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Formel 1: Unruhe vor Grand Prix in SaudiArabien
"Das ist sicher keine positive Entwicklung", sagte Helmut Marko der österreichischen "Kronenzeitung". Der 80-Jährige, seit zwei Jahrzehnten Motorsportchef des Rennstalls Red Bull und Mentor von Weltmeister Max Verstappen, bezog sich auf die Anschuldigungen gegen Mohammed Ben Sulayem, den Präsidenten des Weltverbands FIA. Seine Aussagen hätten aber auch die aktuelle Atmosphäre bei Red Bull tre end beschrieben.
Beide Themen sorgen in der Formel 1 vor dem zweiten Grand Prix der Saison am Samstag in Dschidda in Saudi Arabien für mehr Spannung als die sportliche Situation: Red Bull gewann in der vergangenen Saison 21 von 22 Rennen, und Verstappen triumphiert auch beim Saisonauftakt in Bahrain. Nach einem Rennen ohne Höhepunkte kam er mit 22 Sekunden Vorsprung auf seinen Teamkollegen Sergio Perez als Erster ins Ziel.
Was wird dem FIA-Chef vorgeworfen?
Ben Sulayem soll sich in der vergangenen Saison beim Rennen in Dschidda in den Rennausgang eingemischt haben. Nach Informationen des britischen Senders BBC intervenierte der frühere Rallye-Fahrer aus Dubai persönlich, damit eine Zeitstrafe der Rennkommissare gegen den AstonMartin-Fahrer Fernando Alonso rückgängig gemacht wurde.
Hätte die Strafe Bestand gehabt, wäre der Spanier vom Podest
platz drei auf den vierten Rang zurückgerutscht. Über die möglichen Motive des FIA-Präsidenten wird spekuliert. Aston Martin wird vom saudischen Ölkonzern Aramco gesponsert. Das Unternehmen, eines der umsatzstärksten der Welt, gehört auch zu den größten Geldgebern der Formel 1.
Die FIA bestätigte lediglich, dass die Ethikkommission einen Bericht mit detaillierten Vorwürfen gegen "gewisse Mitglieder der Führungsgremien" prüfe. Ein Ergebnis werde in vier bis sechs Wochen vorliegen.
Laut Medienberichten gibt es weitere Anschuldigungen gegen FIA-Chef Ben Sulayem. So soll der 62-Jährige in der vergangenen Saison ohne stichhaltige Argu
mente verlangt haben, der neuen Rennstrecke in Las Vegas, einem Prestigeprojekt der FIA, die Freigabe zu verweigern. Auch das Finanzgebaren des Präsidenten wird angeblich untersucht.
Was ist bei Red Bull hinter den Kulissen los?
Auch die Affäre um Teamchef Christian Horner sorgt weiter für Unruhe. Daran änderte auch die Erklärung des Red-Bull-Konzerns nichts, nachdem die Beschwerde einer Mitarbeiterin gegen Horner wegen unangemessenen Verhaltens abgewiesen worden war. Ein unabhängiger Anwalt hatte die Vorwürfe zuvor geprüft.
Doch unmittelbar nach der vermeintlichen Beendigung des
Falles wurden Journalisten und Formel-1-Teamchefs 79 Dateien mit Screenshots zugespielt. Sie zeigten mutmaßliche Emails Horners an die Mitarbeiterin mit pikantem Inhalt. Horner ist seit 2015 mit der britischen Sängerin Gerri Halliwell verheiratet, die einst mit der Girl-Group Spice Girls berühmt wurde.
Jos Verstappen, Vater und Manager von Weltmeister Max Verstappen, hatte Horner gegenüber der Zeitung "Daily Mail" scharf attackiert. "So kann es nicht weitergehen. Es wird explodieren", sagte der frühere Formel-1-Fahrer, dessen Verhältnis zu Horner schon länger belastet sein soll.
Die Spekulationen über einen Wechsel seines Sohnes Max Verstappen zu Mercedes haben damit neue Nahrung erhalten. Rekordweltmeister Lewis Hamilton wechselt 2025 zu Ferrari und macht damit sein Mercedes-Cockpit frei. Verstappens Vertrag mit Red Bull läuft zwar noch bis 2028, enthält aber offenbar eine Ausstiegsklausel.
Was bedeutet das alles für den Grand Prix in SaudiArabien?
Die Unruhe in der Formel 1 vor der vierten Auflage des Rennens in Dschidda kommt für die saudischen Veranstalter zur Unzeit. Sie würden gerne ein Formel-1-Rennen ohne störende Nebengeräusche bieten. Wie schon der Auftakt der Saison in Bahrain wird das Rennen in Saudi-Arabien wegen des am kommenden Sonntag (10. März) beginnenden Fastenmonats Ramadan samstags (9. März) ausgetragen.
In den staatlich kontrollierten Medien des Landes spielen weder die Horner-Affäre noch die Vorwürfe gegen dein FIA-Präsidenten eine Rolle. Stattdessen wird breit über das anstehende Frauen-Rennen im Rahmen des Grand Prix berichtet. Dabei startet mit einer Wildcard erstmals auch eine saudische Fahrerin: die 32 Jahre alte Reema Juffali.
Seit Jahren werfen Menschenrechtsorganisationen der Regierung Saudi-Arabiens Sportswashing vor: Sie wolle mit Hochglanz-Sportveranstaltungen von der schlechten Menschenrechtslage im Land ablenken.
Das Land investiert seit Jahren nicht nur in der Formel 1, sondern auch in anderen Sportarten wie Fußball und Golf. 2034 soll die Fußball-Weltmeisterschaft in Saudi-Arabien ausgespielt wer
vor Ort gehörte auch ein deutsches Paar von Pferdezüchtern.
Vielseitigkeitsreiterin Klimke: "Abartig und schrecklich"
Die Reaktionen aus der deutschen Reitsport-Szene waren deutlich: Dressur-Bundestrainerin Monica Theodorescu wurde in einer Mitteilung des deutschen Reitsportverbands FN zitiert: Sie verurteile "solchen Umgang mit dem Partner Pferd aufs Schärfste. Wir distanzieren uns deutlich von Trainingsmethoden dieser Art", so Theodorescu. Hubertus Schmidt, 2016 in Rio de Janeiro Mannschafts-Olympiasieger mit der deutschen Equipe, bezeichnete die Praktiken als "Vergewaltigung". Die deutsche Vielseitigkeitsreiterin Ingrid Klimke nannte im deutschen Fernsehen vor allem den Fall Parra "abartig und schrecklich".
Beide Fälle hatten für die verantwortlichen Reiter bereits Konsequenzen: Der dänische Verband sperrte Helgstrand bis 2025 und erkannte dessen Unternehmen "Helgstrand Dressage" den Status als Ausbildungsbetrieb ab. Parra wurde vom Weltverband FEI suspendiert.
Auch ein deutscher Dressurreiter geriet zuletzt in den Fokus: Matthias Rath, der einst mit dem 2020 verstorbenen Wunderhengst Totilas für Deutschland bei Europameisterschaften und Nationenpreisen antrat, soll sein Pferd im Januar bei einem Turnier in Norddeutschland im Training ebenfalls der Rollkur unterzogen haben. Rath wehrte sich gegen die Vorwürfe. Gegenüber dem Reitsport-Magazin "Reiterrevue" sagte Rath, dass "eine falsche Kopf-Hals-Haltung weder meine Absicht noch Teil meines Trainings ist".
Moderner Fünfkampf als abschreckendes Beispiel
Ungeachtet dessen ist die Diskussion über das Tierwohl im Dressurreiten im Gang. Als warnendes Beispiel dürfte Aktiven, Trainern und Of ziellen das Springreiten im Modernen Fünfkampf gelten. Die Wettbewerbe in der Teildisziplin gerieten bei den Olympischen Spielen in Tokio 2021 zur
Farce und lieferten ein Beispiel, wie Pferdesport nicht aussehen soll. Trauriger Höhepunkt war damals der Auftritt der deutschen Goldmedaillen-Anwärterin Annika Schleu und ihrer Bundestrainerin Kim Raisner. Auch mit Gewalt und Zwang konnten sie das verschreckte und überforderte Pferd kaum dazu bewegen, den Parcours zu absolvieren.
Die Folge war eine weltweite Diskussion, die letztlich dazu führte, dass künftig im Modernen Fünfkampf nicht mehr geritten wird. Das Springreiten wird zum Wohl der Pferde durch einen Hindernis-Parcours im Stile der "Ninja Warrior"-Wettbewerbe ersetzt, allerdings erst nach den Olympischen Spielen 2024 in Paris. Beim beliebten TV-Format "Ninja Warrior" balancieren, klettern und hangeln sich die Teilnehmer über verschiedene Hindernisse und müssen dabei versuchen, nicht abzurutschen oder herunterzufallen.
Ob die Fälle schwerer Tierquälerei in der Dressur nun ebenfalls dazu führen, dass die Disziplin aus dem olympischen und paralympischen Programm gestrichen wird, muss sich zeigen. Der Unterschied zum Fünfkampf in
Tokio ist, dass die Vorfälle nicht während der Olympischen Spiele stattgefunden haben und zudem die zuständigen Verbände schnell reagiert und die Verantwortlichen gesperrt haben. Gleichwohl gibt es die Debatte über Tierwohl im Pferdesport schon länger - bei der Tierschützer und Pferdesportler oft miteinander unvereinbare Positionen einnehmen.
Sie wünsche sich, dass "wir zukünftig eine ehrliche und faire Diskussion führen, die ganz klar zwischen schlechtem Reiten und Tierquälerei unterscheidet", schrieb Isabell Werth auf ihrem Instagram-Kanal: Reiterliche Fehler "dürfen und müssen diskutiert werden. Aber bitte sachlich, objektiv und fair."
Projekt des CHIO Aachen als Chance?
Beim CHIO in Aachen, dem größten und wohl renommiertesten Pferdesport-Event der Welt, war im vergangenen Jahr eine Pilotstudie an zunächst sechs Pferden (darunter einem Dressurpferd von Isabell Werth) zur objektiven Überprüfung des Tierwohls im Reitsport vorgestellt und gestartet worden. Es ging dabei um Langzeitbeobachtungen mit Kameras zum Verhalten der Pferde während des Turniers, zum Schlafrhythmus in der Box, außerdem um die Messung des Stresshormons Cortisol im Pferdekot.
Die Auswertung läuft derzeit, präsentiert wurden die Ergebnisse noch nicht. Wenn herauskommen sollte, dass alle getesteten Pferde sich während des Turniers in Aachen nicht gestresst, sondern entspannt und wohlgefühlt haben, wäre das zwar eine gute Nachricht für die besorgten Reiterinnen und Reiter.
Allerdings darf man eine Tatsache nicht ausblenden: Das Aachener Turnier ist so etwas wie der Goldstandard unter den Reitturnieren. Was hier gilt, ist nicht unbedingt repräsentativ für den gesamten Reitsport und kann nicht ohne Weiteres verallgemeinert werden. Denn die meisten anderen Pferdesport-Veranstaltungen der Welt können mit den quasi perfekten Bedingungen für die Pferde beim Aachener Turnier nicht mithalten.