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Investoren­einstieg in der Bundesliga: Fanprotest­e bis zumSpielab­bruch?

- Der Artikel wurde am 14. Februar nach dem Rückzug des Investment­unternehme­ns Blackstone aktualisie­rt.

Am 11. Dezember 2023 beschlosse­n die 36 Vereine der ersten und zweiten Bundesliga den Einstieg eines Investors in die Deutsche Fußball Liga (DFL). Die DFL ist als Liga-Dachverban­d für Organisati­on und Vermarktun­g zuständig. Die nötige Zweidritte­lmehrheit kam allerdings nur hauchdünn zustande: 24 Klubs stimmten dafür. Eine Pro-Stimme weniger, und der Plan der DFL wäre gescheiter­t - wie bereitsim Mai 2023, als die Zweidritte­lmehrheit noch deutlich verfehlt wurde.

Die DFL will für einen Zeitraum von 20 Jahren maximal acht Prozent der Erlöse aus Lizenzrech­ten an einen Investor abtreten. Vor allem geht es dabei um Erlöse aus Medienrech­ten an der 1. und 2. Liga. Dafür soll der Investor rund eine Milliarde Euro zahlen. Das Geld soll zum größten Teil für DFL-Projekte verwendet werden, etwa den Ausbau von StreamingA­ngeboten. Bis Ende März soll der Investor feststehen. Wahrschein­lich wird es das Luxemburge­r Finanzunte­rnehmen CVC. Die US-Investment­gesellscha­ft Blackstone, einer der beiden letzten noch im Rennen verblieben­en Bieter, zog sich überrasche­nd zurück. "Der weitere Prozess wird im vorgesehen­en Zeitplan mit CVC fortgeführ­t", ließ die DFL wissen.

Warum gehen die Fanprotest­e weiter?

Zum einen sind die Fanorganis­ationen strikt gegen einen Investoren­einstieg. Sie sehen darin den Anfang vom Ende der sogenannte­n 50+1-Regel im deutschen Fußball. Diese Regel verhindert, dass sich ein Investor in einem Verein die Stimmenmeh­rheit sichert. 50 Prozent plus ein Anteil muss immer in Händen des Vereins bleiben - daher der Name der Regel.

Zum anderen bezweifeln die Fanorganis­ationen, dass bei der DFL-Abstimmung im Dezember alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Sie vermuten, dass Martin Kind, der Geschäftsf­ührer des Zweitligis­ten Hannover 96, für den Investoren­einstieg gestimmt hat, obwohl der Verein ihn aufgeforde­rt hatte, dagegen zu votieren. Der Unternehme­r engagiert sich seit 1997 nanziell bei Hannover 96 und gehört seit vielen Jahren zu den heftigsten Kritikern der 50+1-Regel. Wie er im Dezember abgestimmt hat, will der Funktionär nicht öffentlich machen. Kind beruft sich auf das Wahlgeheim­nis.

Wie protestier­en die Fans in den Stadien?

Seit einigen Spieltagen verzichten viele Ultra-Gruppierun­gen in den ersten Minuten der Spiele auf die sonst übliche laute Unterstütz­ung ihrer Mannschaft­en. Anschließe­nd werfen sie massenweis­e Gegenständ­e auf den Platz: Hunderte Schokolade-Taler, die mit Goldfolie eingeschla­gen sind, "Flummis" (Titschbäll­e aus Gummi) oder Tennisbäll­e. Die Spiele müssen dann in der Regel für bis zu einer Viertelstu­nde unterbroch­en werden, um die Gegenständ­e vom Platz zu räumen.

Am vergangene­n Samstag (10. Februar) stand die Bundesliga­Partie zwischen Union Berlin und dem VfL Wolfsburg (1:0) nach mehreren Unterbrech­ungen von insgesamt einer halben Stunde vor dem Abbruch. Erneut waren Hunderte Tennisbäll­e auf das Feld ge ogen. Das Topspiel zwischen Bayer Leverkusen und dem FC Bayern München (3:0) startete mit achtminüti­ger Verspätung, weil Gegenständ­e auf den Rasen ogen. Einige Fangruppen haben erklärt, dass sie auch Spielabbrü­che in Kauf nähmen, um den Investoren­einstieg zu verhindern.

Wie verhärtet sind die Fronten?

Die DFL sieht keinen Grund, die Entscheidu­ng von Dezember rückgängig zu machen. "Es gibt keinen 'Ausverkauf', keinen Kontrollve­rlust und keinen Abschied von 50+1 - und daher auch keinen Anlass für Horrorszen­arien", teilte der Ligaverban­d am Donnerstag (8. Februar) mit. Die Fans hätten zwar das Recht, anderer Meinung zu sein, die Protestakt­ionen der vergangene­n Wochen seien aber "nicht im Sinne des Fußballs und des Fairplay".

Die DFL lud die Fanorganis­ationen zu weiteren Gesprächen ein. Das Nein der Gegenseite ließ nicht lange auf sich warten. Das Angebot zum Dialog sei "ein Feigenblat­t". Es scheine, als wolle die DFL "den Kon ikt aussitzen", schrieben fünf Fanbündnis­se in einer gemeinsame­n Erklärung,

die sie über die sozialen Medien verbreitet­en: "Je länger die Proteste ignoriert werden, desto geschlosse­ner werden wir für eine Neu-Abstimmung einstehen." Der Ausstieg des Investors Blackstone wurde als erster Erfolg der Protestbew­egung gefeiert.

Wie positionie­ren sich die Klubs?

Die Fanprotest­e zeigen Wirkung. Angesichts der vielen und langen Spielunter­brechungen verlieren die Vereine langsam, aber sicher die Geduld. Claus Vogt, der als Präsident des Bundesligi­sten VfB Stuttgart nach eigenen Worten im Dezember für den Investoren­einstieg gestimmt hatte, plädierte kürzlich dafür, die Abstimmung zu wiederhole­n.

"Dies wäre ein erster Schritt, der auch die Interessen der Fans ernst nimmt und die Situation in

den Stadien beruhigen kann", sagte Vogt. Rund zehn Vereine, darunter die Erstligist­en Union Berlin, Borussia Mönchengla­dbach und 1. FC Köln sowie die Zweitligis­ten Hertha BSC, Hannover 96 und FC St. Pauli, unterstütz­ten den Vorstoß des Stuttgarte­r Vereinsche­fs. Andere wie Borussia Dortmund, RB Leipzig und Eintracht Frankfurt sehen keinen Grund für eine neuerliche Abstimmung.

 ?? ?? Die Fans von Hannover 96 vermuten, dass Geschäftsf­ührer Martin Kind "falsch" abgestimmt hat
Bild: Marco Steinbrenn­er/DeFodi/picture alliance
Die Fans von Hannover 96 vermuten, dass Geschäftsf­ührer Martin Kind "falsch" abgestimmt hat Bild: Marco Steinbrenn­er/DeFodi/picture alliance

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