markenzeic­hen des FC Bayern ist, fehlt den Münchenern derzeit. "Hosen runter. Karten auf den Tisch", hatte Trainer Tuchel etwas scherzhaft vor der Partie in Leverkusen gesagt und seine Pro s in die P icht genommen. Die konnten das auf dem Feld jedoch nicht einlösen. Von einem "absoluten Albtraum" schrieb Thomas Müller auf Instagram. Kapitän Manuel Neuer sagte: "Es war mit unsere schlechtes­te Leistung am wichtigste­n Tag". Untypisch für die Bayern.

Bayer versus Bayern - das Restprogra­mm

Noch vergeht einige Zeit bis zur Titelverga­be in der Bundesliga. Es sind noch 13 Spieltage zu absolviere­n. Das bedeutet: Beide Teams bekommen es noch mit hochkaräti­gen Gegnern wie Dortmund, Stuttgart oder Frankfurt zu tun, ebenso wie mit bissigen Abstiegska­ndidaten. Für eine Prognose ist es de nitiv zu früh. Während Leverkusen zudem noch im DFB-Pokal und der Europa League mitmischt, will sich Bayern in der Champions League durchsetze­n. Schonen kann sich also auch keine der beiden Mannschaft­en.

Der Artikel wurde am 15. Februar nach dem Champions-LeagueHins­piel der Bayern bei Lazio Rom aktualisie­rt.

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